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Opiate gehören zu den mit Abstand wichtigsten Schmerzmitteln, welche die Medizin kennt. Ohne Opiate wären auch Operationen undenkbar. Kaum eine andere Stoffgruppe schaltet Schmerzen so effizient aus wie Opiate. Bei vielen starken chronischen Schmerzen sind Opiate ebenfalls das Mittel der Wahl. Jedoch bringt diese starke Wirkung auch eine Schattenseite mit sich.
Opiate haben ein enormes Suchtpotenzial, und der starke Anstieg der Toleranz macht eine häufige Erhöhung der Dosis nötig, um die gleiche Wirkung zu erreichen. Bereits nach wenigen Wochen kann eine körperliche Abhängigkeit einsetzen. Sich davon wieder zu entwöhnen, kann ein Lebensabschnitt werden. Es gilt der Grundsatz, so viel wie nötig, aber so wenig wie möglich. Genau an dieser Stelle können Cannabinoide einige erstaunliche synergetische Effekte zeigen, sodass die Dosis und die mögliche Abhängigkeit so niedrig wie möglich gehalten werden können.
THC verstärkt Opiatwirkung
Es finden sich im Internet zahlreiche Patientenberichte, in denen Cannabis einen großen Teil der Schmerzmittel auf Opiatbasis ersetzen konnte oder diese sogar überflüssig machte. Dies wird nun auch durch immer mehr Studien bestätigt und in Zahlen sichtbar. Im Jahr 2021 wurde von einem australischen Forscherteam eine Arbeit veröffentlicht, in welcher die Daten aus 17 klinischen Studien ausgewertet wurden, die sich damit beschäftigten, inwiefern THC die Wirkung von Opiaten beeinflussen kann. Nach der Auswertung der Daten kam man zu dem Ergebnis, dass sich die Potenz von Morphin erheblich erhöht, wenn es mit THC kombiniert wird.
Es zeigte sich, dass sich die erste schmerzstillende Wirkung von Morphin bereits bei einer 3,6-fach geringeren Dosis einstellt, wenn es mit THC kombiniert, als wenn es alleine eingenommen wird. Noch erstaunlicher war das Resultat bei Codein. Hier war die erste Wirkung, wenn es mit THC kombiniert wurde, bei einer 9,5-fach niedrigeren Dosis festzustellen als bei einer alleinigen Einnahme. Es spielte dabei keine statistisch signifikante Rolle, ob THC oral oder inhalativ konsumiert wurde. Nicht nur natürliche Opiate scheinen durch THC erheblich in ihrer schmerzlindernden Wirkung verstärkt zu werden, sondern auch synthetische Opiate wie Oxycodon zeigen ähnliche synergetische Effekte.
Bereits im Jahr 2011 untersuchte eine niederländische Studie, inwiefern Cannabis helfen kann, hier die Wirkung zu verstärken und die Dosis zu reduzieren. 21 Patienten, die gegen chronische Schmerzen täglich entweder Morphin oder Oxycodon einnahmen, rauchten zusätzlich jeden Abend eine THC-reiche Cannabissorte. Danach wurde das subjektive Schmerzempfinden auf einer Skala eingetragen. Dabei zeigte sich, dass der zusätzliche Konsum von Cannabis die Intensität der Schmerzen durchschnittlich um weitere 27 % reduziert.
Gleichzeitig gab es in keiner Studie Hinweise darauf, dass, obwohl die analgetische Wirkung verstärkt wurde, auch opiattypische Nebenwirkungen verstärkt werden. Bei keinem der Teilnehmer trat die bei Opiaten gefürchtete Atemdepression ein, trotz verstärkter analgetischer Wirkung.
Synergetische Wirkung über den CB2-Rezeptor
Der Grund, warum sich Opiate und THC gegenseitig in ihrer schmerzstillenden Wirkung verstärken, liegt laut aktuellem Wissensstand hauptsächlich in einer indirekten synergetischen Wirkung über den CB2-Rezeptor begründet. Obwohl THC primär ein CB1-Agonist ist, hat es unter anderem auch eine agonistische Wirkung auf den CB2-Rezeptor. Diese ist bei THC stärker ausgeprägt als bei anderen bekannten CB2-Agonisten wie CBD. Durch eine agonistische Wirkung am CB2-Rezeptor kommt es zu einer Freisetzung von körpereigenen Opiate.
Diese Opiate sind es schließlich, welche mit den extern zugeführten Opiaten synergetisch wirken und sich dadurch in ihrer Wirkung gegenseitig verstärken. Diese körpereigenen Opiate, welche auch unter der Bezeichnung Endorphine bekannt sind, docken, genauso wie die von außen zugeführten Opiate, am µ-Opioid Rezeptor an. Dadurch kommt es an dieser Stelle zu einer gegenseitigen Beeinflussung. Auch die Toleranz scheint über die Interaktion am CB2-Rezeptor niedriger gehalten zu werden.
Es gibt eine Untersuchung über ein Cannabinoid aus der Schmetterlingstramete, welches eine selektive Wirkung am CB2-Rezeptor aufweist. Dies führt dazu, dass die Toleranz gegenüber Morphin nicht weiter ansteigt und gleichzeitig durch die Freisetzung von körpereigenem Beta-Endorphin die schmerzlindernde Wirkung verstärkt wird.
Rolle der CYP-Enzyme bis jetzt nicht vollständig geklärt
Ein Punkt, der aktuell in der Forschung weiterhin nicht vollständig verstanden wird, ist, ob es eine gegenseitige Beeinflussung von Opiaten und Cannabinoiden gibt, wenn diese gleichzeitig über die Leber verstoffwechselt werden. Sowohl Opiate als auch Cannabinoide werden in der Leber über die sogenannten CYP-Enzyme abgebaut.
Manche Opiate müssen auch erst durch CYP-Enzyme in ihre eigentlichen, deutlich wirksameren Metaboliten zerlegt werden, um die eigentliche Wirkung zu erreichen. Es ist nicht abschließend verstanden, inwiefern die gleichzeitige Verstoffwechslung von sowohl Opiaten als auch Cannabinoiden über CYP-Enzyme eine potenzielle gegenseitige Wechselwirkung auslösen könnte.