Cannabigerol, kurz CBG, gehört zu den etwas unbekannteren Cannabinoiden im Hanf. In der Pflanze stellt CBG den Ausgangsstoff zur Synthese zahlreicher weiterer Cannabinoide dar. Ohne CBG wäre auch keine Synthese von THC im Pflanzenstoffwechsel möglich. Entdeckt wurde CBG durch das Forschungsteam von Raphael Mechoulam im Jahr 1964.
Während bekannte Cannabinoide wie THC und CBD bereits genau erforscht sind, besteht bei CBG aktuell noch Nachholbedarf. Die Wirkung von CBG hat teilweise Parallelen zu THC und CBD, jedoch ohne psychoaktive Wirkung. Aufgrund seiner Ähnlichkeit im Wirkungsmechanismus wird davon ausgegangen, dass CBG ebenfalls eine Reihe ähnlicher medizinischer Eigenschaften aufweist. Es wirkt ebenfalls entzündungshemmend und hat Potenzial bei der Behandlung verschiedenster Magen- und Darmerkrankungen.
Studien konnten bereits zeigen, dass einige Arten von Entzündungen durch CBG offenbar effektiver gehemmt werden können als von CBD. Wie von allen Cannabinoiden lassen sich auch von CBG halbsynthetische Derivate ableiten, mit einer noch selektiveren und potenteren Wirkung als das Original. Einige dieser Derivate könnten für die Medizin hochinteressant sein.
Neues, stark entzündungshemmendes Cannabinoid
Eines dieser neueren halbsynthetischen Derivate von CBG ist das Cannabinoid HUM-223. Zwar stehen klinische Tests am Menschen noch aus, jedoch lassen bisherige Untersuchungen auf ein hohes entzündungshemmendes Potenzial, mit gleichzeitig geringen Nebenwirkungen, schließen. Zuerst synthetisiert und in Studien untersucht wurde dieses Cannabinoid im Jahr 2021 unter Raphael Mechoulam an der Hebräischen Universität. Durch Beobachtungen an Mäusen konnte gezeigt werden, dass HUM-223 eine ähnlich starke entzündungshemmende Wirkung wie Dexamethason hat. Bei Dexamethason handelt es sich um ein Corticosteroid, welches hochwirksam ist und eine Standardmedikation bei vielen Entzündungen darstellt.
Ein Problem sind jedoch erhebliche Nebenwirkungen bei einer längerfristigen Einnahme. Unter anderem können ein gestörter Fettstoffwechsel und unerwünschte Gewichtszunahme eine Folge von Dexamethason sein. HUM-223 zeigte sich in dieser Studie als genauso effektiv wie Dexamethason, wenn es darum ging, bestimmte Entzündungsfaktoren zu hemmen, die bei Arthritis eine Rolle spielen. Diese Tatsache könnte es zukünftig zu einem neuen Kandidaten gegen Entzündungen machen. Weiterhin wirkt HUM-223 schmerzstillend, was bei Entzündungen wie Arthritis von großer Bedeutung ist.
Neuer Kandidat gegen Fettleibigkeit
In der gleichen Studie wurde ein weiteres halbsynthetisches CBG-Derivat untersucht, mit dem Namen HUM-234. Dieses erwies sich als vergleichbar entzündungshemmend wie HUM-223, jedoch mit dem erstaunlichen Unterschied, dass es offenbar die Gewichtszunahme stoppt. Wie bereits erwähnt, ist eine Nebenwirkung von Corticosteroiden, die häufig als Standardmedikation bei Entzündungen dienen, die unerwünschte Gewichtszunahme.
HUM-234 scheint genau diese Entgleisung des Fettstoffwechsels zu stoppen. Forscher gehen davon aus, dass dieses Cannabinoid ein sehr interessanter Kandidat zur Behandlung von Adipositas sein könnte. Eine Abwandlung von HUM-234 ist das Cannabinoid HUM-233. Dieses ist im Wesentlichen eine Salzform von HUM-234, genauer gesagt ein Maleinsäuresalz, mit dem Unterschied, dass die Bioverfügbarkeit verbessert wurde.
Neuroprotektive Eigenschaften
Ein weiteres CBG-Derivat mit dem Namen VCE-003.2 wurde zwar bereits 2016 in einer spanischen Studie untersucht, war aber auch in späteren Jahren immer wieder Gegenstand von Forschungen. Auch aktuell ist diese Verbindung, vor allem am Gebiet der Neurologie, von großem Interesse. Studien konnten zeigen, dass dieses Cannabinoid molekularbiologische Prozesse in Nervenzellen hemmt, die eine zentrale Rolle bei neurodegenerativen Erkrankungen wie der Huntington-Krankheit spielen. Bei der Huntington-Krankheit handelt es sich um eine fortschreitende degenerative Erkrankung des Gehirns, die bis heute nur sehr bedingt behandelbar ist.
Eine Schlüsselrolle bei diesen und ähnlichen neurodegenerativen Erkrankungen spielt der Rezeptor PPAR-Gamma. Über diesen Rezeptor werden intrazelluläre neurologische Prozesse gesteuert, die bei der Entstehung von neurodegenerativen Erkrankungen eine Rolle spielen. Dieses neue CBG-Derivat scheint genau jene krankheitsauslösenden Prozesse zu hemmen, indem es an diesem Rezeptor wirkt. Bereits frühere Studien konnten zeigen, dass der PPAR-Gamma-Rezeptor ein therapeutisches Ziel bei der Huntington-Krankheit sein könnte. Es sind noch klinische Studien am Menschen nötig, jedoch ist diese Beobachtung bereits ein erheblicher Fortschritt.
Dieses Cannabinoid ist einer der wenigen bekannten Wirkstoffe, der direkt in den Entstehungsmechanismus der Huntington-Krankheit eingreift, während sich die bisherigen Behandlungsansätze hauptsächlich auf eine Reduzierung der Symptome beschränkten. Neuere Forschungsergebnisse deuten darauf hin, dass dieses Cannabinoid zukünftig auch bei der Behandlung der Alzheimer-Erkrankung eine Rolle spielen könnte.