THC ist der vermutlich bekannteste Wirkstoff von Cannabis. Er gehört zur Gruppe der Cannabinoide und ist verantwortlich für die psychoaktive Wirkung sowie für einen großen Teil der medizinischen Wirkung von Hanf. Von THC lassen sich zahlreiche Derivate ableiten. Ein Derivat ist eine abgeleitete chemische Verbindung. Das bedeutet, man nimmt eine Ausgangssubstanz und fügt an diese dann weitere Stoffgruppen an. Im Fall vom THC-Derivaten fügt man also am THC-Molekül, an einer bestimmten Position weitere Stoffgruppen an.
An der chemischen Bezeichnung dieser neuen Substanz lässt sich dann auch deren Syntheseweg ablesen. 11-Hydroxy-THC beispielsweise bedeutet, dass am THC-Molekül an der 11. Position eine Hydroxy-Gruppe, also eine Gruppe bestehend aus einem Wasserstoff- und Sauerstoffatom, angefügt wurde. Manche Derivate von THC kommen in Spuren im Hanf vor, können im Zuge der Verstoffwechslung von THC im menschlichen Körper entstehen, oder können im Labor hergestellt werden. Letztere werden auch als halb synthetische Cannabinoide bezeichnet, weil der Naturstoff THC als Ausgangsmolekül verwendet wird und durch das Anfügen von Stoffgruppen, in der Chemie Substitution genannt, eine neue Verbindung entsteht, die in der Weise nicht in der Natur vorkommt.
Ein Cannabinoid mit langer Wirkungsdauer als Vorteil für Patienten
Ein THC-Derivat, welches für die medizinische Verwendung besonders zu erwähnen ist, ist 11-Hydroxy-THC. Dieses Derivat kommt nicht im Hanf vor, sondern es entsteht im Körper, wenn THC aufgenommen und verstoffwechselt wird. Es entsteht insbesondere dann, wenn THC oral eingenommen wird, beispielsweise wenn Cannabis zum Backen verwendet wird. Während bei THC die Hauptwirkung nach etwa 3 Stunden zum Großteil vorbei ist, hält die Wirkung von 11-Hydroxy-THC, abhängig vom Stoffwechsel des Konsumenten, bis zu 10 Stunden an.
Medizinisch hat es die gleichen Wirkungen wie THC, also vorwiegend eine Stillung von neuropathischen Schmerzen sowie eine Hemmung von Übelkeit, und Steigerung vom Appetit. Die hohe Potenz und die sehr lange Wirkungsdauer bietet Patienten, die aufgrund chronischer Beschwerden auf eine tägliche Anwendung von Cannabis angewiesen sind, einen enormen Vorteil, da erheblich weniger Einzeldosen pro Tag notwendig sind. Ein weiterer wesentlicher Vorteil von 11-Hydroxy-THC ist, dass es trotz seiner hohen Potenz und langen Wirkungsdauer, keine stärkere Toleranz erzeugt als THC selbst.
Nebenwirkungsärmere Alternative zu THC
Wenn von THC die Rede ist, meint man genaugenommen Delta-9-THC. Dieses ist jenes THC-Derivat, welches im Hanf vorkommt. Infolge der Prohibition wird seit Jahren immer wieder versucht, neue Cannabinoide zu erschaffen, welche die bestehende Gesetzgebung umgehen, weil sie noch so neu sind, dass sie in keinem Gesetz gelistet sind. Es wurde auch am THC-Molekül gebastelt und eines der Derivate, welches daraus entstand, war Delta-8-THC. Dieses ist vor allem als legales Cannabinoid zu Konsumzwecken in US-Staaten populär, in denen Cannabis als Genussmittel noch immer illegal ist. Zwar kommt dieses in Spuren auch im Hanf vor, doch es wird in der Regel halb synthetisch, von Delta-9-THC ausgehend, hergestellt.
Aufgrund der engen chemischen Verwandtschaft zu THC hat es vergleichbare medizinische Wirkungen, jedoch sind die psychotischen Nebenwirkungen, die bei manchen Patienten durch THC auftreten, erheblich geringer. Eine Studie im Jahr 2022 hat ergeben, dass die Häufigkeit von psychotischen Nebenwirkungen wie Angst und Paranoia bei Delta-8-THC um die Hälfte geringer ist als beim konventionellen Delta-9-THC. Dies kann für Patienten, die eine genetische Disposition für psychotische Nebenwirkungen haben und sich dennoch die medizinischen Qualitäten von THC zunutze machen möchten, ein erheblicher Vorteil sein.
THCV – das „Diät-Cannabinoid“
Ein weiteres von THC abgeleitetes Cannabinoid, welches am Markt als legale Alternative zum verbotenen THC allmählich Bekanntheit erlangt, ist Tetrahydrocannabivarin, kurz THCV. Dieses Cannabinoid bekommt auch aufgrund seiner medizinischen Eigenschaften zunehmend Aufmerksamkeit. Obwohl es bereits in den 70er-Jahren entdeckt wurde, wurde es erst in den vergangenen Jahren populär. THCV findet sich in kleinen Mengen ebenfalls im natürlichen Hanf, wird aber in der Regel synthetisch hergestellt. Während THC normalerweise den Appetit anregt, wirkt THCV appetithemmend und senkt dadurch in weiterer Folge den Körperfettanteil. Ferner senkt es auch den Blutdruck. Eine im Jahr 2016 veröffentlichte Studie kam zu dem Ergebnis, dass THCV ein wirksames Mittel zur Gewichtsreduktion ist.
THCA – kaum psychoaktiv, aber medizinisch interessant
Tetrahydrocannabinolsäure-A, kurz THCA, kommt in Spuren im Hanf vor und ist im Gegensatz zu THC kaum psychoaktiv, was daran liegt, dass seine Bindungsaffinität am CB1-Rezeptor um das 62-fache schwächer als jene von THC ist. Jedoch deutet der aktuelle Wissensstand darauf hin, dass THCA ein großer Hoffnungsträger zur Behandlung von neurodegenerativen Erkrankungen sein könnte. THCA hat eine ausgeprägte neuroprotektive Wirkung. Eine auf PubMed veröffentlichte Studie aus dem Jahr 2017 kam zu dem Schluss, dass es aufgrund dieser Eigenschaften ein neuer vielversprechender Therapieansatz beim Huntington Syndrom sein könnte, einer neurodegenerativen Erkrankung, gegen die es bislang kaum Therapiemöglichkeiten gibt. Aufgrund seiner praktisch fehlenden psychoaktiven Wirkung ist dieses Cannabinoid auch interessant für eine Dauermedikation, ohne im Alltag durch berauschende Effekte zusätzlich eingeschränkt zu sein.