Dass die Cannabisforschung in den vergangenen Jahren rasant zugenommen hat, ist kaum zu bestreiten. Allerdings sind die Ergebnisse gefühlt paradox. Einerseits werden unglaubliche Fortschritte erzielt, was unter anderem das THC und CBD angeht, andererseits fehlen zu vielen Indikationen die Studien.
Auch was die unzähligen Terpenoide, Terpene und inzwischen 144 isolierten Cannabinoide angeht, tappt man größtenteils im Dunkeln. Ganz zu schweigen vom Entourageeffekt, der das Ganze exponentiell verkompliziert, doch durch die tausenden Kombinationsmöglichkeiten, auch ungeahnte Vorteile birgt. Wir werden später noch auf den Entourageeffekt zurückkommen, denn ohne ihn ist die Wirkung des Cannabinoids Cannabicyclol kaum zu erklären.
Entstehung und Chemie
Cannabicyclol (CBL) wurde erstmals 1964 entdeckt und wird durch eine enzymatische Umwandlung aus dem Vorgänger-Cannabinoid Cannabichromen (CBC) gebildet. Dieses reagiert in den Drüsentrichomen der Cannabispflanze mit einem Enzym, und Cannabicyclol entsteht. Es ist ein Degradationsprodukt (Abbauprodukt), welches durch die Zuführung von Sonnenlicht entsteht. Bei zunehmendem Alter des Cannabis und ausreichender Lichtexposition sinkt also der Cannabicromengehalt und der Cannabicyclolgehalt steigt.
Dies ist primär durch einen 2700 Jahre alten Haschischfund in China zu belegen, in dem CBL und CBN die häufigsten Cannabinoide waren. Beides sind Degradationsprodukte, das CBN weist beispielsweise auf einen ehemals hohen THC Gehalt hin. Dennoch ist in Cannabis normalerweise wesentlich weniger CBL enthalten, als das bei allen anderen Cannabinoiden der Fall ist. Auch interessant ist, dass die deutlich höheren Konzentrationen von CBL in Cannabis Indica gefunden wurden. Cannabis Indica und Cannabis Sativa sind ursprünglich Ausdrücke, die sich auf die geografische Herkunft, und somit auf bestimmte äußere Merkmale, Wuchsverhalten, Ertrag und auch die chemischen Profile bezieht – es sind also unterschiedliche Genotypen-Gruppen.
Unterschiede in den Genen findet man natürlich auch innerhalb dieser Klassifizierungen. Cannabis Sativa hat seinen Ursprung eher in äquatorialen Regionen und ist für seine stimmungshebendes, kreatives High bekannt, während Cannabis Indica eher in Zentralasien und dem indischen Subkontinent angesiedelt ist, und für sein appetitanregendes, schlafförderndes Stoned bekannt ist. Allerdings kann man diese Kategorisierungen heute durch die unzähligen Kreuzungen und die unglaubliche Assimilationsfähigkeit dieser Pflanze kaum noch anwenden.
Wenn man dem Beispiel Kanadas folgt, wird bald jegliche Cannabismedizin auf ihr chemisches Profil untersucht, um nicht mehr falschen Kategorien anzuhängen. Das Medikament auf tatsächlich wirksame Bestandteile zu bestimmen, statt mit veralteten Namen zu klassifizieren, wird vielen Patienten helfen. Wir alle wissen, dass Kush nicht gleich Kush ist. CBC hat noch dieselbe Molekülformel wie CBD und THC (C21H30O2), nur die Atome sind in jedem Cannabinoid anders angeordnet, was zu unterschiedlichen Wirkungen führt. Diese Tatsache verleiht insbesondere dem THC die einzigartige Eigenschaft, an den CB1 Rezeptor zu binden und dort psychoaktiv wirksam zu werden. CBL allerdings unterscheidet sich deutlich in seiner Strukturformel, denn es besitzt keine molekulare Doppelbindung, was dafür sorgt, dass das Cannabinoid nicht psychoaktiv wirksam ist. Dies führt uns zu der momentan schwierigsten Frage bezüglich CBL.
Wirkung von Cannabicyclol
Initial ist festzustellen, dass Cannabicyclol eins der wenig erforschten Cannabinoide ist. Man hat sich zwar chemisch viel mit ihm beschäftigt, es medizinisch aber leider vollkommen vernachlässigt. Der Grund dafür könnte unter anderem sein, dass die ersten Versuche und Studien dem CBL eine geringe biologische Aktivität unterstellten. In einer Studie von 1973, in der man mehrere Cannabinoide auf den Einfluss auf die Biosynthese von Prostaglandinen untersuchte, war dies der Fall; CBL war biologisch am inaktivsten.
Am aktivsten waren in absteigender Reihenfolge Cannabinol, Cannabinolsäure, A6 Tetrahydrocannabinol, Cannabidiol, Cannabichromen und A1 Tetrahydrocannabinol. Cannabicyclol zeigte größtenteils keine hemmenden Eigenschaften, allerdings wurde hier der Entourageeffekt (Cannabinoide und Terpene besitzen synergetische Eigenschaften, sie arbeiten zusammen, um eine Wirkung zu erzeugen) völlig außer Acht gelassen. Es ist sehr wahrscheinlich, dass CBL kein unwirksames, biologisch inaktives Cannabinoid ist. Höchstwahrscheinlich benötigt es die Interaktion mit anderen Cannabinoiden und Terpenen, um wirksam zu sein.
Studienlage zu Cannabicyclol
Es konnte in einer Studie an Nagern beispielsweise nachgewiesen werden, dass CBL manche seiner Wirkungen über die Cannabinoidrezeptoren entfaltet, andere Wirkungen eindeutig anders erzielt. Man besetzte, um dies herauszufinden, die Cannabinoidrezeptoren mit Vollantagonisten (Stoff, der ohne eine eigene Wirkung zu besitzen, einen Rezeptor besitzt und somit verhindert, dass dort ein anderer Wirkstoff andockt und wirkt), um sie zu blockieren, doch das CBL entfaltete dennoch eine Wirkung. Andere Wirkungen entfaltete das Cannabinoid ausschließlich über die CB – Rezeptoren. Diese Wirkungen waren sowohl Entzündungs- als auch Schmerzhemmung, was CBL für chronisch entzündliche Darmerkrankungen wie Morbus Crohn und Colitis Ulcerosa äußerst interessant macht.
Wenn man sich über Cannabicyclol liest, findet man am Seitenende oft den Hinweis, dass es bisher nicht auf seine Gefährlichkeit hin eingestuft sei. Dies macht man regulär mit jedem Stoff. Was allerdings dazu beigetragen haben könnte, CBL potenziell als gefährlich zu betrachten, ist eine Studie aus dem Jahr 1976, welche an genau 2(!) Kaninchen durchgeführt wurde. Bei der Gabe von einem Milligramm pro Kilogramm Körpergewicht tat sich bei keinem der beiden Kaninchen etwas. Bei einer Dosis von 8 mg je Kilogramm Körpergewicht starb eines der beiden Kaninchen an starken Krämpfen, das andere blieb unversehrt. Offenbar hat CBL also auch eine Auswirkung auf Muskelkontraktionen. Dass man aus diesem Versuch aufgrund fehlender Evidenz, Kontrollgruppe keine konsistenten Daten ziehen kann, ist klar. Es zeigt aber auch, wie sehr die Forschung in diese Richtung vernachlässigt worden ist.