Lange Zeit wurden in Deutschland keine cannabinoidhaltigen Medikamente an Patienten abgegeben, bis es erst vereinzelt mit Fertigarzneimitteln wie Dronabinol wieder losging. Ab 2009 gab es die ersten Marihuanablüten aus der Apotheke. Die Hürden waren hoch, weswegen viele Patienten klagten oder noch immer klagen. Die Bundesregierung hat deswegen reagiert und mit dem Cannabis als Medizin Gesetz die Möglichkeit ab 2017 geschaffen, dass Ärzte ihren Patienten Marihuana auf BtM Rezept verschreiben.
In besonders schwerwiegenden Fällen müssen die Krankenkassen dieses Marihuana aus der Apotheke dann auch erstatten. Es wird künftig also deutlich einfacher sein, Marihuanablüten als Medikament zu verwenden. Für die Patienten werden nicht mehr aufwendige Verfahren zur Erlangung einer Ausnahmeerlaubnis nach § 3 Abs. 2 BtMG notwendig sein. Deswegen wird auch die Nachfrage in den Apotheken schnell steigen, der legale Anbau in Deutschland wird notwendig.
Bislang wird ausschließlich importiert
Derzeit wird Marihuana aus den Niederlanden, aus Kanada und vermutlich bald auch anderen Ländern importiert. Deutschland möchte jedoch nicht auf den Import angewiesen sein. Das wird vermutlich auch den Beweggrund haben, den Anbau, die Qualität und die Verarbeitung in Deutschland besser mit Auflagen kontrollieren zu können, als es in den Niederlanden oder Kanada ginge. Es geht jedoch auch um „Big Business“. Wenn deutsche Unternehmen sich nicht rechtzeitig aufstellen, werden sie sich vom „Cannabiskuchen“ kein großes Stück abschneiden können. Es liegen also ganz rationale Gründe vor, weswegen unsere Bundesregierung gegen ihren eigentlichen Willen beim internationalen Marihuana-Boom ein wenig mit macht, womit bald der legale Anbau für Medizinhanf startet.
Der Anbau von Marihuana wäre permanent möglich
Wie wird denn der Anbau von Medizinhanf in Deutschland aussehen? Es geht los mit der Single Convention on Narcotic Drugs, die Deutschland wie fast jedes Land der Welt unterzeichnet hat. In dieser gibt es Auflagen, mit denen Cannabis verboten werden muss. Es handelt sich sozusagen um Minimumauflagen, die von Deutschland und vielen anderen Ländern übertroffen werden. Es soll die „Drogenkriminalität“ als Anbau, Herstellung und Vertrieb unterbunden werden. Dabei kann jedoch der Eigenkonsum mit den damit verbundenen Handlungen geduldet werden. Sonst gäbe es keine rechtliche Grundlage für die Cannabis Social Clubs in Spanien oder Belgien und Portugal hätte nicht bereits 2001 alle Drogen für die Konsumenten entkriminalisieren können.
Der Anbau, die Verarbeitung und der Vertrieb von potentem Marihuana ist laut der Single Convention nur dann gestattet, wenn dieses für die Wissenschaft notwendig ist, im öffentlichen oder medizinischen Interesse liegt. Die sinnvollere Versorgung von Patienten wäre hierbei ein Kriterium, mit dem dieser legale Anbau, die Verarbeitung und der Vertrieb laut der Single Convention legitim wären. Das aber nur, wenn vorher eine Cannabisagentur eingerichtet wird. Diese hat als Kontrollorgan alle Vorgaben zu definieren und auch zu prüfen.
Der Spielraum, was alles im öffentlichen Interesse ist, bleibt dabei natürlich eine Definitionsfrage. Es könnte immerhin im öffentlichen Interesse sein, niemanden wegen des Anbaus für die Selbstversorgung mit Cannabis zu belangen. Es könnte aber auch im Interesse der Öffentlichkeit liegen, dass Marihuana selbst als Medikament nur Patienten verabreicht wird, die bereits aufgegeben wurden und vermutlich bald „dahin gegangen“ sind. So schlimm ist es dank des jahrelangen Kampfes vieler Patienten in Deutschland zum Glück nicht mehr.
Auch in anderen Ländern, in denen potentes Marihuana legal angebaut wird, wurde zuerst solch eine Cannabisagentur gegründet. Dieses passierte in Deutschland gerade, um nun erste Anbaulizenzen zu verteilen. Die Deutsche Cannabisagentur darf dabei jedoch nicht mit der „Deutsche Cannabis AG“ verwechselt werden, die äußerst fragwürdig ist.
Leider wird der legale Anbau noch etwas auf sich warten lassen, da das Ausschreibungsverfahren so gestaltet wurde, dass deutsche Unternehmen fast keine Chance haben, womit die ersten dieser Bewerber klagen. Der legale Anbau von Marihuana, jetzt für medizinische Zwecke und später hoffentlich auch für den Genusskonsum, ist immerhin ein Milliardenmarkt, aus dem sich deutsche Unternehmen nicht ausgeklammert sehen wollen.
Sich auf Anbaulizenzen bewerben
Die Unternehmen, die in Deutschland legal Marihuana für die medizinische Nutzung anbauen wollen, müssen sich bei der Deutschen Cannabisagentur vorstellen. Diese wird die Lizenzen mit Bedacht vergeben. Es werden mit Gewissheit nur sehr seriöse Unternehmen mit genügender Finanzkraft angenommen, die glaubhaft versichern können, dass sie mit langem Atem den Marihuanaanbau vorfinanzieren können. Die Auflagen für die Sicherheit und Produktqualität werden so hoch sein, dass die Unternehmen mit einigen Millionen Euro bereitstehen sollten.
Weiterhin werden aus besagten Gründen nur Unternehmen eine Lizenz erhalten, die bereits in anderen Ländern am Markt präsent sind und ihre Kompetenz nachweisen können. Für deutsche Unternehmen oder auch kleine Start-ups wird also vermutlich keine dieser wertvollen Lizenzen ausgesprochen. Wer jedoch nicht rechtzeitig in dem Markt Fuß fassen kann, hat mit Pech die Entwicklung verpasst. In der ersten, von 2019 bis 2022 befristeten Lizenzvergabe, geht es um 6600 Kilo Produktionsmenge, die an zehn Bewerber aufgeteilt werden, die eigentlich bereits jetzt nicht genügen würden.
Wenn ein Unternehmen eine Anbaulizenz erhalten hat, muss es die gesamten Auflagen erfüllen. Hier geht es zuerst einmal um den sicheren Anbau. Ein kostengünstiger Outdooranbau wird nicht möglich sein, nicht einmal der Anbau in einem Glashaus. Das Gebäude muss vor Unbefugten gesichert sein, nicht nur bei der verwendeten Tür. Der legale Anbau von Marihuana bleibt für den Normalbürger also in weiter Ferne.
Regulierung vom medizinischen Anbau
Für den Anbau wird es Regelungen geben, bei denen die Unternehmen jedoch einen gewissen Spielraum haben. Die Blüten dürfen später nicht mit Schimmelsporen, Pestiziden oder anderen Giftstoffen belastet sein und dürfen nach dem Trocknen nur auf gewisse Weise weiter bearbeitet werden. Die weitere Verarbeitung wird den Unternehmen möglicherweise sogar untersagt und findet in Apotheken statt. Wie der Unternehmer die Grenzwerte einhält, kann er aber gewiss zu einem bestimmten Grad selbst entscheiden. Er kann auch selbst wählen, welche Sorten er anbaut oder ob er auf Erde, hydroponisch oder aeroponisch anbaut. Es wird jedoch Mengenbegrenzungen geben, mit denen er insgesamt kalkulieren kann. Denn wer eine Lizenz erhält, der erhält diese meist nur für gewisse Produktionsmengen.
Wer eine Anbaugenehmigung für die Produktion von Medizinhanf erhält, hat also bereits einen sehr hohen Aufwand. Dieser hohe Aufwand rechtfertigt sich erst bei entsprechenden Produktionsmengen. Die Anbauräume werden deswegen eine gewisse Größe haben und sie werden zugleich auch professionell ausgestattet. Der Anbauraum ist entscheidend, um sehr sicher mit möglichst geringen Ausfällen oder Schwankungen zu arbeiten. Findet sich kein passendes Objekt, muss die Anbauhalle vielleicht sogar neu gebaut werden. Es werden sich allerdings auch vorhandene Gebäude schnell umbauen lassen. Diese müssen für die Beleuchtung über genügend Strom und für die Pflanzen über genügend Frischluft verfügen. Da unterschiedliche Sorten angebaut werden, wird es vermutlich auch mehrere Anbauräume in der Anbauhalle geben. Neben den einfachen Anbauräumen werden Räume für die Materialien, zum Trocknen, zum sicheren Zwischenlagern, für Laborgeräte usw. benötigt.
Wirkstoffschwankungen?
Es kommt also wirklich auf das Know-how an, um einen großen Anbauraum so zu gestalten, dass mit sehr stabilen Ergebnissen gearbeitet werden kann. Es wird dennoch „Wirkstoffschwankungen“ geben. Das ist bei anderen Medizinpflanzen nicht anders. Mit einem Anbauraum, der sehr konstante Klimawerte hat, können eine stabile Sorte oder die Stecklinge einer Mutterpflanze mit geringeren Schwankungen angebaut werden. Es wird diese Schwankungen also geben, das ist nicht einmal ein Problem. Wer eine große Menge Marihuana anbaut, der wird auch ein paar stichprobenartige Wirkstoffanalysen bewältigen können. Werden z. B. 10 Kilo von einer Sorte geerntet, dann können fünf Wirkstoffanalysen gemacht werden, um zu sehen, wie hoch die Wirkstoffanteile in der jeweiligen Ernte ausfallen. Diese Wirkstoffmengen werden anschließend auf den Produkteinheiten vermerkt. Dann kann der Patient oder sein behandelnder Arzt trotz geringer Schwankungen sehr sicher mit dem Marihuana umgehen.
Die gesamten Marihuanablüten können auch zerbröselt, gemischt und dann vakuumiert werden, um zugleich noch die Schwankungen von einer Blüte zur anderen auszuklammern. Diese Schwankungen wären im Regelfall jedoch zu vernachlässigen, sowie es diese erreichbare tödliche Überdosis beim Marihuana nicht gibt. Wer doch einmal etwas zu viel nimmt, der kann einfach abwarten, bis die Wirkung wieder abklingt. Er wird dadurch jedoch kaum gesundheitliche Nachteile erfahren, sondern höchstens einen unschönen und unproduktiven Tag haben.
Auch an anderen Stellen werden die Messlatten für den medizinischen Anbau und die medizinische Verarbeitung deutlich höher als für den „Normalgebrauch“ angesetzt. Das bedeutet, dass für den Genusskonsum weniger harte Auflagen als für die medizinische Verwendung gelten würden. Bei dem medizinischen Anbau werden auch die Grenzwerte für Schimmelsporen, Pestizide oder Giftstoffe deutlich niedriger bemessen. Es muss im guten Anbauraum also auch mit gutem Boden, gutem Dünger und gutem Wasser gearbeitet werden sowie die Luft ebenfalls von guter Ausgangsqualität sein soll. Auch im Trocknungsraum darf nichts schiefgehen.
Der legale Anbau: Verarbeitung vom Marihuana
Ob der Produzent der Marihuanablüten diese anschließend noch selbst verarbeitet oder nur zu den Apotheken liefert, kommt möglicherweise auch auf die Situation an. Genau wie beim Anbau entsteht auch bei der Verarbeitung Aufwand, der sich erst ab einer gewissen Menge rechtfertigt. Deswegen kann es sinnvoll sein, dass der Hersteller der Blüten oder eine zentrale Apotheke direkt größere Mengen mit geringerem Aufwand verarbeitet. Auch hier gibt es Richtlinien, die besagen, dass für die Verarbeitung gewisse Qualifikationen vorliegen müssen. Apotheker erfüllen diese Qualifikationen, Anbauunternehmen jedoch nicht automatisch. Es wäre also sehr wahrscheinlich, dass diese ihre Ernte zu zentralen Apotheken liefern, in denen eine Weiterverarbeitung stattfindet. Es kann sich um die Gewinnung von Vollextrakten oder das Extrahieren einzelner Wirkstoffe handeln.
Werden von den Ärzten und Patienten jedoch unverarbeitete Marihuanablüten verlangt, dann kann der Produzent diese auch einem Zwischenhändler liefern, der anschließend die Apotheken beliefert. Aber selbst diese Zwischenhändler müssen gewisse Anforderungen erfüllen, mit denen der sichere Umgang mit dem potenten Marihuana glaubhaft belegt werden kann.
Cannabismedizin wird wieder normal
Es ist also zu erwarten, dass in Deutschland erst einmal rund 10 dieser Anbaulizenzen an sorgfältig ausgesuchte Bewerber vergeben werden. Nach der Vergabe der Lizenzen wird zugleich die Umsetzung aller Auflagen überprüft. Dabei wird nicht allein der legale Anbau reguliert. Die ganze Kette von Produktion, Verarbeitung, Großhandel und Einzelhandel über die Apotheken wird erfasst, damit an keiner Stelle unerwünschte Vorkommnisse möglich sind. Es gilt zum einen, dass die Patienten mit einer medizinisch einwandfreien Qualität versorgt werden können. Zum anderen geht es darum, dass neben den Jugendlichen auch sonst kein Unbefugter sich aus diesem legalen Anbau Marihuanablüten verschafft. Das gilt auch für alle Stellen, die nach dem Anbau kommen.
Es soll also ein Höchstmaß an Sicherheit für alle Beteiligten erreicht werden. Wenn bedacht wird, dass noch kein Mensch an einer Überdosis mit Marihuana gestorben ist und diese Pflanze mit geringerem Wirkstoffgehalt vor dem Verbot überall in Deutschland wuchs, wenn sogar ganze Schiffsladungen mit potenten Cannabisprodukten aus Indien in den Häfen für den Handel in Europa gelöscht wurden, dann wird der deutsche Bürokrat dennoch keine Sicherheitslücke freiwillig übersehen. Die Wirkstoffe aus der Cannabispflanze waren im Übrigen nicht nur in Europa, sondern auch den USA ein Bestandteil von sehr vielen Medikamenten. In vielen Regionen enthielt jedes dritte oder vierte Medikament damals auch Bestandteile der Cannabispflanze. Diese Pflanze lässt sich bei sehr vielen Leiden heilend, lindernd oder für die bessere Stimmung und bessere allgemeine Verfassung einsetzen. Sie wurde in Europa jedoch überwiegend als Rohstoffpflanze für Textilien, Seile, Segel oder auch Farben angebaut, weswegen große Mengen mit potenten Cannabisprodukten aus Indien nachgefragt wurden.
Der anfängliche Sicherheitswahn normalisiert sich hoffentlich innerhalb von Jahren, womit sich hoffentlich auch die Preise für die medizinischen Erzeugnisse normalisieren. Das wird die Gesundheitskosten entlasten sowie der legale Anbau eine Kontrolle im eigenen Land und eine Unabhängigkeit zu Importen bedeutet. Die erste Hürde lautet nun, das Klageverfahren deutscher Unternehmer abzuwarten, die sich in der Anbau-Lizenzvergabe übergangen sehen. Möglicherweise wurden die Vorgaben für die Lizenzvergabe mit Absicht so vergeben, dass eine Klage von einem deutschen Unternehmen provoziert wird, um noch einmal alles, um Jahre vor sich hinzuschieben, während die Unternehmen aus anderen Ländern sich den Markt bereits jetzt aufteilen.