Als im März dieses Jahres viele Medien die Bilanz der zwei Jahre zogen, die zu diesem Zeitpunkt das Cannabis als Medizin Gesetz in Kraft war, war diese teilweise vernichtend. Auch der Gesundheitspolitik des Landes waren die Missstände bewusst, die sich durch beinahe alle Teile der Versorgungskette zogen.
Manche davon könnten in diesem Jahr noch ausgemerzt werden, dafür sorgen primär eine Gesundheitsreform und das finanzielle Interesse international tätiger Cannabisunternehmen. Aber welche Dinge werden sich nun verändern und welche Patienten werden davon profitieren können? Welche Probleme könnten eigentlich bald der Vergangenheit angehören?
Die Gesundheitsreform stärkt Therapiehoheit von Arzt und Cannabispatient nur teilweise
Der deutsche Gesundheitsminister Jens Spahn hatte schon vor Monaten eine Gesundheitsreform angekündigt. Seit dem 9. August ist sie geltendes Recht und sie könnte manchem Patienten das Leben erleichtern. Für diejenigen, die darauf hofften, dass der Genehmigungsvorbehalt der Krankenkasse gegenüber der Kostenübernahme einer Therapie Cannabis künftig wegfallen würde, ist die Reform sicher eine Enttäuschung, denn am grundsätzlichen Antrags-Prozedere hat Spahn nicht gerüttelt. Lediglich stationär in einer Klinik befindliche Patienten bekommen ein stark verkürztes Verfahren, die Kassen haben nun nur noch drei Tage Zeit, über Zusage oder Ablehnung der Kostenübernahme zu entscheiden. Ebenfalls enttäuscht werden Patienten, die hofften, ohne neuen Antrag von Fertigarznei zu Cannabisblüten wechseln zu können, dieser bleibt ein Muss.
Arzt und Patient entscheiden autark über Dosierung und Cannabissorte
Ferner allerdings gibt es einige erfreuliche Entwicklungen. Änderungen der Cannabissorte oder der Dosierung sind nicht mehr genehmigungspflichtig, hier können Patient und Arzt nun unabhängig entscheiden. Auch bei Extrakten sind solche Wechsel jetzt ohne neue Antragsstellung möglich. Mit dieser Gesetzesänderung können Arzt und Patient eine einmal genehmigte Therapie mit Cannabis bedarfsgerecht anpassen, ohne Mitsprache der Krankenkasse. Die Regelung kann außerdem auch bei Engpässen bei bestimmten Cannabismedikamenten dennoch eine lückenlose Versorgung gewährleisten, vorausgesetzt, eine adäquate Alternative ist verfügbar.
Neue Medizinalhanf-Importe reduzieren Versorgungsengpässe in Apotheken
Auch die Verfügbarkeit von Cannabismedikamenten verbessert sich zusehends. In der ersten Jahreshälfte 2019 hatten viele Patienten sicher kaum den Eindruck, dass sich die Versorgungslage mit Medizinalhanf seit Inkrafttreten des Cannabis als Medizin Gesetzes 2017 wesentlich verbessert hatte. Doch nach und nach sind einige neue Produkte dazugekommen und lang erwartete Lieferungen aus Kanada sind zumindest teilweise erfolgt. Auch haben nun drei Unternehmen ihren ersten Anbau in Deutschland in Angriff genommen, mit der Verfügbarkeit für Patienten ist allerdings erst im nächsten Jahr zu rechnen. Aber auch, weil die vom Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) bewilligten Anbau-Mengen nicht einmal den Bedarf für das erste Halbjahr 2019 hätten decken können, bleibt für die Global Player der Cannabisbranche der medizinische Markt Deutschland nach wie vor lukrativ.
Cannabis aus Portugal für deutsche Patienten
Der kanadische Hersteller Tilray, der bereits Blüten und Extrakte nach Deutschland importiert, hat durch einen neuen Handelsvertrag den Weg für baldige Importe durch die Tochtergesellschaft in Portugal geebnet, die dann über die Cannamedical GmbH aus Köln in die Apotheken gelangen sollen. Es gibt auch jetzt bereits Produkte von Cannamedical für deutsche Cannabispatienten, diese sind allerdings vom Hersteller Maricann Inc., der heute zur Wayland Group gehört. Die Vielfalt vorwiegend an Cannabisblüten dürfte also weiter zu und Engpässe in der Versorgung weiter abnehmen.
Welche Cannabispatienten haben nichts von den jüngsten Entwicklungen?
Für alle Patienten, die eine Erstverordnung von Cannabis erhalten, bleibt alles beim Alten. Die Krankenkasse entscheidet darüber, ob die Kostenübernahme einer Therapie bewilligt wird. Auch die, die noch auf der Suche nach einem Arzt sind, der Cannabis verschreibt, werden es nicht leichter haben. Das Antragsverfahren und damit die Verordnung von Cannabis bleiben für Ärzte unattraktive Angelegenheiten. Bis heute müssen Ärzte mit Schwierigkeiten rechnen und mehrere Praxen mussten schon Hausdurchsuchungen über sich ergehen lassen, bei denen auch Patientenakten beschlagnahmt wurden. Von den Repressalien waren auch Ärzte betroffen, die nur an Selbstzahler, also ohne Belastung der Krankenkassen, Cannabis verordnen. Der Vorwurf, die Ärzte würden zu leichtfertig Cannabis verschreiben, käme in etwa dem Straftatbestand des illegalen Handels mit Betäubungsmitteln gleich. Welcher Arzt hat Lust auf dieses Risiko, wenn er dabei keinerlei Vorteile, aber potenzielle Unannehmlichkeiten hat? Also wer auch immer einen Mediziner gefunden hat, der ihm Cannabis verordnet, der sollte das schätzen.
Die Legalisierung von Cannabis als Genussmittel könnte weitere Probleme beseitigen
Ungeachtet der Besserungen macht es auf jeden Fall weiterhin Sinn, sich für die Legalisierung von Cannabis für den privaten Konsum in der Freizeit einzusetzen. In Deutschland würden einige Interessengruppen gerne die Verbannung von Cannabisblüten aus den Apotheken sehen, zugunsten von Fertigarzneimitteln. Ob das im Interesse der Verbraucher ist, oder nur ökonomischen Zielen gerecht werden soll, bleibt fraglich. Eine umfassende Legalisierung von Cannabis als Genussmittel mit Implementierung eines kontrollierten Marktes für Erwachsene würde viele Probleme lösen. Es würde unter anderem auch Kranken helfen, denen Cannabis helfen könnte, denen jedoch der Zugang fehlt.