Die in Deutschland angekündigte Legalisierung von Hanf als Genussmittel ganz ohne offizielle Fachgeschäfte könnte sich zu einem ähnlichen Rohrkrepierer entwickeln wie viele andere Projekte der Ampelregierung. Künftig sollen Mitglieder von sogenannten „Cannabis Social Clubs“ selbst angebautes Gras untereinander tauschen dürfen, ohne dass dabei Minderjährige mit THC in Berührung kommen.
Was aus dem Munde von Karl Lauterbach nach Fortschritt in der Drogenpolitik klingen soll, erscheint bei näherer Betrachtung jedoch ziemlich hinterlistig und lässt den zuständigen Behörden wohl weiterhin viel Raum für Willkür gegen Konsumenten. Das zeigen aktuelle Razzien in Spanien, wo es solche Marihuana Vereine schon länger gibt und die Polizei trotzdem gängelt, was das Zeug hält.
Drogendealer oder private Hanfbauern?
Ende Juni stürmten schwer bewaffnete Cops ein Haus in Barcelona und nahmen Leute fest, die Cannabispflanzen indoor züchteten. Presseberichte bezeichnen die Aktion als „tägliche Routine“ der Polizei auf der Iberischen Halbinsel. In Spanien wächst besonders viel Cannabis und weil sich die Realität nicht ewig unterdrücken lässt, entschloss man sich in Katalonien vor einigen Jahren schon zu einer ähnlichen Form der Freigabe, wie jüngst auch für Deutschland verkündet. Seitdem freilich leben User von THC keineswegs entspannter, sondern werden durch staatliche Organe schnell mal als Dealer und Mitglieder von Cannabis verdächtigt.
In spanischen Medien werden eigentlich legale Cannabis Social Clubs fast genauso negativ dargestellt wie bei uns der Görlitzer Park in der Bildzeitung. Bleibt also alles beim Alten in puncto Hanfkonsum und ist die versprochene Legalisierung schon vor dem Start gescheitert? Deutsche Strafverfolgungsbehörden dürften die Ohren spitzen, wenn ihre Kollegen im südlichen Europa vom internationalen Verbrechen reden, von Mafia-Strukturen – obwohl es nur gegen Menschen geht, die in Clubs organisiert allerdings ein äußerst leichtes Ziel abgeben.
Vereine für Fans von Haschisch und Marihuana lassen sich viel weniger aufwendig in die Ecke drängen als das lokale Fachgeschäft mit Lizenz, wo auch Senioren, Geschäftsleute und Patienten gerne einkaufen gehen. Sind künftige Cannabis Social Clubs bei uns also eher Wahlbetrug als eine echte Verbesserung? Schon heute lungern Freunde und Helfer in Uniform betont in der Nähe von legalen Headshops herum, versuchen ganz gezielt jung aussehende Autofahrer mit Sonnenbrille zu einem Drogentest zu zwingen und rücken selbstverständlich auch permanent im zugelassenen CBD Laden zur Razzia an, für die zuvor willige Juristen jederzeit den nötigen Durchsuchungsbefehl bereitstellen.
Große Nachfrage für Grasblüten in Barcelona
Klar liegt Spanien gleich neben Marokko und dem für Hasch berühmten Rif-Gebirge und es tummeln sich Schmuggler im Land, aber auch Millionen überzeugte Konsumenten. Die sind in Katalonien genauso wenig alle süchtig wie in Bayern und fragen als mündige Erwachsene nach, was beispielsweise in Nordamerika ohne Gängelei im Fachhandel verkauft werden darf. Jährlich beschlagnahmt die Polizei rund um Barcelona viele Tonnen Hanf mit einem Verkaufswert von hunderten Millionen Euro. Von den etwa 1500 spanischen Cannabis Social Clubs finden sich mehr als 600 allein in dieser Region!
Im freiheitsliebenden Katalonien gab sich die Politik ab 2017 scheinbar bürgernah und fortschrittlich, erlaubte Vereine für Hanf-Produkte und setzte trotzdem keine echte Legalisierung durch. In den Clubs dürfen Erwachsene um Mitgliedschaft ersuchen und nach dem Antrag erst mal zwei Wochen warten, damit sich keine vorbei reisenden Touristen einschreiben. Ordentliche Mitglieder haben Zugriff auf bis zu 60 Gramm Marihuana pro Monat. Im Schnitt kostet ein Gramm Gras um die sechs Euro, egal ob nun im Club von den Mitgliedern oder beim illegalen Verkauf auf der Straße zwischen Madrid und Sevilla.
Vereine klingen besser als Dealer, bleiben jedoch sichtbar unausgegoren und vor allem ein Scheunentor für staatliche Gängelei. Das Damoklesschwert als Methode sozusagen oder wie ist etwa ein Bürgermeister zu bewerten, der im Frühjahr 2023 für Barcelona das Ende der Hanf-Clubs verkündete und nach ein paar Wochen seine Aussage wieder zurücknahm? Vertrauen entsteht dadurch jedenfalls nicht und so nisten sich bei Vereinen logischerweise manchmal auch gewissenlose Kriminelle ein – während in den USA Minderjährige garantiert kein Gras im Laden bekommen und in der Gegend rund um entsprechende Fachgeschäfte sogar die Preise für Immobilien steigen.
Cannabis Social Clubs als Treff für Konsumenten und Feindbild für Politiker
Maximale Unsicherheit statt Respekt vor dem Wähler steht auf der Agenda und im Verein versammelte Gras Konsumenten erhalten in Spanien immer noch keine einklagbaren Rechte wie etwa Weinbauern, Schnapsbrauer oder Landwirte mit Tabak auf dem Feld. Kritiker fordern für Hanf ständig noch schärfere Kontrollen, kreieren Fake News, blasen Gefahren auf, ohne auch nur eine einzige empirische Untersuchung vorzulegen. Viele Probleme rund um Cannabis entstehen aber nachweislich nur dann, wenn es eben keine fairen, realistischen Regeln gibt! Sind unausgegorene Modelle demnach gewollt oder ignorant oder gar beides?
Weil der spanische Gesetzgeber das für politische Ablenkungsmanöver Ausreden immer geeignete Feindbild Hanf ähnlich schätzt wie die CDU/CSU, können sich die Cannabis-Vereine oft nur in einer ohnehin übel beleumdeten Gegend einmieten. Dort kennt die Polizei jeden Winkel und durchsucht gerne mit großer Gebärde, was angesichts der enormen Nachfrage für Hanf-Produkte durch volljährige Personen eigentlich in jedem Shopping-Center verkaufen könnte. Schutzmaßnahmen sind nötig, selbstredend, doch warum wird wissenschaftlich gesehen immer noch völlig absurd übertrieben anstatt umfassend aufgeklärt?
Wie passt das zusammen angesichts einer Studienlage, die Alkohol und Zigaretten mittlerweile als ziemlich riskant ausweist, Gras hingegen sogar als Heilmittel vom Arzt zur Linderung von Beschwerden verschrieben wird? Im (Süd)Westen nichts Neues beim THC also und die Vorgänge in Spanien sollte man mit Blick auf die anvisierte Cannabis Legalisierung hierzulande sehr genau beobachten.
Ob nämlich der in puncto moderne Drogenpolitik bis dato noch kein einziges Mal in Erscheinung getretene Bundesjustizminister Buschmann (FDP) künftig mehr für die Bürgerrechte tut, ist wahrscheinlich genauso wenig zu erwarten wie das Eintreten von Landwirtschaftsminister Özdemir (Grüne) für mehr staatliche Subventionen beim vielseitigen Nutzhanf auf deutschen Äckern.