Die SPD befindet sich deutschlandweit gerade in einer komplizierten Phase. Die Koalitionsverhandlungen laufen recht zäh, der Schulz-Zug scheint völlig entgleist und die von vielen gewünschte Bürgerversicherung bleibt auch aus. Auch die SPD in Bremen will nicht tatenlos zusehen, wie nur auf Bundesebene alles schiefläuft! Schließlich kann man auch auf Landesebene ordentlich Stress verursachen.
April, 2017, Bremen: Die Rot-Grüne Koalition im Bremer Landtag ist sich einig: Die strafrechtliche Verfolgung von kleinen Kiffern in Bremen soll verhindert werden. Wer nicht regelmäßig kifft, soll sogar den Führerschein behalten dürfen, der Eigenanbau soll legal werden. Die gesundheitspolitische Sprecherin der SPD-Fraktion in Bremen, Steffi Dehne, spricht von einer „modernen und sinnvollen Drogenpolitik“, die SPD-Zeitung Vorwärts fordert „Stoppt den Verfolgungswahn“, die Grünen sind begeistert! Und auch viele Bremer Konsumenten beginnen zu hoffen. Doch, leider vergeblich.
Dinge können kaputtgehen
Jetzt hat die SPD ihre Meinung nämlich geändert! Das Argument klingt gar nicht so weit hergeholt: Wenn man in Bremen jetzt plötzlich legal Kiffen dürfte, dann würde das ja gar nix bringen. Rundherum wäre es ja weiterhin illegal. Die Vorsitzende der SPD Bremen, Sascha-Karolin Aulepp, sagt in einem Interview mit der TAZ, dass „eine Insellösung ohne die niedersächsischen Nachbarn zu überzeugen“ keinen Sinn ergeben würde. Die Frage ist nur: War das der SPD nicht früher bewusst? Dachte die SPD etwa, die Bundesregierung ändert direkt alle Gesetze, nur weil Bremen einen kleinen Modellversuch androht?
Auch die Koalitionspartner sind schockiert und wundern sich über das plötzliche Verhalten der SPD. Was ich verstehe! Erst fordert die SPD große Sachen und bringt den Stein erst richtig ins Rollen, jetzt kommt die plötzliche Kehrtwende? Noch letzte Woche waren SPD und Grüne sich einig gewesen: Die Gerichte und vor allem die Konsumenten müssen entlastet werden, die derzeitige Drogenpolitik ist gescheitert. Doch bei einem Treffen der Bürgerschaftsfraktion der SPD zeigte sich jetzt: Einig sind sich in der SPD nur die Cannabisgegner. Der sozialdemokratische Innensenator befürchtet jetzt sogar noch eine Verharmlosung der Droge.
Einer der Hauptgesprächspunkt war übrigens mal wieder die gute alte „geringe Menge“, also die Menge an Cannabis, bis zu der ein Verfahren ohne Begründung der Staatsanwaltschaft einfach eingestellt werden kann. Fakt ist: Im Strafgesetzbuch steht keine geringe Menge definiert, in keinem Bundesland. Die Landesregierung gibt nur eine Empfehlung an die Staatsanwaltschaft ab, ab welcher Menge ein Verfahren denn überhaupt Sinn ergeben würde und bis zu welcher Menge ein Verfahren gerne eingestellt werden darf.
Die Staatsanwaltschaft hat dadurch eine halbwegs klare Formulierung, dürfen aber auch Personen verknacken, die unter der geringen Menge liegen. Denn: Am Ende gilt eben das Strafgesetzbuch, nicht die freundliche Empfehlung der Landesregierung. In Berlin kann die Staatsanwaltschaft ein laufendes Verfahren übrigens selbst noch bei einer Menge von bis zu 15 Gramm einstellen, der Bremer Landesregierung empfiehlt bis jetzt nur 6 g. Die SPD und die Grünen hatten sich eigentlich auf 15 Gramm geeinigt, daraus wird jetzt aber wieder mal nichts.
Liebe SPD,
Ich muss sagen: Ich bin sehr enttäuscht! Irgendein Bundesland muss die Vorreiterrolle in Deutschland einnehmen und den anderen zeigen „JA, wir machen das und es klappt hervorragend!“. Und Bremen eignet sich für diese Aufgabe sogar sehr gut! Das Land ist nicht so riesig, der Modellversuch wäre also definitiv überschaubar. Andererseits ist Bremen aber groß genug, um aussagekräftige Daten erheben zu können. Hätte die Bundesregierung diesen Modellversuch verboten, dann wäre das eine andere Geschichte.
Im jetzigen Fall ist die SPD für mich ein klarer Befürworter der von vielen Experten und Juristen als gescheitert erklärten Drogenpolitik in diesem Land! Ich verstehe die Wut der Koalitionspartner. Vielleicht einfach vor der nächsten schlauen Bekanntmachung auch mal die Mitglieder befragen und nicht nur auf der Meinungswelle der Öffentlichkeit mitreiten! Das würde Peinlichkeiten wie diese in Zukunft verhindern.
Mit freundlichen Grüßen
Robert Meister