Dank der Legalisierung winken für einstige Vergehen rund um die Hanfpflanze in Deutschland endlich auch Cannabis-Amnestien, doch ausgerechnet mit jener so lange überfälligen Gerechtigkeit haben bayrische Staatsanwälte angeblich enorme Probleme. In Pressemitteilungen und auf Konferenzen jammert dieser Arm des Gesetzes zuverlässig seit Monaten, wie viel Mehrarbeit wegen THC nun nötig sei; schließlich müsse man auf dem Amt jede Menge Altfälle erneut prüfen, statt die Leute einfach weiter im Knast schmoren zu lassen. Wie schlimm ist das denn, bitte schön?
Bei Hanf gilt jetzt Prävention statt Strafverfolgung
Staatliche Ankläger leben bekanntlich von möglichst vielen, vorzugsweise leichten Straftaten. Hanfkonsumenten für ein paar Joints mit hohen Geldbußen in den finanziellen Ruin treiben und Cannabiszüchter ins Gefängnis sperren, war lange Jahre gängige Praxis bei zuständigen Behörden. Durch die seit einigen Monaten geltende Freigabe hat sich das geändert und plötzlich müssen sich Staatsanwaltschaften umstellen, mit richtigen Vergehen beschäftigen und zu allem Übel auch noch prüfen, wo sich das Unrecht aus der Vergangenheit zumindest halbwegs wiedergutmachen lässt.
Normalerweise eine Selbstverständlichkeit im Rechtsstaat, aber im Bundesland Bayern echtes Drama, meint die dortige Justiz und beschwert sich mit großer Gebärde über Fairness bei Haschisch und Marihuana. Man kritisiert in aller Öffentlichkeit den neuen Ansatz von Prävention statt Schikane und trauert der abgeschafften Einstufung von Cannabis als Betäubungsmittel nach. Um mündige Bürger wegen THC zu strafen wie Kriminelle wegen Mord und Totschlag, braucht es nun mehr als drei Hanfpflanzen im Garten oder 30 Gramm Gras im Gepäck und juristische Übergriffe werden schwieriger.
Was die Staatsanwaltschaft München von Marihuanakonsum versteht
Naturgemäß wenig bis nichts, schließlich wurde und wird auch bei Behörden in Bayern über Cannabinoide weder geforscht noch debattiert. Wie soll man es also bewerten, wenn die Vertreter der Anklage in diesem Sommer das Konsumieren von THC als keinesfalls „weniger gefährlich“ bezeichnen und die neuen Regeln im CanG bereits für gescheitert erklären? Die Ampelregierung hat jene Verabschiedung ihrer Cannabis-Legalisierung am 1. April 2024 umfassend begründet, mit wissenschaftlichen Studien unterlegt und dabei ganz besonders die Risiken adressiert. Gefahren kann ein gesellschaftlich normalisierter Umgang mit Hanf logischerweise besser zu Leibe rücken als brutale Verbote.
Welchem Kiffer wurde denn früher durch Gefängnis und Führerscheinentzug, durch vierstellige Geldstrafen und psychologische Untersuchungen konkret geholfen? Und wie genau hat die Gesellschaft von solcher Gängelei profitiert? Antworten kommen dazu aus dem Freistaat selbstredend keine. Viel lieber beschwört die Justiz angebliche Gefahren durch höhere THC-Werte im Weed, durch kriminelle Dealer-Banden und ganz besonders durch überarbeitete Kollegen, denen sozusagen auch rückwirkende Gerechtigkeit befohlen ist.
Fairness und Cannabis-Amnestien als beklagenswerte Mehrbelastung?
Rund 8000 Verfahren aus der Vergangenheit hat man in Bayern bereits aufs Neue prüfen müssen – wie schlimm. Noch schlimmer: Einige THC-User durften sogar den Knast verlassen! Getoppt würde dieses Drama nach Sicht der Staatsanwaltschaft wohl nur noch durch Entschädigungen an Justizopfer, wie das beispielsweise nach der Legalisierung in den USA oder Kanada der Fall ist. Immerhin, meinen wahrscheinlich die Ankläger im Geist und im Herzen, verzichtet das CanG auf solch staatliche Wiedergutmachung und „erspart“ den vorgeblich so stark strapazierten Behörden weitere Mehrarbeit.
Wütend und frustriert sind Staatsanwälte in Bayern außerdem über weniger „Druckmittel“ gegen die kiffende Bevölkerung. Geringere Strafen für den Umgang mit Hanf und seinen Wirkstoffen bedeuten logischerweise weniger Durchsuchungen, Ermittlungen, Überwachungsmaßnahmen, was zwar viel mehr nach Arbeit klingt als Akten durchblättern, aber so genau will man es in München dann auch nicht nehmen. „Drogenhändler“ ließen sich schwieriger verfolgen, wobei diese Beschreibung der Justiz beim Thema Cannabis wahrscheinlich vorwiegend Personen meint, die ein paar Gramm Gras dabeihaben und nun nicht mehr gleich in der Zelle landen.
Bayerns Justiz hat ihre Anti-THC Glaskugel immer fest im Blick
Auf jeden Fall, das weiß die Staatsanwaltschaft schon vor jeder wissenschaftlichen Untersuchung der Cannabislegalisierung ganz genau, findet keine Entlastung der Strafverfolgungsbehörden statt. Es gäbe mehr Arbeit und mehr Überstunden, so tönt es empört aus München. Ein Schelm ist, wer auf dem Weg zum Freibad am Justizpalast laut lachend mit legalen Joints im Rucksack vorüber schreitet, während drinnen schwitzende Staatsdiener die selbst angerichteten Sauereien prüfen müssen.
Sich über Gerechtigkeit zu beschweren, ist jedenfalls ein starkes Stück für Justiziare und neue Gesetze pauschal als Mehrbelastung zu bezeichnen ebenso. Gänzlich sinnlos, weil gescheitert und jetzt abgeschafft, waren hingegen all jene neu zu prüfenden Übergriffe und jahrelangen Ermittlungsverfahren wegen Cannabis, zu deren Kosten wie gesellschaftlichen Schäden zum Glück der Justiz aktuell noch kein Forscher Untersuchungen anstellt.
Statt noch mehr durchschaubarer Krokodilstränen empfiehlt sich für die angespannten Ankläger ein Blick über den Atlantik, und zwar auf dort geltende Cannabis-Generalamnestien. Auch das könnten Staatsanwälte im Freistaat offensiv fordern und sich bei politischer Umsetzung garantiert weniger Arbeit aufladen.
Weil aber bald der staatlich zelebrierte Suff auf dem Oktoberfest ansteht und das Hanfblatt in bayrischen Behörden nur zögerlich von der Dartscheibe entfernt wird, müssen Fans von Haschisch und Marihuana leider weiter mit solchem Bockgesang leben. Ohne das Ganze freilich so ernst nehmen zu müssen wie früher.