Endlich hat man vor wenigen Tagen die möglichen ersten Eckpunkte der längst überfälligen und nun wirklich stattfindenden Cannabislegalisierung gehört, schon hagelt es Kritik von allen Seiten. Auch wenn der Bund bereits dementierte, dass es sich um die tatsächlichen Regeln halten solle und das sogenannte „Eckpunktepapier“ in Wirklichkeit nicht existiere, war die Resonanz in Medien und Politik groß.
Während sich also das noch nicht durchgesetzte Vorhaben weiterhin in der Entwicklung befindet und man einzig einige Kriterien über die mögliche Form der Freigabe in Erfahrung bringen konnte, sind auf den Seiten der Befürworter und Gegner sofort die Alarmglocken gedrückt worden. Während die eine Seite das „Eckpunktepapier“ für viel zu restriktiv hält, so ist es aufseiten der Gegner natürlich nur ein Schritt in eine Suchtspirale mit schweren gesundheitlichen Folgen für die Bevölkerung – vor allem Kinder …
Die potenziellen Eckpunkte der Cannabislegalisierung
In dem mittlerweile schon als „Schmierpapier“ bezeichneten Konzept von Gesundheitsminister Karl Lauterbach werden nur grob gewisse Vorstellungen angesprochen, wie eine Legalisierung von Cannabis in Deutschland funktionieren könnte. So wird dort über den Eigenanbau von zwei Pflanzen gesprochen, eine Besitzgrenze von 20 Gramm, ein THC-Grenzwert von 15 Prozent und eine Unterscheidung der Konsumenten zwischen 18 und 21 Jahren sowie allen darüber erwähnt. Wichtig wäre dazu, dass keine lizenzierten Fachgeschäfte in der Nähe von Schulen, Kindergärten und Jugendclubs eröffnet werden und dass die Produktion, für die geschätzt vier Millionen Konsumenten, komplett hierzulande stattzufinden hätte.
Fragen, wie man an Lizenzen gelangen könnte, um einen Coffeeshop zu eröffnen, um eine Plantage im Freien oder Indoor aufzubauen oder welche Ausbildung vonnöten ist, um als Verkäufer agieren zu dürfen, sind wie viele andere Dinge noch längst nicht geklärt. Es bleibt damit wohl doch noch ein langer Weg bis zu dem ersten Einkauf in einem beratenden Fachgeschäft mit einer gewissen Anzahl unterschiedlicher Cannabissorten und möglicherweise auch anderen berauschend wirkenden Hanfprodukten.
DHV, Linke und Grüne kritisieren
Die ersten Kritiken wurden kurz nach der Veröffentlichung der mittlerweile dementierten Eckpunkte ausgesprochen. Besonders früh war die Linkspartei mit einer Pressemitteilung unterwegs, in der es hieß, dass die bekannt gewordenen Regeln zu restriktiv seien. Die erwähnte Begrenzung des THC-Wertes auf 15 und für unter 21-Jährige auf 10 Prozent wurde wie eine Alkoholreduzierung in bayrischem Bier verstanden. „Es ist so, als würde man in Bayern nur Leichtbier erlauben. 2,5 Prozent bis 21 Jahre, darüber dann 3,5 Prozent Alkohol“, so Ates Gürpinar in dem verschickten Schreiben. Auch die Grünen-Gesundheitspolitikerin Kirsten Kappert-Gonther sah die Regeln in dem Konzept für zu eng gestrickt. Nur wenn die Legalisierung nicht zu restriktiv geregelt werde, könne man den Gesundheits- und Jugendschutz verbessern, da sich ansonsten die Konsumenten weiterhin auf dem Schwarzmarkt die geforderten Waren besorgen würden.
Die möglichen Pläne könnten aufgrund der vielen Begrenzungen dazu führen, dass das legale Angebot ungenutzt bliebe. Einzig in Deutschland das Cannabis anbauen zu wollen, ließe zudem die Gefahr entstehen, dass der Bedarf nicht gedeckt werden könnte. Hier sei das EU-Recht laut Kappert-Gonther zu rudimentär, um sich im Voraus nicht zu trauen, andere Wege einzuschlagen. Der Geschäftsführer des Deutschen Hanfverbandes, Georg Wurth, erkannte auch wenig Potenzial in den bekannt gewordenen Regeln, um den Schwarzmarkt wirklich zurückdrängen zu können. Es gäbe auch keine Besitzobergrenze von einem Kasten Bier, so Wurth, der auch davon ausgeht, dass mit diesen Regeln der gewünschte Verbraucher- und Jugendschutz zum Scheitern verurteilt wäre.
Gegner der Legalisierung nutzen altbewährte Strategie
Während es den Befürwortern der Cannabisfreigabe in den via RedaktionsNetzwerk Deutschland veröffentlichten Inhalten des „Konzeptpapiers“ viel zu streng zur Sache geht, waren die konservativen Gegner des Vorhabens natürlich empört, dass die Bundesregierung ihr Wahlversprechen einzuhalten versucht. Ganz vorn dabei und strikt gegen die Freigabe ist wie gewohnt die bayrische Polizei. Die Gewerkschaft der Polizei Bayern (GdP) ließ durch ihren Landesvorsitzenden Peter Pytlik ausrichten, dass man die vielleicht geplante Erlaubnis zum Anbau von zwei Pflanzen sowie den dann auch erlaubten Besitz von bis zu 20 Gramm nicht nachvollziehen könne. Es würde seitens der Regierung „weltfremd“ agiert und eine „gefährliche Droge“ verharmlost. Damit verbunden wäre „die billigende Inkaufnahme“ von einem Anstieg psychischer Erkrankungen sowie Suchterkrankungen. Diesen würde auf dem geplanten Wege „Tür und Tor geöffnet“.
Daher warnte die GdP Bayern auch „eindringlich“ davor, Cannabis „weich“ zu reden. Es dürfe nicht durch eine Teillegalisierung zu einer Salonfähigkeit von Cannabis kommen. Ein nicht einschätzbares Risiko würde durch gesundheitliche Gefahren und durch Drogenkonsum verursachte soziale Konflikte heraufbeschworen, wird Pytliks Meinung auf MuW-Nachrichten.de wiedergegeben. Sein Stellvertreter, Herr Florian Leitner, verwies sodann auch gleich auf die fatale Signalwirkung für Kinder und Jugendliche, deren Gehirne sich noch in der Entwicklung befänden. Der Entwicklungsprozess der Heranwachsenden würde allein durch die Umsetzung der Legalisierungspläne seitens der Bundesregierung nachhaltig geprägt und geschädigt.
Eigenen Wahrheiten durch Schweigen mehr Gewicht verleihen
Die beiden Herren Beamten übersahen in ihrer hochkochenden Kritik aber natürlich erneut die Tatsache, dass Cannabis zu jeder Tageszeit und für nahezu jede Altersklasse auf dem Schwarzmarkt ungeprüft erhältlich und auch kein Jugendschutz in diesen Gefilden zu erwarten ist. CSU-Politikern wie dem bayrischen Gesundheitsminister Klaus Holetschek zuzustimmen und von Bundeskanzler Scholz wegen weitaus größerer Probleme zu fordern, dass das Vorhaben von ihm gestoppt werden müsse, zeigt die eingeschränkte „Weitsicht“ der GdP Bayern eindrucksvoll. Darauf hinzuweisen, dass aufgrund von zwei Jahren Pandemie und des Kampfes um jedes Menschenleben ganz andere Probleme auf der Welt vorhanden wären, erscheint gerade in Bezug zu den medizinischen Einsatzfeldern von Cannabis daher nur noch albern. Die Bundesregierung aufzufordern sich „wirklichen“ Problemen zu widmen, wie der Energiekrise und einer damit möglicherweise entstehenden Mangelversorgung der Bevölkerung, sollte die diese Worte aussprechenden Menschen bei der Polizei erröten lassen.
Schließlich wird durch das Cannabisverbot seit Dekaden eine Diskriminierung friedlicher Bürger vorangetrieben, die einzig der Kriminalstatistik der passend blau angezogenen Beamten auf die Sprünge hilft. Während ein Kiffer schnell als gelöster Fall festgehalten werden kann, sieht die Aufklärungsquote bei Gewaltverbrechen, Diebstählen oder Wohnungseinbrüchen doch leider irgendwie anders aus. Dass wie ebenfalls noch angesprochen ein großer – nicht zu den Gutverdienern zählender – Teil in der Bevölkerung keine Nerven mehr für eine Diskussion über die Cannabislegalisierung in diesen Zeiten hätte, kann auch leicht entkräftet werden. Sollten der Anbau und der Verkauf von Cannabis zu Genusszwecken in welcher Form auch immer legalisiert werden, sprudeln die Steuereinnahmen und es wird einen Haufen neuer Arbeitsplätze in diesem Bereich geben, anstatt weiter unnötige Polizeieinsätze und Kosten zu verursachen. Wer daher die Vorteile einer Beendigung der Prohibition noch immer nicht erkennt, sollte aktuell tatsächlich als „weltfremd“ bezeichnet werden können.
Es sind noch viele Fragen offen und der weite Weg ist nicht beendet, weshalb einige der genannten Kritikpunkte bezüglich der möglichen Umsetzung noch mit stichhaltigen Argumenten entfernt werden können. Eine weitergehende Hetze gegen Cannabis, dessen Konsumenten und gegen ihren Regierungsauftrag ausfüllende Politiker mittels fadenscheiniger Aussagen darf aber nicht zu einem Ziel führen, das sich die Gegner des Vorhabens offensichtlich weiterhin wünschen: Ein Festhalten an für sie vorteilhaft einsetzbarer Verbote.