Frau Mortler hat also eingeräumt, dass ihre mütterliche Politik uns nicht mehr lange vor der Lobbyarbeit der geldgeilen Lifestyle-Kiffer und Hedgefonds schützen wird. Dafür verkündet sie gleich das neue Angriffsziel: die Schwächsten der Gesellschaft.
Der lange Arm der Bundesregierung will sich also jetzt um die Not leidenden Kinder süchtiger Eltern kümmern. Nach dem Führerschein wird man sich also die Elternschaft unter drogenpolitischen Beschuss nehmen. Können wir uns also darauf freuen, dass eine fürsorgliche Bundesregierung allzu aufsässigen Kiffern bald durch das Jugendamt die Kinder wegnehmen wird?
Zeit also, dass ich mir mal Gedanken mache, wie sehr mein Kind unter meiner Sucht leidet. Als Kiffer mit jahrzehntelanger Arbeitserfahrung entspreche ich natürlich dem Klischee und habe mich nicht wirklich für eine zeitfressende Karriere engagiert. Dadurch habe ich das große Glück, als Vater nun mehr oder weniger hauptamtlich mit der Betreuung meiner fast dreijährigen Tochter beschäftigt zu sein.
Mit dem Alter und auch durch das Kind ändert sich zudem das Konsumverhalten. In der Säuglingsphase war das alles sehr einfach. Das Kind, das Leben und das Kiffen. Ich konnte auch mal vormittags mit Lernstoff und Rauchstoff auf dem Bett vergammeln. Hanf im Kopf ist angenehm für das Lernen und das Beaufsichtigen, denn das Baby schläft viel, kann sich nicht bewegen und damit auch nicht gefährden, verlangt aber ständig geduldige Präsenz. Und wenn man sich als Kiffer schon darauf trainiert hat, sich selbst satt und zufrieden zu halten, ist man ideal dafür qualifiziert, das für 5 zusätzliche Kilo Mensch genauso gutzutun.
Auch die Krabbelphase ist ganz herrlich, wenn man Begeisterung für bunte Spielsachen nicht heucheln muss und mit Freude Sandskulpturen errichten darf, die sofort wieder eingerissen werden. Es gehörte es für mich beim Nachmittagssparziergang für den Mittagsschlaf im Kinderwagen eine schöne Ladung vaporisiertes Gras zum täglichen Ritual.
Inzwischen hatte ich mir das Rauchen nämlich komplett abgewöhnt. Das hatte ich zwar schon länger vor, aber ein neues Leben motiviert da irgendwie mehr. Und auch wenn bei uns vor der Tür die Tüte am Spreeufer normal ist, ich hätte mich das nicht getraut, mit Kinderwagen und Joint Nachbarn oder auch Fremden zu begegnen. Mit dem Vaporizer allerdings spaziere ich selbstbewusst, wie jeder andere E-Zigarettenraucher.
Aus Rücksicht auf das Umfeld schränke ich mich aber auch ein. Ich hätte ein unangenehmes Gefühl, die Kleine bekifft von der Kita abzuholen. Vielleicht gerade, weil sich die Leiterin auskennt. Gern erzählt die, wie sie früher selbst viel gekifft hat und lachte herzlich, als ihr Sohn sich den Führerschein wegen THC hat wegnehmen lassen. Ich jedenfalls nehm‘ nur manchmal bei gutem Wetter n‘ Schluck Tinktur, die erst wirkt, wenn wir auf dem Spielplatz sind.
Spielplätze nun sind Zonen der Nüchternheit, die man nur bekifft aushalten kann. Aber selbst das ist deprimierend. Ich mache das immer seltener, weil man immer Gefahr läuft Bekannte zu treffen, die einem ein Gespräch aufnötigen. Ich freu mich schon wieder auf den Spanienurlaub, da werden auf dem Spielplatz Cocktails und Wein verkauft. Wobei ich natürlich Alkohol für wesentlich gefährlicher halte, weil man sich überschätzt, was zu Unfällen führen kann, wenn das Kind einen aufs Klettergerüst zwingt. Und auch bei der Aufsicht führt Alkohol zu Leichtsinn, während ich bekifft, eher ängstlicher reagiere und lieber zweimal hinschaue, was die lieben Kleinen so treiben.
Aber ich finde es nicht mehr nur angenehm, bei der Kinderbetreuung berauscht zu sein. So ist es etwa äußerst unangenehm, nach einem Bissen Esshanf beim Kinderturnen der Mutter mit den schönen Augen aufdringlich nahezukommen und dann trotzdem nichts Beeindruckendes sagen zu können. Und auf dem Nachhauseweg plagen mich die Gedanken, ob das nun sehr dumm oder vielleicht ganz gut für alle Beteiligten war.
In der Trotzphase war es insgesamt nicht schön, egal ob nüchtern oder auf THC. Aber ich hielt es für mich für besser, nüchtern zu bleiben. Als Erwachsener muss man den Rhythmus vorgeben, wenn man Spielphasen nicht nach einer Stunde freundlich beendet, übermüdet das Kind und bekommt einen mittelprächtigen Tobsuchtsanfall. Da kann ich nüchtern präziser und bestimmte reagieren und meine Frustrationstoleranz ist höher.
Inzwischen schreit sie nicht mehr so viel, dafür redet sie ununterbrochen. Und ja, inzwischen kiffe ich nur noch alle paar Tage. Oft vergesse ich es einfach und bin auch so müde genug, ich brauche nichts mehr, was entspannt oder runterbringt. Meine Tochter spricht mich bewusst an und fordert Reaktionen. Ich glaube nicht, dass es sie nervt oder ihr schadet, wenn ich dabei bekifft bin. Es ist mir selbst schlicht viel zu anstrengend. Und wenn ich denn Zeit für mich allein habe, ist es mir meist zu spät. Denn vor dem Einschlafen kiffe ich nicht mehr, es ist Verschwendung und ich wache so zermatscht auf.
Ich plane den Konsum jetzt. Ich kann immer noch ohne schlechtes Gewissen einen durchziehen, wenn ich nicht im Mittelpunkt stehe, etwa wenn wir bei schönem Wetter Enten ärgern, mit anschließendem Schokoladeneis. Findet dieselbe Aktion bei Nieselregen und vorhersehbar quengeliger Diva statt, lasse ich den Vaporizer aus.
Seit ich also Vater bin, lehrt mich meine Tochter einen immer bewussteren Umgang, mit ihr, mit dem Leben und mit dem Genussmittel.
Wie es ihr dabei geht?
Ich glaube, relativ gut. Da ich noch dazu mit dem Jugendamt verheiratet bin, höre ich oft von Kindern, denen es wesentlich schlechter geht, auch wenn da die Eltern nicht kiffen. Aber das sind die Extremfälle. Wenn ich mich in der Kita umsehe, können manche Kinder mehr als meine, manche weniger, jedes kann etwas anderes und in zwei Wochen kann sich das ändern. Aber als Kiffer mache ich den Vergleichswettbewerb nicht mit und sehe das entspannter.