In der heutigen Substanz-Therapie gibt es zum einen Therapieeinrichtungen für Alkoholiker und zum anderen für Drogenabhängige. Im Entzug lernen sich alle kennen, dann trennen sich die Wege. Dass dabei jede Droge einzeln betrachtet werden muss, dass es Therapieeinrichtungen für die verschiedenen Drogen benötigt und dann bitte wirklich die Bedürftigen dort Therapie machen sollen, das versteht sich von selbst.
Man kann vielleicht Politoxe, Kokain- und Opiatabhängige in einer Einrichtung behandeln. Da dürfen aber nicht Kiffer, Vertrippte oder die Leute von der chemischen Partydrogen-Szene reingewürfelt werden. Wenn die Alkoholiker in Therapie einander schon vorschwärmen, wie viel sie gesoffen haben, wie sie die Flaschen immer versteckten und sich durch das Leben mogelten, so machen das Junkies auf Venenkur ebenfalls. Es geht dabei jedoch nicht um Alkohol, womit die kleinen Kiffer alle schon einmal entscheidende Infos erhalten, wie sie denn am schnellsten unten ankommen. Die Junkies auf Venenkur haben als Unterhaltungsthemen immer wieder Drogen, Knast und Beschaffungskriminalität.
Das alltägliche Zusammenleben
Vier Monate musste ich die Arbeits- und Gesprächstherapie über mich ergehen lassen. Ich bin nicht sehr gesellig, habe mich viel zurückgezogen, was jedoch nicht erwünscht ist. Die Leute sollen den drogenfreien sozialen Kontakt neu erlernen, mit dem ihnen draußen nicht die Decke auf den Kopf fällt. Zumindest gibt es immer eine gewisse Gruppenbildung. Ich habe mich nicht mit allen ausgetauscht. Im Nachhinein hätte ich die Zeit dafür besser nutzen können, schließlich sind die Kontakte hinterher ohnehin leider alle abgerissen. Es ist auch so, dass es sich bei diesen Personen im geschützten Rahmen um Menschen handelt, mit denen ein ganz normaler Umgang sehr leicht möglich ist. Der Großteil wird spätestens nach der Therapie schnell wieder rückfällig. Wer nicht konsumiert, gehört dann nicht mehr richtig dazu, so ist es auch beim Alkohol. Wer will schon als laufende Geldbörse von Personen angesehen werden, die chronisch pleite sind und täglich dringend Geld benötigen? Wofür soll man also in einer Therapieeinrichtung langfristige Kontakte aufbauen?
Einer hatte 7 Jahre Knast hinter sich. Er erklärte, dass Knast eine tote Zeit ist. Es ist so, als ob einfach diese Jahre für gar nichts von der Lebensspanne abgetrennt werden. Diese Zeit ist einfach weg und hat einem nichts Wirkliches gebracht, auch wenn es für viele nicht eine schlimme Zeit ist. So erlebte ich nicht nur diese Therapie, auf der ich besagte Junkies auf Venenkur kennenlernte. Ich kenne jedoch auch einige schlimme Zeiten, die mir für meine Lebensspanne ebenfalls nicht weiter halfen oder gar einiges vernichteten. Hat man das wirklich immer alles selbst in der Hand und ist an allem selbst schuld?
Warum haben Fixer irgendwann keinen Bock mehr?
Jede Droge kann einem erst einmal viel geben. Wer sie jedoch ständig und im Übermaß konsumiert, dem gibt sie nicht, dem nimmt sie. Der Hanf oder auch einige andere Substanzen mögen hier als Medizindroge für viele eine Ausnahme bilden.
Bei vielen Substanzen müssen diese Drogen irgendwann genommen werden, um ein normales Level zu erreichen. Wer damit anfängt, schießt sich immerhin noch in den Himmel. Nach Jahren nimmt man sie jedoch, um vom Keller auf den Boden des Alltagslebens zu kommen. Auch das wäre für viele kein Grund, um mit ihrem Konsum aufzuhören. Bei Alkoholikern ist es häufig der unübersehbare Leberschaden, mit dem das Denken einsetzt. Fixer auf Venenkur treibt ein anderes Problem.
Aus Kostengründen greifen viele zur Nadel, da diese ergiebiger als die Line, Basen oder andere Konsumformen ist. Wer jedoch einmal auf Nadel ist, der kommt nicht wieder zurück zu den weniger harten Konsumformen. Das bringt es dann nicht mehr.
Wer über Jahre jeden Tag die Nadel in die Venen rammt, der zersticht diese. Ob das an der Nadel, der Droge oder eben den Streckstoffen liegt, das sei hier dahingestellt. Junkies auf Venenkur berichten davon, wie sie mit hoch kriechendem Entzug immer häufiger über Stunden nach einer brauchbaren Vene suchten, in die sie die Nadel rammen können. Die letzte Stelle wäre die Vene der Innenseite vom Oberschenkel. Wer sie nicht trifft, kann sich das Bein amputieren lassen, das komme schon mal vor.
Junkies auf Venenkur
Bevor man in seine Drogentherapie kommt, muss erst auf diese gewartet werden. Die Betroffenen entziehen und müssen oft Monate clean bleiben, da sie nur mit ernsthafter Absicht und negativem Drogentest überhaupt eingelassen werden. Bei jedem Rückfall muss entschieden werden, ob der Patient fliegt oder noch eine Chance erhält. Es bekommt dabei kaum einer mehrere Chancen.
Es war ein junger, schlanker Mann Anfang 20, dem man seine Drogenkarriere in der Therapie nicht mehr ansehen konnte. Dieser erklärte ganz offen, dass er eine Venenkur mache. Er findet oft über Stunden keine Vene, in die er die Nadel versenken kann und wusste nicht mehr weiter. Außerdem möchte er die Therapie erfolgreich beenden, um einen Führerschein zu machen. Wenn die Therapie vorbei ist, macht er den Führerschein und wird sowieso wieder rückfällig.
Wie genau er das mit der Venenkur meinte, erfuhren wir dann am letzten Tag seiner Therapie, an dem er rausflog. Er hat sich am Vortag einen Schuss gesetzt, hatte jedoch etwas zu viel genommen. Eigentlich hätte es keinen Drogentest gegeben. Da er jedoch in entsprechender Verfassung war, wurde dieser verlangt, womit er ohne Erfolgsabschluss gehen konnte. Sehr viele verschätzen sich mit der Dosis beim Rückfall und setzen sich damit teils ungewollt den goldenen Schuss.
Wenn dieser Mann erklärte, es handle sich bei ihm und den anderen um Junkies auf Venenkur, so wird er leider bei den meisten recht gehabt haben. Während meiner vier Monate überlebte mein erster Zimmerkumpan seinen Rückfall nicht. Nachdem ich weg war, berichtete ein enger Freund, dass weitere folgten.
Wer nicht schon wirklich etwas gewohnt ist und es zudem nicht nötig hat, sollte eine Drogentherapie dringend vermeiden. Wer ein paar mal was genommen hat oder nur kiffte, tut sich keinen Gefallen, wenn er Junkies auf Venenkur kennenlernt, die einem direkt am ersten Tag erklären: Mit Haschisch rein, mit Heroin raus.