Vor nunmehr fünf Jahren hatten wir uns bereits über einen Austausch mit Burkhard Blienert zu den Themen Cannabis und Legalisierung freuen dürfen, der zu dem Zeitpunkt noch Drogenpolitischer Sprecher der SPD innerhalb einer Koalitionsregierung mit der Union gewesen ist. Marlene Mortler ist damals Bundesdrogenbeauftragte gewesen und ihr folgte Daniela Ludwig ins Amt. Progressive Entwicklungen in der Cannabispolitik waren in diesem Zeitraum eher unwahrscheinlich. Erst mit den Bundestagswahlen und der Bildung der Ampelregierung konnte wieder Bewegung in die Drogenpolitik kommen. Bezeichnend für den frischen Wind war dann auch die Besetzung des Amts des Beauftragen der Bundesregierung für Sucht- und Drogenfragen mit Burkhard Blienert.
Schon einige Zeit ist vergangen, seitdem die Legalisierung von Cannabis beschlossen und Teil des Koalitionsvertrags ist. Die EU hatte zuletzt die Eckpunkte als Grundlage für eine Zustimmung oder Ablehnung von Deutschlands Reformvorhaben zurückgewiesen und einen ausgearbeiteten Gesetzentwurf gefordert. Dieser soll in den nächsten Wochen vorgelegt werden, doch die Beurteilung durch die Europäische Kommission wird vermutlich weitere Monate ins Land gehen lassen, bevor der Entwurf überhaupt in den Bundestag eingebracht werden wird. Die Ungeduld seitens der von der Prohibition Betroffenen findet jeden Tag, der vergeht, mehr Daseinsberechtigung. Schließlich hätte eine Entkriminalisierung längst viele Probleme lösen können.
An dieser Stelle konnten wir wieder mit Burkhard Blienert in Kontakt treten, diesmal in seiner Funktion als Bundesdrogenbeauftragter und als Teil einer Regierung, die eine Cannabislegalisierung umsetzen möchte. So wollten wir mehr über seine Arbeit in der neuen Position als Drogenbeauftragter der Bundesregierung wissen und natürlich auch mehr über Fortschritte im Reformprozess erfahren.
Hanf Magazin: Lange hat man Sie als Legalisierungsbefürworter wahrgenommen, der gegen sehr konservative Bundesdrogenbeauftragte argumentiert hat. Nun sind sie selbst in der Position des Drogenbeauftragten. Entspricht die Aufgabe und ihre Herausforderungen Ihren Erwartungen, oder gab es auch Überraschendes für Sie?
Burkhard Blienert: Es ist natürlich eine Umstellung, jetzt diese Rolle in der Struktur eines Ministeriums auszufüllen. Es gibt neue Aufgaben, neue Menschen um mich herum, neue Abläufe und natürlich ein ganz anderes öffentliches Interesse. Ich denke, dass es normal ist, dann eine gewisse Zeit zu brauchen, bis man sich in alles eingearbeitet hat. Grundsätzlich war mir aber klar, was mich erwartet hat, da ich natürlich auch mit den früheren Drogenbeauftragten in Kontakt war und deren Arbeit genau beobachtet habe.
Hanf Magazin: Manche gehen davon aus, dass man als Drogenbeauftragter in der Hauptsache ein Sprecher ist, der den Kurs der Regierung nach außen vertritt. Wie sieht die Realität aus? Wo können Sie eigene Akzente setzen und wo ist der Handlungsspielraum begrenzt?
Burkhard Blienert: Sie haben verschiedene Möglichkeiten, das Amt eines Regierungsbeauftragten zu interpretieren. Für mich ist es wichtig, Dinge zu bewegen, voranzutreiben. Und damit das gelingt, versuche ich Brücken zu bauen, innerhalb der Bundesregierung, aber auch zwischen Regierung, Bundestag, Ländern, Kommunen und unterschiedlichsten Interessengruppen. Bewegen kann man aber nur etwas, wenn man mit den anderen vertrauensvoll zusammenarbeitet. Und dazu gehört auch – und gerade – die enge Abstimmung mit dem Bundesgesundheitsminister. Und da gilt die klare Regel: Je brisanter das Thema und je größer die öffentliche Aufmerksamkeit, desto wichtiger das Gespräch. Aber das gilt natürlich wechselseitig.
Hanf Magazin: Natürlich möchte auch ich die wahrscheinlich am häufigsten gestellte Frage stellen – die nach dem Zeitplan? Wann wird für die Cannabiskonsumenten eine Veränderung der unhaltbaren Situation der Verfolgung eintreten, sei es die Legalisierung oder die Entkriminalisierung?
Burkhard Blienert: Für mich ist wichtig, dass die kontrollierte Abgabe von Cannabis möglichst rechtssicher abläuft. Dabei gilt es, nicht nur nationales Recht zu beachten, sondern auch europarechtliche Verpflichtungen und völkerrechtliche Verträge. Ziel ist es, dass jetzt schnell ein erster Entwurf vorliegt, damit das Verfahren dann seinen Gang nehmen kann.
Ich kann das große Interesse an einem Zeitplan verstehen – mir ginge es ähnlich. Gerade Menschen, die von der Strafverfolgung betroffen oder auf andere Weise durch die aktuellen gesetzlichen Bestimmungen von Cannabis beeinträchtigt sind, wollen natürlich wissen, wann sich in ihrem Leben etwas verbessert. Allerdings ist bei einem komplexen Prozess so viel zu beachten, dass es einfach nicht seriös wäre, jetzt ein Datum zu nennen. Es ist ja nicht so, dass man den Weg zur kontrollierten Abgabe jetzt nach Schema F abarbeiten könnte. Dafür ist die Sache wirklich zu komplex.
Hanf Magazin: Die Grünen haben bereits 2015 mit dem Cannabiskontrollgesetz ein Legalisierungskonzept vorgelegt. Ist dieser Entwurf bei der Ausarbeitung der Legalisierung relevant?
Burkhard Blienert: Bei der Erarbeitung werden alle nationalen und internationalen Entwürfe und Gesetze berücksichtigt. Klar. Aber eine 1:1-Blaupause ist keiner davon.
Hanf Magazin: Lange wurde eine vorgezogene Entkriminalisierung des Besitzes und Konsums von Cannabis abgelehnt und immer wieder auf „den großen Wurf“ fokussiert, also die Legalisierung mit reguliertem Anbau und Handel. Obwohl die Entkriminalisierung mit Eigenanbau (evtl. inkl. Cannabis Social Clubs) ohne Zustimmung des Bundesrats oder der EU umsetzbar wäre und schon einige Probleme der Prohibition lösen würde. Die Verfolgung wäre umgehend beendet und die Konsumenten hätten Möglichkeiten, sauberes Cannabis aus dem eigenen Garten und abseits des Schwarzmarktes zu bekommen. Warum hat man die Entkriminalisierung nicht vorgezogen, um mit dem Konsumentenschutz und der Verdrängung des Schwarzmarktes zu beginnen? Könnte man die finale Legalisierung nicht im Anschluss mit geringerem Druck planen und umsetzen?
Burkhard Blienert: Mir ist es wichtig, dass es eine kontrollierte Abgabe von Cannabis gibt, wie sie im Koalitionsvertrag vereinbart worden ist. Das Ganze sollte möglichst in einem Gesamtpaket angegangen werden, weil alles mit allem zusammenhängt. Außerdem ist wichtig, dass das Gesetz rechtssicher gestaltet wird. Daher werden jetzt die genauen Verfahrensabläufe geprüft. Sollte bei dieser Prüfung herauskommen, dass es zu einem bestimmten Zeitpunkt sinnvoll ist, einzelne Maßnahmen vorzuziehen, kann man das machen. Ob das aber passieren wird, kann ich zu diesem Zeitpunkt nicht sagen.
Hanf Magazin: Mittlerweile hört man immer öfter, dass die Legalisierung in mehreren Stufen ablaufen könnte, sodass die Zustimmung von EU und Bundesrat nicht zu jedem Teil der Reform vonnöten wäre. Der erste Schritt wäre im Grunde die Legalisierung oder Entkriminalisierung des Besitzes und des Konsums. Wichtig ist natürlich im ersten Schritt auch den Eigenanbau zu erlauben, sonst wäre sowohl hinsichtlich des Schwarzmarktes, als auch in Bezug auf den Gesundheitsschutz nichts erreicht. Wäre zum jetzigen Stand der Entwicklungen bei einer Legalisierung in mehreren Stufen der straffreie Eigenanbau im ersten Schritt vorgesehen?
Burkhard Blienert: Wir alle möchten die Eckpunkte umsetzen. Wie der genaue Weg dahin aussieht, dazu werden wir uns in den kommenden Wochen ganz sicher äußern.
Hanf Magazin: Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach muss sich in seinem Amt sicher mit weit mehr auseinandersetzen als nur der Legalisierung von Cannabis. Darum ehrt ihn sein Einsatz und dass er sich über die Verkündung der Eckpunkte und dergleichen hinaus auch die Zeit genommen hat, die Legalisierung und ihre Absichten in Talkshows darzulegen und zu verteidigen. Leider hat er zuletzt in der Sendung „Hart aber Fair“ innerhalb seiner Argumentation durchblicken lassen, dass er Cannabis als Einstiegsdroge wahrnimmt. Dies ist faktisch längst widerlegt. Auch an anderen Stellen zeigt sich, dass er nicht vollumfänglich informiert ist hinsichtlich des Schadens, den die Prohibition anrichtet, oder dem Nutzen der Legalisierung. Könnte man ihn vor solchen Diskussionen nicht besser briefen, damit er argumentativ stärker auftreten kann?
Burkhard Blienert: Der Minister wird durch seine Mitarbeiter auf Veranstaltungen vorbereitet, dies ist nicht meine Aufgabe. Aber ganz ehrlich: Wenn einem von morgens bis abends eine Kamera vor die Nase gehalten wird, dann sagt man auch einmal etwas, das nicht zu 100 Prozent evidenzbasiert ist. Das passiert Karl Lauterbach im Vergleich zu anderen Spitzenpolitikern übrigens ausgesprochen selten.
Vielen Dank an den Beauftragten der Bundesregierung für Sucht- und Drogenfragen Burkhard Blienert für seine Zeit und Mühe. In den kommenden Wochen wird es dann sicher neue Informationen darüber geben, wie der Weg zur Legalisierung von Cannabis nun letztlich aussehen wird.
Und wieder stellt sich die Frage, ob Millionen Menschen abermals auf einen späteren Zeitpunkt vertröstet und den Ungerechtigkeiten gegen Cannabiskonsumenten weitere Monate eingeräumt werden sollen, oder ob der nächste logische Schritt einer zügigen Entkriminalisierung jetzt endlich in Angriff genommen wird.
Fotocredit: burkhard-blienert.de