Im Interview mit Henrik Pauly vom Hanfbau-Kollektiv
Sich ein Eigenheim zu schaffen kostet sowohl Zeit, Nerven und natürlich einiges an Geld. Nach ein paar Jahren kommen erste Fragen über Sanierung, was wiederum mehr Zeit, mehr Nerven und nochmals mehr Geld kostet. Wer hätte es gedacht, dass ausgerechnet hier Hanf zum Einsatz kommt. Das Kraut ist vielen als Wunderheilpflanze oder auch als psychotrope Substanz bekannt, aber Hanf als Baustoff ist für die meisten wohl etwas Neues. Dabei wird unterschätzt, wie vielseitig die Pflanze tatsächlich ist – eben ein echter Allrounder.
Henrik Pauly hat seinen Beruf sowie seine Leidenschaft für Hanfbau-Materialien vereint und folglich sein eigenes Unternehmen in der Baubranche gegründet. Seit 2020 ist er mit seinem Betrieb am Markt und plant gemeinsam mit seinen Kunden Häuser, bestehend aus Hanf. Dabei hat Henrik eine nachhaltige sowie umweltschonende Möglichkeit gefunden, Bauprojekte zu realisieren. Vor allem die Langlebigkeit dieser Bausubstanz überzeugt.
Bauen mit Hanf ist zwar in Deutschland noch eher unbekannt, doch Henrik hat es geschafft, eine ganz neue Art und Weise des Bauens zu etablieren. Es ist kaum zu glauben, wo Hanf überall seine Anwendung findet. Vor allem in der Baubranche erschließen sich neue und spannende Erkenntnisse. Deshalb sind wir froh, dass uns Henrik ein paar tiefere Einblicke in sein Geschäftsfeld gewährt und uns eine Vorstellung für sein Hanfwerk vermittelt.
Hanf Magazin: Wie ist die Idee entstanden, mit Hanf zu bauen? Seit wann seid ihr am Markt?
Henrik Pauly: Die Idee entstand 2018 im Hanf Museum in Berlin. Da habe ich das erste Mal Hanfkalk in die Finger bekommen. Ich war so beeindruckt von dem Material und davon, was man daraus machen kann, dass ich mich dazu entschloss, weiter darüber zu recherchieren. Ich musste schnell feststellen, dass es so gut wie keine Hanfbau-Branche in Deutschland gab. Nachdem ich mich entschlossen hatte, mich beruflich in diese Richtung zu orientieren, fand ich leider keine Firma, die sich mit Hanf im Bauwesen so intensiv auseinandersetzt, wie ich erwartet hatte. Deshalb habe ich mich im Frühjahr 2020 dazu entschlossen, selbst eine solche Firma zu gründen. Und so ging mein Unternehmen im Juni 2020 an den Markt.
Hanf Magazin: Wo beziehungsweise wofür kommt Hanf bei euch zum Einsatz? Bestehen eure Häuser ausschließlich aus Hanf oder kommen auch andere Materialien zum Einsatz?
Henrik Pauly: Hanf kommt bei uns durch seine Vielfältigkeit in nahezu allen relevanten Bauteilen zum Einsatz. Also vom Boden, über die Außen- und Innenwände, den Zwischendecken bis zum Dach wird überall dort Hanf eingesetzt, wo er unter nachhaltigen Gesichtspunkten den meisten Sinn ergibt. In den Außenwänden setzen wir zum Beispiel gern Hanfkalk ein, da dieser ein massiver Dämmstoff ist, der sehr flexibel in verschiedenen Konstruktionen eingesetzt werden kann. Hanflehm setzen wir gerne wegen der guten thermischen Masse in den Innenwänden und im Fußbodenaufbau ein. Die Hanfwolle glänzt durch ihre hervorragenden Dämmeigenschaften bei gleichzeitiger Leichtigkeit, weshalb wir sie gerne im Dach einsetzen.
Aber auch in den vielen Details, wie zum Beispiel den Fensteranschlüssen, ersetzen wir den konventionellen PU-Schaum durch Hanf. Hier wird stattdessen das sogenannte „Kalfaterband“ zum Abdichten der Fugen genutzt. Das Hanfvlies etwa ist wiederum eine gute Wahl, wenn man den Trittschall dämmen möchte. Und es gibt noch viele weitere Einsatzgebiete von Hanf im Bauwesen, die die Qualität des Gebäudes erhöhen. Es ist immer abhängig vom konkreten Projekt, wo welches Material eingesetzt wird, da das immer auch von der Konstruktion und vom Entwurf abhängt.
Hanf Magazin: Woher bezieht ihr eure Materialien und woher stammen sie?
Henrik Pauly: Wir möchten den Hanf für unsere Bauprojekte immer so regional wie möglich einkaufen. Deshalb beziehen wir unseren Hanf bevorzugt von deutschen Firmen wie der Hanffaser Uckermark eG oder der BaFa Neu GmbH. Der Hanf kommt damit aus Deutschland und den Nachbarländern.
Hanf Magazin: Wie viel Hanf Material benötigt ihr für ein Haus?
Henrik Pauly: Für ein Tinyhouse verarbeiten wir ungefähr ein bis zwei Tonnen Hanfschäben und -fasern, während für ein Einfamilienhaus schon mal fünf bis 15 Tonnen Hanfschäben und circa drei bis vier Tonnen Hanffasern benötigt werden. 2020 haben wir mit unserem Unternehmen über sieben Tonnen Hanf verbaut.
Hanf Magazin: Ihr habt euch ja auf den Bau von Tiny-Hanf-Häusern spezialisiert. Habt ihr auch schon größere Projekte in Angriff genommen? Ist es auch möglich, von euch Einfamilienhäuser bauen zu lassen?
Henrik Pauly: Nicht nur Einfamilienhäuser, sondern auch Mehrfamilienhäuser können wir mit Hanf realisieren.Derzeit planen wir mehrere Ein- und Zweifamilienhäuser, von denen die Ersten auch dieses Jahr noch gebaut werden. Dabei erstellen wir die Planung und unterstützen die am Projekt Beteiligten im Umgang mit Hanf als Baustoff.
Hanf Magazin: Wie wird das Bauen mit Hanf von der breiten Masse aufgenommen? Gab es da in der Vergangenheit schon Schwierigkeiten?
Henrik Pauly: Im Moment ist das Bauen mit Hanf eine vergleichsweise kleine Nische. Wir merken aber an der Zahl der Anfragen und den Reaktionen in den sozialen Medien, dass Hanf im Bauwesen immer bekannter wird. Von der breiten Masse möchte ich da aber noch nicht sprechen.
Bisher hatten wir noch keine Schwierigkeiten, wenn es bei unseren Kunden um die Akzeptanz von Hanf als Baustoff geht. Was jedoch eine ernst zu nehmende Herausforderung ist, sind noch fehlende bauaufsichtliche Zulassungen oder ähnliche Prüfzertifikate in Deutschland. Andere europäische Länder sind da schon weiter. Deshalb ist es aktuell noch so, dass der Hanf von deutschen Baufachleuten skeptisch gesehen wird – einfach weil die Erfahrung fehlt.
Mit dem Hanfbaukollektiv betreiben wir wichtige Aufklärungs- und Bildungsarbeit, um auch in Deutschland in diesen Themen voranzukommen und den Weg für Hanf im Bauwesen weiter zu ebnen. Dafür sind wir gut aufgestellt und dabei auch diese Herausforderung zu meistern.
Hanf Magazin: Ihr verwendet unter anderem Hanfkalk, kannst du uns kurz etwas darüber erzählen? Was kann man sich darunter vorstellen?
Henrik Pauly: Mit Hanfkalk erschließt sich der Hanf ganz neue Einsatzmöglichkeiten im Bauwesen. Durch die Kombination von Hanfkalk mit einem Holzfachwerk ist es zum Beispiel möglich, die kompletten Außenwände mit Hanfkalk zu bauen und alle aktuellen Energiestandards zu erfüllen – und zwar ohne zusätzliche Dämmung.
Hanfkalk besteht aus Hanfschäben, Kalk und Wasser. Bei den Hanfschäben handelt es sich um den gehäckselten, holzigen Stiel der Hanfpflanze. Diese werden bisher hauptsächlich als Tiereinstreu verwendet. Wir mischen diese Hanfschäben mit Kalk und Wasser und erhalten dadurch eine Art „Naturbeton“. Man kann übrigens das Gleiche auch mit Lehm machen, indem man den Kalk einfach mit Lehm ersetzt. Beide Varianten bieten ganz individuelle Vorteile.
Hanf Magazin: Ihr bietet auch Seminare an, was kommt hier auf die Teilnehmer zu?
Henrik Pauly: In unseren Seminaren vermitteln wir den TeilnehmerInnen wertvolles Wissen rund um die Pflanze Hanf und ihren Einsatz als Baustoff. Nach einer kurzen Einführung ist es mir wichtig, dass meine SeminarteilnehmerInnen auch immer selbst Hand anlegen und dem Baustoff Hanf mit den eigenen Händen verarbeiten. So werden alle Sinne angesprochen und die TeilnehmerInnen können erste Erfahrung im Umgang mit dem Baustoff Hanf sammeln.
Besonders spannend sind die Baustellen-Seminare, die wir immer direkt vor Ort auf einer Hanf-Baustelle veranstalten und so wertvolles Praxiswissen vermitteln.
Hanf Magazin: Du hast schon früh in der Baubranche Fuß gefasst und bist dann letztendlich mit deinem Unternehmen in die Selbstständigkeit gegangen. Was würdest du sagen, hat sich seitdem für dich besonders verändert? Was bereitet dir bei deiner Arbeit am meisten Freude?
Henrik Pauly: Ich habe wieder Freude an meiner Arbeit. Wenn ich Sonntagabend ins Bett gehe, kann ich es meistens kaum erwarten, am Montagmorgen wieder durchzustarten. Am meisten verblüfft hat mich allerdings, dass sich auch das soziale Miteinander positiv verändert hat. Der Umgang mit Geschäftspartnern und Kunden ist spürbar freundlicher, rücksichtsvoller und entspannter, als ich es aus der konventionellen Baubranche kannte. Es hängt eben alles zusammen: natürliche Bauweisen mit gesunden Produkten ist auch gesünder für den Menschen und sein Gemüt!
Hanf Magazin: In einem früheren Interview hast du erzählt, dass du auf dem internationalen Hanfbau-Symposion einige Mitstreiter aus Deutschland kennengelernt hast, die sich ebenfalls mit Hanfbau beschäftigen. So entstand das Hanfkollektiv. Was kann man sich unter eurem Hanfkollektiv vorstellen? Wie groß ist das Team und wie sind die Aufgaben unter euch aufgeteilt?
Henrik Pauly: Genau beflügelt von den Eindrücken des internationalen Hanfbau-Symposiums im Oktober 2018 haben wir uns noch im selben Monat formiert. In der Zeit danach sind einige weitere sehr wertvolle Mitstreiterinnen und Mitstreiter dazugekommen, sodass wir mittlerweile über 10 aktive Hanfbau-SpezialistInnen sind. Dabei ist jede/r von uns auf einem anderen Gebiet Experte. Dadurch ergänzen wir uns optimal und es entstehen immer spannende Diskussionen über die neuesten Entwicklungen und Erkenntnisse über Hanf im Bauwesen. Mittlerweile tauschen wir uns wöchentlich über unsere gemeinsamen Projekte aus.
Inzwischen gibt es einige Anfragen von Interessierten, die sich im Hanfbaukollektiv engagieren möchten. Das freut uns sehr und wir arbeiten gerade intensiv daran, uns als Verein oder Genossenschaft zu vergrößern, um noch mehr Interessierte auf dem Weg zur enkeltauglichen Bauwende mitzunehmen.
Das Hanfkollektiv hat es geschafft, sich mit ihrer nachhaltigen Bauweise eine Monopolstellung in Deutschland zu schaffen und dabei gutes für die Umwelt zu tun. Die Nachfrage für langlebige Baumaterialien für Eigenheime wird in den nächsten Jahren bestimmt noch einiges an Fahrt gewinnen. Damit zeigt sich einmal mehr, dass Hanf als Nutzpflanze nicht unterschätzt werden sollte. Die große Vielfalt sowie Einsatzmöglichkeiten von Hanf erfüllt den nachhaltigen Traum vom Eigenheim. Es bleibt zu hoffen, dass künftig immer mehr Menschen auf den umweltfreundlichen Trend aufspringen und damit dem Hanf als Baumaterial zu mehr Popularität verhelfen.