Seit vielen Jahren schon können wir Hanf Tee in Reformhäusern und Bio-Läden kaufen. Gelegentlich findet man ihn auch schon mal in der Drogerie oder im Supermarkt. Diese Tees sind ein Erzeugnis aus legalem EU-Nutzhanf, präzise gesagt aus den Blüten und Blättern der Pflanze. In einem kleinen Geschäft aber, das sich darauf spezialisiert, die gleichen Pflanzenteile, manchmal auch nur Blüten ohne Blätter, in besserer Qualität anzubieten, wird der Verkauf dieser Hanfprodukte von Behörden unterbunden und sogar vom deutschen Rechtssystem geahndet.
Viele Razzien hatte es bis jetzt schon gegeben in den CBD- und Hanfgeschäften. Hanfbar und Hanfnah gehören wahrscheinlich zu den Betroffenen, deren Geschichten in der Öffentlichkeit am meisten Aufmerksamkeit auf sich gezogen haben. Wenn man Berichte über polizeiliche Interventionen in Hanfgeschäften verfolgt, so bekommt man den Eindruck, die Beamten wissen oft nicht so recht, welche Waren sie beschlagnahmen sollen und welche nicht. Ist ein CBD-Öl oder ein Kosmetikprodukt für den Fall relevant? Man weiß es nicht. Die Auslegung geltenden Rechts scheint schon für Richter und Behörden schwierig, wieso sollte also dem Bürger leichter fallen?
Milde Urteile für Handel in nicht geringer Menge
Die Betreiber der Geschäfte Hanfnah und Hanfbar hatten in ihren jeweiligen Gerichtsverhandlungen relativ milde Urteile erhalten, einmal gab es eine kleinere Haftstrafe, einmal eine Geldstrafe, beides jeweils zur Bewährung ausgesetzt. Natürlich muss man auch ein solches Urteil anfechten, wenn man sich im Recht sieht, keine Frage. Und sowohl die Betreiber der Hanfbar Geschäfte, als auch der Betreiber von Hanfnah, sind da ihren Weg gegangen, der Hanfbar-Prozess zum Beispiel ging in Revision. Trotzdem wirft die Milde der Urteile – man bedenke es geht um den vermeintlichen Handel mit Betäubungsmitteln – die Frage auf, ob da mehr dahintersteckt.
Beide Prozesse fanden viel Anteilnahme in der Öffentlichkeit, der Aufschrei wäre sicher riesig, wenn längere Haftstrafen verhängt worden wären. Will man also den Widerstand so gering wie möglich und Cannabis dennoch illegal halten, so darf das Gericht nicht zu hart urteilen. Wie dem auch sei, der Bundesgerichtshof hatte Ende März dieses Jahres nun den Revisionsprozess abgeschlossen und das vorangegangene Urteil gekippt.
Neuer Antrag könnte CBD-Blüten als Tabakersatz zulassen
Als am 24. März der BGH sein Urteil fällte, fielen die Reaktionen in den sozialen Medien sehr unterschiedlich aus. Die einen feierten einen großen Erfolg, die anderen stellten fest, wie wenig progressiv die deutsche Justiz doch ist. Wieder andere verstanden den umständlich und kompliziert in Juristendeutsch verfassten Text nicht vollständig. Mit dem Rechtsanwalt Kai-Friedrich Niermann, der mit seiner Pressemitteilung, die er in englischer und deutscher Sprache veröffentlichte, Licht ins Dunkel brachte, wollten wir uns ein wenig über die aktuelle Lage der Nutzhanfblüten unterhalten. Seit 2003 ist er Rechtsanwalt und schon in seinem Studium hatte er sich mit der Cannabis-Prohibition beschäftigt. Einer seiner Tätigkeitsschwerpunkte ist die Rechtsberatung von Unternehmen im Bereich Wirtschafts- und Vertragsrecht, der Verbraucherschutz bezüglich Cannabis gehört zu seinen Kernkompetenzen.
In einem Blog mit Namen www.canna-biz.legal informiert Niermann immer wieder über rechtliche Aspekte von Cannabis. Auch ist er immer wieder als Speaker in Vorträgen über die Thematik zu sehen, ebenso seine Beiträge auf Cannabis-Plattformen. Darüber hinaus engagiert sich Niermann bei den Organisationen Deutscher Hanfverband (DHV), European Industrial Hemp Association (EIHA), International Cannabis Bar Association (INCBA) und Law Enforcement Against Prohibition (LEAP Germany). Im folgenden Interview sprechen wir mit ihm über das BGH Urteil, die gesetzliche Lage von Nutzhanfblüten und über einen Antrag, den Niermanns Kanzlei für einen Mandanten stellt und der einiges verändern könnte.
Hanf Magazin: Die Öffentlichkeit hat kürzlich mit großem Interesse die Entscheidung des BGH zur Revision im sogenannten Hanfbar-Prozess mitverfolgt. Im Anschluss gab es in den sozialen Medien viele Diskussionen darüber, was das Urteil bedeutet und ob es positiv oder negativ zu interpretieren sei. Wie siehst Du das als Jurist? Wie legst Du den Wortlaut der Entscheidung aus?
Kai-Friedrich Niermann: Im Moment ist zunächst festzuhalten, dass bisher nur eine Pressemitteilung des Urteils vorliegt. Die ausführlichen Entscheidungsgründe werden vermutlich erst in den nächsten Wochen veröffentlicht werden. Der BGH hat aber anscheinend eine langersehnte Klarstellung für die Hanfbranche vorgenommen: Er hat das Urteil im Hanfbar-Fall, in dem die Angeklagten für den Handel mit CBD-Blüten zu mehrmonatigen Freiheitsstrafen verurteilt wurden, aufgehoben und den Fall an die Vorinstanz zurückverwiesen.
Laut der Pressemitteilung des Gerichts ist der Verkauf an Endabnehmer zu Konsumzwecken nicht grundsätzlich ausgeschlossen, wie es bislang von der juristischen Literatur und der Rechtsprechung angenommen wurde. Danach unterfiel jede Abgabe von hanfhaltigen Produkten an Endverbraucher, die über die energetische Nutzung des Rohstoffs Hanf hinausgingen, dem BtMG. Das betraf somit auch hanfhaltige Lebensmittel. Die Bundesoberbehörden wollten dagegen lediglich lebensmittelrechtliche Vorschriften anwenden, insbesondere die Richtwerte zum THC-Gehalt in hanfhaltigen Lebensmitteln. Das scheint sich nun geändert zu haben. Es reicht, wenn die gewerblichen Zwecke nunmehr ausschließlich beim Verkäufer vorliegen. Jedoch muss nach wie vor ein Missbrauch zu Rauschzwecken ausgeschlossen sein.
Und ein Missbrauch zu Rauschzwecken muss auch vom Vorsatz der Angeklagten umfasst sein, was das Landgericht hier nicht geprüft hat. Im Klartext, vorbehaltlich der genauen Entscheidungsgründe: solange der Missbrauch zu Rauschzwecken ausgeschlossen ist, und Händler keinen Vorsatz im Hinblick auf einen möglichen Missbrauch haben, ist Abgabe und Besitz von jeglichen, unverarbeiteten Nutzhanf-Produkten an Endkonsumenten nicht vom Betäubungsmittelgesetz erfasst.
Hanf Magazin: Es geht bei der Frage der legalen Verkehrsfähigkeit ja zumindest teilweise darum, ob der Missbrauch als Rauschmittel ausgeschlossen ist. Gibt es dafür eine festgeschriebene Definition, in welchen Fällen oder durch welche Maßnahme ein Missbrauch für den Rausch ausgeschlossen ist?
Kai-Friedrich Niermann: Der Bundesgerichtshof hat in seiner Pressemitteilung auch verlautbart, dass vom Landgericht Braunschweig der Missbrauch zu Rauschzwecken rechtsfehlerfrei festgestellt wurde. Das Landgericht Braunschweig hat festgestellt, dass ein Missbrauch zu Rauschzwecken bei der Verwendung als Teeaufguss nicht möglich sei, ebenso wenig wie beim Rauchen durch Joints. Einzig und allein sei eine potenzielle Rauschwirkung und damit ein Missbrauch bei oraler Einnahme der Hanfblüten in Form vom Gebäck denkbar.
Wenn man 15 g der Nutzhanf-Blüten in einen handelsüblichen Brownie mit einem Gewicht bis 90 g verarbeiten würde, wäre eine sofortige Aufnahme von 15 mg THC über den Magen möglich, allerdings bei Kosten um die circa 150 € pro Verzehreinheit. Sollte diese Auslegung des Tatbestandsmerkmals „Missbrauch zu Rauschzwecken“ Bestand haben, wären die Produkte immer noch nicht frei verkehrsfähig und würden nicht unter die Ausnahmeregelung der Anlage 1 des BtMG fallen, da bei diesem absurden Beispiel ein Missbrauch zu Rauschzwecken niemals ausgeschlossen werden kann.
Eine andere Frage ist natürlich, wie der BGH auch festgestellt hat, ob der Missbrauch zu Rauschzwecken auch vom Vorsatz des Händlers umfasst ist. Das dürfte in der Regel ausgeschlossen sein, ebenso wie dann eine entsprechende Verurteilung. An diesem bestimmten Punkt bleibt die Situation also weiterhin unklar. Genauere Erkenntnisse werden die Entscheidungsgründe liefern.
Hanf Magazin: Durch einen Antrag soll das Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit nun überprüfen, ob CBD-Blüten als pflanzliches Raucherzeugnis verkehrsfähig sind. Im Umgang mit CBD und Hanfprodukten hat sich das BVL in der Vergangenheit wenig aufgeschlossen gezeigt. Wie hoch schätzt du die Erfolgschancen ein?
Kai-Friedrich Niermann: Der EuGH hat in seinem Urteil vom 19.11.2020 (Rechtssache C-663/18) einen wichtigen Rechtsgedanken geäußert: Hanfextrakte, und das darin enthaltene CBD, sind keine Betäubungsmittel, denn nach dem derzeitigen Stand der Wissenschaft ist nicht ersichtlich, dass sie eine berauschende Wirkung haben oder sonst eine Gefahr für die menschliche Gesundheit darstellen. Diese Feststellung, insbesondere im Zusammenhang mit der Warenverkehrsfreiheit innerhalb der Mitgliedsländer, einem der wichtigsten Rechtsgrundsätze der EU, wird bei der Beurteilung der Verkehrsfähigkeit von Nutzhanf als auch in strafgerichtlichen Verfahren von den Behörden und Gerichten der Mitgliedsländer zu beachten sein.
Insofern geht man von einer de facto Präjudizwirkung bei Urteilen des EuGHs aus. In Luxemburg, Österreich und Belgien sind unverarbeitete Nutzhanfprodukte wie CBD-Blüten und der bereits erwähnte, seit Jahrhunderten konsumierte Hanfblättertee frei verkehrsfähig. Unserem Büro liegen entsprechende, amtliche Verkehrsfähigkeitsbescheinigungen aus diesen Ländern vor. Auch deutsche Händler können sich deshalb auf den Grundsatz des freien Warenverkehrs gemäß Art. 34 des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) berufen, wenn sie CBD-Blüten in den Verkehr bringen wollen. Um der Geltung des Europarechts seine volle Wirksamkeit zu verleihen, haben die Mitgliedstaaten gemäß einer entsprechenden EU-Verordnung Verfahren eingeführt, um die Verkehrsfähigkeit von Produkten, die in einem anderen EU-Mitgliedstaat frei handelbar sind, schnell und unbürokratisch feststellen zu lassen.
Nach unserer Auffassung sind hochpreisige CBD Blüten in Kleinstverkaufsmengen pflanzliche Raucherzeugnisse, die nach der Tabakproduktrichtlinie zu regulieren sind, wie auch in Belgien und Luxemburg geschehen. Hierfür bietet dann § 40 Tabakerzeugnisgesetz die Möglichkeit, beim BVL einen Antrag auf Erlass einer Allgemeinverfügung zu stellen, mit der festgestellt wird, dass diese Produkte auch in Deutschland verkehrsfähig sind. Diesen Antrag haben wir heute beim BVL für einen unserer Mandanten eingereicht: Beabsichtigt ist der Import von Nutzhanfblüten als pflanzliches Raucherzeugnis (von der Firma Buddy Belgium) von einer Firma aus Belgien, die diese Nutzhanfblüten zuvor aus der Schweiz (von der Firma The Botanicals AG) importiert hat.
Die Allgemeinverfügung, sobald sie erlassen ist, hat eine Wirkung für und gegen jedermann. Jeder Unternehmer wird sich auf die Allgemeinverfügung berufen können. Nimmt man das Europarecht ernst, besteht eigentlich keine andere Möglichkeit, als den Antrag zu genehmigen. Dass Europarecht muss immer zu seiner vollsten Entfaltung gelangen. Deutsches Recht muss in diesem Zusammenhang europarechtskonform ausgelegt werden, sodass die absurden Feststellungen des Landgerichts Braunschweig zum Tatbestandsmerkmal des Missbrauchs zu Rauschzwecken keinen Bestand mehr haben können. Letztendlich wird gelten müssen, dass ein Missbrauch zu Rauschzwecken bei Nutzhanf generell ausgeschlossen ist. Vergleichbare Anforderungen werden in den genannten EU-Mitgliedstaaten für Hanfprodukte ebenfalls nicht aufgestellt, und können somit auch in Deutschland nicht verlangt werden.
Hanf Magazin: In einer Pressemitteilung in dem Blog canna-biz.legal hast Du gemeinsam mit Deinem Kollegen Michael Lito Schulte im Bezug auf den Antrag Folgendes erklärt: „Aus dem Wortlaut der Norm ergibt sich, dass das BVL die materielle Beweislast dafür trägt, dass dem Inverkehrbringen zwingende Gründe des Gesundheitsschutzes entgegenstehen.“ Was bedeutet das? Muss das BVL, um den Antrag ablehnen zu können, tatsächlich Beweise auf den Tisch legen, dass von CBD-Blüten eine größere Gefahr für die Gesundheit ausgeht als von Tabak?
Kai-Friedrich Niermann: Ja, das muss es. Die zwingendenden Gründe des Gesundheitsschutzes müssen hierbei in jedem Fall über die typischen Gefahren des Konsums von Erzeugnissen, die dem Tabakrecht unterliegen, hinausgehen. Also allein zu behaupten, der Konsum auch von pflanzlichen Raucherzeugnissen sei generell gefährlich und deshalb im Hinblick auf den Gesundheitsschutz nicht tolerierbar, reicht nicht. Im Kanavape Case vor dem EuGH ist es der französischen Regierung ebenfalls nicht gelungen, sich auf den Gesundheitsschutz zu berufen, da CBD nach dem gegenwärtigen Stand der Wissenschaft keine psychotropen Wirkungen auslöst.
In diesem Fall ging es ebenfalls um ein rauchbares Produkt, ein CBD E-Liquid. Auch die lebensfremden Annahmen der Rechtsprechung, wie eben erläutert (150 € Brownie für Rauschwirkung mit 15 mg THC), werden im Rahmen der erforderlichen, europarechtskonformen Auslegung des Gesundheitsschutzes nicht herangezogen werden können. Denn so würde der freie Warenverkehr weiterhin behindert werden, und das Europarecht nicht zu seiner vollen Geltung gelangen können. Auch bei der strafrechtlichen Beurteilung wird die Allgemeinverfügung, sobald sie einmal erlassen ist, bzw. der freie Warenverkehr in der EU Beachtung finden müssen, wenn es um die Feststellung des Missbrauchs zu Rauschzwecken geht, der de facto, und bei europarechtskonformer Auslegung, ausgeschlossen ist.
Hanf Magazin: Gibt es weitere administrative oder juristische Wege, die Unternehmen oder Initiativen gehen könnten, um Hanfprodukte aus dem Bereich der Illegalität oder aus Grauzonen zu holen?
Kai-Friedrich Niermann: Im Moment ist die Situation sehr angespannt und die Lage spitzt sich zu. Wir sehen im ganzen Land verstärkte Tätigkeiten der Strafverfolgungsbehörden, wenn es um Hanfprodukte geht. Insbesondere wird nunmehr auch verstärkt der seit Jahrzehnten im deutschen Einzelhandel erhältliche Hanfblättertee kriminalisiert, und Ermittlungsverfahren gegen Händler von diesen Produkten eingeleitet. Nach der Logik der bisherigen herrschenden Meinung ist das nur folgerichtig.
Das harte Vorgehen von Staatsanwaltschaft und Polizei wird aber für noch weniger Verständnis der geltenden Gesetzeslage bei harmlosen Hanfprodukten sowie der Drogenpolitik im Allgemeinen sorgen, insbesondere vor dem Hintergrund, dass diese Produkte in den letzten Jahren einen regelrechten Boom und Hype erlebt haben. Wir haben deshalb in dieser Woche auch einen Antrag auf Erlass einer Allgemeinverfügung beim BVL bezüglich des Hanfblättertees gestellt, der in anderen EU-Ländern ebenfalls frei verkehrsfähig ist.
Bis zu einer Gesetzesänderung, die sich nach der Bundeswahl abzeichnet, bleibt deshalb nur auf einen Erfolg der Anträge beim BVL sowie auf weitere, erhellende Grundsätze des BGH in seinen Urteilsgründen zu hoffen. Aber mit dem Urteil des EuGH im Kanavape-Case sowie des BGH im Hanfbar Fall kann man durchaus von zwei richtungsweisenden Entscheidungen sprechen, mit denen man eine strafrechtliche Auseinandersetzung nicht mehr unbedingt fürchten müsste.
Hanf Magazin: Bist Du mit den gesetzlichen Situationen von Hanf- und CBD-Produkten in anderen EU-Ländern vertraut? Würde das Regelwerk der EU einen viel progressiven Umgang mit Hanfprodukten aller Art zulassen? Wie bindend sind EU-Richtlinien für die Mitgliedstaaten?
Kai-Friedrich Niermann: Jedes EU-Mitgliedsland ist auch Mitglied der Single Convention on Narcotic Drugs, eines völkerrechtlichen Vertrages, mit dem die Vertragsstaaten 1961 den internationalen Drogenhandel kontrollieren und einschränken wollten. In der Folge verpflichteten sich alle Staaten, entsprechende Strafgesetze einzuführen. Dieser Verpflichtung sind auch die EU-Staaten nachgekommen, was vor allem im Bereich von Nutzhanf dazu geführt hat, dass viele unterschiedliche Regelungen in Europa gelten. Fast in jedem EU-Mitgliedsland ist der Anbau von Nutzhanf und der Handel mit entsprechenden Derivaten stark reglementiert.
Das Urteil des Gerichtshofs und die Entscheidung der EU-Kommission, Hanfextrakte nicht als Betäubungsmittel einzustufen, bestätigen nunmehr aber, dass die Verwendung von aus Hanf gewonnenen CBD-Produkten in Kosmetik- und Lebensmittelprodukten nicht auf der Grundlage verboten werden darf, dass die Verwendung von „Cannabisextrakten“ in solchen Produkten durch Verweise in den einschlägigen Bestimmungen des Einheitsübereinkommens verboten ist. Auf EU-Ebene gilt nun: Hanfextrakte in Lebensmitteln und Industrieprodukten sind grundsätzlich verkehrsfähig, sofern alle anderen für den jeweiligen Sektor geltenden Vorschriften eingehalten werden (z.B. Novel-Food-Verordnung, EU-Kosmetikverordnung etc.).
Will ein Mitgliedsstaat Hanf-Extrakte auf der Grundlage seines geltenden nationalen Betäubungsmittelgesetzes weiterhin als Betäubungsmittel einstufen (z.B. Slowakei, Frankreich, Gerichte in Deutschland), können sich die betroffenen Wirtschaftskreise nun direkt auf die Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs vom 19. November 2020 als verbindlichen Präzedenzfall sowie auf die Entscheidung der EU-Kommission berufen.
Hanf Magazin: Welche Erwartungen hast Du für die Zukunft der Hanfbranche hinsichtlich der Regulierung in Deutschland und Europa? Zeichnet sich ab, dass es leichter wird für die Unternehmen, die sich um diesen Markt aufbauen?
Kai-Friedrich Niermann: Ich denke mittel- bis langfristig werden wir einen weltweiten Legalisierung-Boom erleben. Immer weitere Staaten, die Cannabis legalisieren, kommen hinzu. Kurzfristig werden wir sogar in Deutschland die Chance haben, eine entscheidende Reformwende in der Cannabis-Politik einzuleiten, nämlich nach der nächsten Bundestagswahl. Die Grünen haben bereits eine Blaupause für die Legalisierung und Regulierung mit ihrem Cannabiskontrollgesetz in der Schublade. Ein solches Gesetz würde eine wahre Gründerphase auslösen, zehntausende von Arbeitsplätzen schaffen und Milliarden von Steuergeldern generieren.
Bis dahin sind noch viele Fragen zu klären, wie die soziale Verantwortung, die das Cannabiskontrollgesetz vorsieht, tatsächlich umgesetzt wird, oder wie Cannabis am besten besteuert wird. Nicht zuletzt wird es dann auch um Lizenzen für Fachgeschäfte gehen sowie die Anforderungen an die Produktsicherheit. Darauf bereiten wir uns seit 4 Jahren intensiv vor. Mit einer solchen Reform der Cannabis Politik würde auch der Nutzhanf aus dem BtMG gestrichen werden, und sodann sollten auch die ersten Novel-Food Zulassungen erteilt worden sein. Dann kann auch der CBD-Markt sein volles Potenzial entfalten.