Wer sich mit Cannabis beschäftigt, der weiß – Weed ist nicht gleich Weed. 113 Cannabinoide wurden inzwischen isoliert, und es ist kein Ende in Sicht. Auch dass nicht jedes Cannabinoid in jeder Pflanze vorkommt und die unterschiedliche Mischung von Cannabinoiden die Wirkung verändert, ist allgemein bekannt. Aber ist das wirklich alles? Natürlich nicht, denn an diesem Punkt wird es erst spannend!
Wer die Worte Entourage-Effekt oder Vollspektrumextrakt schon einmal gehört hat, dem sind sicher auch die Terpene nicht unbekannt. 8000 dieser flüchtigen Stoffe gibt es in der Natur und 30.000 der nahe verwandten Terpenoide. Dass es die Terpene sind, die uns diese wundervoll facettenreichen Duftnoten bescheren, ist ebenfalls nicht neu, aber dass diese Düfte ein cannabinoidähnliches Wirkspektrum mit sich bringen, wird insbesondere für die Medizin immer interessanter. Um für das folgende Interview eine Grundlage zu schaffen, sollen initial einige Begriffe geklärt werden.
Der Entourage-Effekt
Der Entourage-Effekt beschreibt die Synergien – das Zusammenwirken von Substanzen, die sich fördern – zwischen den einzelnen Inhaltsstoffen der Cannabispflanze oder eben des Produktes, welches aus dieser Pflanze gewonnen wurde. Deshalb spricht man bei CBD Ölen oft von Vollspektrum-Extrakten. Es wird das Extrakt mit allen Inhaltsstoffen der Pflanze verkauft und nicht das CBD isoliert und dann mit Speiseöl wieder verdünnt. Zu diesen Produkten ist gegenüber Erzeugnissen, die isolierte Cannabinoide enthalten, absolut zu raten. Bisher wurden 113 Cannabinoide, 120 Terpene, Proteine, Alkohole, Aminosäuren, Fettsäuren und Flavonoide im Cannabis entdeckt. Bekannt sind inzwischen über 600 Verbindungen, auf welche man verzichtet, wenn man es nur auf THC oder CBD abgesehen hat.
Die Evidenz ist noch sehr dünn, aber es wurden inzwischen nicht nur für THC schmerzlindernde und appetitanregende Wirkungen und für CBD krampflösende und antipsychotische Eigenschaften belegt, man konnte auch die Entzündungshemmung für das CBC nachweisen, antitumorale Eigenschaften für CBG und appetitmindernde Eigenschaften für THCv nachweisen. Auch in Sachen Terpene schreitet man mit großen Schritten voran, zumindest, wenn man den Studien des Dr. Ethan Russo Glauben schenken möchte. Aber darüber kann sich im Anschluss jeder selbst eine Meinung bilden. Ethan Russo ist Neurologe und hat im Jahr 2011 die Studie Taming THC: “Potential Cannabis Synergy and Phytocannabinoid – Terpenoid Entourage Effects” publiziert. Fakt ist, dass beispielsweise Pinen, das häufigste natürliche Terpen, Bronchien erweiternd und entzündungshemmend wirkt, das Zweithäufigste – Limonen – wirkt angstlösend.
Darüber hinaus gibt es Myrcen, welches man auch im Bier oder der Mango findet, das muskelentspannend und sedierend wirkt, und Beta-Caryophyllen, welches das häufigste Terpen in Cannabis ist und entzündungshemmend wirkt. Darüber hinaus besitzt es die sonderbare und spannende Eigenschaft, an den CB2-Rezeptor zu binden, was sonst nur Cannabinoiden vorbehalten ist. Der CB2-Rezeptor sitzt auf den Immunzellen und verhindert Entzündungen und allergische Reaktionen. Schon spannender ist, dass Dr. Russo herausgefunden hat, welche Terpene miteinander oder mit Cannabinoiden interagieren, um neue Wirkungen zu erzielen.
So fand er heraus, dass eine Mischung aus Pinen, Myrcen und Caryophyllen gegen Angst wirkt. Eine Mischung aus Limonen und Caryophyllen mit CBG sind wirksam gegen MRSA, auch als antibiotikaresistenter Krankenhauskeim bekannt. THC führt gemischt mit CBN zu einer tieferen Entspannung, und Linalool, Limonen und CBD sollen gemeinsam Akne bekämpfen. Aber ist das so einfach, und wenn es dieses Wissen schon seit 2011 gibt, warum wird es in der Pharmaindustrie nicht eingesetzt?
Kritik an Ethan Russo (by Max Plenert)
Die Kritik an Ethan Russo hat leider ebenso wenig Evidenz wie seine Studien. Dies ist allerdings dem Umstand geschuldet, dass es wenige Wissenschaftler gibt, die in diesem Bereich forschen. Im Gegensatz dazu basiert die fehlende Evidenz in Russos Studien einfach auf der Tatsache, dass er keine schuf. Zweifellos sind die Ergebnisse seiner Tests bahnbrechend und eine Basis für große Veränderungen in der Welt der Medizin, doch bedürfen sie weiterer Studien. Die Ergebnisse Russos zeigen erstmals, wohin die Reise geht, und beweisen, wie unfassbar viel Potenzial im Entourage-Effekt steckt, doch ausgereift und anwendbar sind diese ersten Erkenntnisse für den Menschen noch nicht.
Die durchgeführten Studien fanden an Zellkulturen und Tiermodellen statt, nie aber an Menschen. Die Kritik anderer Wissenschaftler bezieht sich also primär auf die Tatsache, dass Russo Ansätze als Fakten verkauft und so offenbar gemeinsam mit der Firma Phylos Bioscience gutes Geld verdient. Auch finde sich Abschnitte in seinen Arbeiten, in denen er sich selbst als Quelle angibt, und generell scheint er ein Händchen dafür zu haben, positive Effekte hervorzukehren oder den Effekt ausschließlich positiv zu beleuchten. Warum sollte man auch eine Arbeit zum Wohle der Menschheit zu Ende bringen, wenn man mit vielversprechenden Halbwahrheiten jetzt schon reich werden kann.
Da Russos Publikation eine der wenigen zu dem Thema ist, wird sie immer wieder zitiert, kopiert und glorifiziert, was man ohne dieses Hintergrundwissen wirklich niemandem übel nehmen, aber dennoch für sehr kontraproduktiv halten kann. Dass sich alle auf jemanden stützen, dessen Thesen ziemlich wackelig sind, ist einfach kein guter Zustand für die Wissenschaftlichkeit in diesem Bereich. Dieses Thema bedarf eigentlich einem eigenen Artikel, doch bevor ich mich diesem Thema öffentlich stelle, werde ich meine eigenen Forschungen anstellen, damit Raum für Vergleiche entsteht.
Sativa & Indica
Jeffrey Raber, Betreiber eines Testlabors für medizinisches Cannabis in Kalifornien, hat 2013 im Auftrag kalifornischer Hanfapotheken 1000 Proben analysiert. Er testete sie auf Pestizidbelastung, THC, CBD, Terpene und Anteile anderer Cannabinoide. Insgesamt auf 42 verschiedene Substanzen wurde das Cannabis getestet, und die Überraschung war groß. Er fand heraus, dass sich die gleichen Strains von Apotheke zu Apotheke chemisch unterschieden. Er bediente sich absichtlich eines in Kalifornien weitverbreiteten Strains, und stellte fest, dass sich die Blüten teils nicht einmal ähnlich sahen.
Ebenfalls fand er keine Beweise dafür, dass eine Einteilung in Indica und Sativa sinnvoll ist. Er kam zu dem Schluss, dass Sortennamen und Marketing eben keinen medizinischen Anspruch hegen. Doch waren wir Jahrzehnte lang schief gewickelt? Haben wir uns den Unterschied zwischen dem Haze zum Quatschen und dem Kush zum Schlafen die ganze Zeit nur eingebildet? Im Jahr 2015 publizierte Jonathan Page die gemeinsame Studie der Dalhouse University und der University of Britisch Columbia.
Für diese Studie wurden 83 hochpotente Cannabissorten von lizenzierten kanadischen Züchtern analysiert, und man fand kein einheitliches Muster. Es begab sich sogar, dass die Sorte Jamaican Lambs Breed, welche als eine reine Sativasorte eingestuft ist, chemisch beinahe identisch mit Afghani, einem angeblich reinen Indica war. Sie kamen ebenfalls zu dem Schluss, man könne Cannabis nicht anhand des Stammbaums oder des Namens bestimmen. Man brauche ein konsistentes Klassifizierungssystem.
Diesem Problem hat sich in Kanada inzwischen die Firma Strainprint angenommen. Wie in der letzten Ausgabe zu lesen war, hat diese eine App für Patienten entwickelt, die nicht mehr mit Sortennamen arbeitet, sondern ausschließlich mit chemischen Profilen. Dieses Modell ist sehr erfolgreich und sollte ursprünglich im nächsten Jahr an den deutschen Markt expandieren. Leider ist unsere Cannabispolitik nicht so fortschrittlich wie die im Rest Europas, und so werden sich sicher auch Strainprint, so wie vor ihnen schon Weedmaps und Leafly, vorerst vom deutschen Markt zurückziehen.
Später analysierte die Dalhouse University abermals Blüten auf ihre chemischen Profile, diesmal mit dem Erzeuger Bedrocan. 149 niederländische Proben wurden analysiert und keine nennenswerten Unterschiede gefunden. Doch natürlich haben sich nicht Millionen Kiffer Jahrzehnte lang geirrt – sie hatten einfach ein feines Näschen. Denn das Wissen darum, dass höchstwahrscheinlich das “Geruchsprofil” die Wirkung bestimmt, haben die meisten von uns schon lange. Wir sagen zwar “Das riecht nach Sativa oder Indica”, meinen aber “Das rauche ich gerne tagsüber, und durch das andere komm ich im Liegen kaum noch an die Chips.” Jeder von uns weiß, dass der schwere, waldige Geruch uns schlafen lässt und der fruchtige, stechende und wahrscheinlich ziemlich albern macht. Nichts anderes muss nun wissenschaftlich geschehen, aber geschieht denn etwas?
Fermentation
Fermentation ist jedem, der gerne gutes Weed raucht, ein Begriff. Allerdings ist der Begriff irreführend, denn bei Fermentation handelt es sich ursprünglich um die Haltbarmachung (chemische Umwandlung) durch Mikroorganismen oder Enzyme, wie zum Beispiel beim Sauerkraut, Kefir oder sogar der Schokolade (hier werden die Bohnen veredelt). Die Fermentation von Cannabis ist natürlich etwas vollkommen anderes und hat im besten Fall nichts mit Mikroorganismen, dafür aber mit Terpenen zu tun. Nach der Ernte sollte man die Blüten 3 bis 6 Tage unter bestimmten Bedingungen trocknen, um den Feuchtigkeitsgehalt schonend zu reduzieren.
Danach geht es an die Veredelung, während dieser sich die Terpene herausschälen. Bei der Fermentation geht es darum, eine konstante Feuchtigkeit aufrecht zu erhalten, das Weed täglich zu lüften und dunkel zu halten. So hat es Zeit, sehr schonend zu trocknen, und es beginnen Ab- und Umbauprozesse in den Blüten. Wer es schon mal gemacht hat, der weiß, dass das Weed täglich anders riecht und der Geruch nach Heu langsam verfliegt. Manchmal ist zu beobachten, dass das Material nach ein oder zwei Wochen schonender Alterung einen vollkommen anderen Geruch aufweist als davor oder zwischendurch.
Wie nun inzwischen klar ist, verändert sich bei diesem Vorgang auch das Wirkprofil, denn Terpene haben spezifische Wirkungen. Wer eine Fermentation schon einmal verhauen hat und wirklich gutes Weed rauchen musste, das einfach keinen Geruch mehr hatte, wird bestätigen können, dass der Rausch dürftig ist. Einen medizinischen Effekt erzielt man mit Sicherheit, ob dieser allerdings die vollen Vorteile eines Cannabiskonsums bietet, ist zu bezweifeln. Lagert man Cannabis zu lange oder falsch, geschehen noch ganz andere Dinge – die Degradation (Abbau) der Cannabinoide setzt ein, und die Terpene verflüchtigen sich.
Aber Cannabinoide werden nicht einfach abgebaut, sie werden umgewandelt. THC wird innerhalb von Monaten oder Jahren zu CBN degradiert, welches natürlich völlig andere Wirkeigenschaften hat. Cannabinoide liegen in ihrem natürlichen Zustand immer als Säure vor und werden erst durch Hitze (Decarboxylierung) zu Cannabinoiden umgebaut. Das THC würde nicht berauschen, würde man nicht vorher ein Feuerzeug hinhalten. Auch Edibles hätten ohne den Ofen keine berauschende Wirkung. Im Körper werden Cannabinoide durch Hitze, Säure, Enzyme oder unter dem Einfluss der Sonne durch Strahlung abgebaut.
Nun aber zurück zu den Terpenen: Wie das mit der Entstehung, dem Umbau und den Synergien genau funktioniert, das haben wir jemanden gefragt, der sich bestens damit auskennt.
Maximilian Plenert ist schon lange kein Unbekannter mehr. Er ist Diplomphysiker, Wissenschaftler, Politiker, Autor, betreut die Patientenhilfe, berät Firmen in Sachen Cannabis und so fort. Er ist ein Philanthrop, was Cannabis betrifft, doch ein Thema hat es ihm besonders angetan – die Terpene. Er befasst sich nicht nur beruflich, sondern vor allem auch aus persönlichem Interesse mit dem Thema, wodurch er einen umfangreich und vor allem breit gefächerten Wissensschatz besitzt. Ich habe ihm die unterschiedlichsten Fragen zum aktuellen Stand der Wissenschaft und zu eher “alltäglichen” Unklarheiten rund um die duftende Medizin gestellt.
Sarah Ann Rosa: Warum sind Sie derjenige, der heute mit mir über Terpene spricht? Wissen Sie mehr darüber als der Rest der Welt?
Maximilian Plenert: Ich hatte in den letzten 3 bis 4 Jahren einfach das Glück, den Luxus genießen zu dürfen, dass mir durch meine Arbeit bei Sens Media genug Zeit dafür blieb. Eigentlich war genau das mein Job bei Sens Media, ich war dafür zuständig, bei Anfragen beispielsweise die 10 wichtigsten medizinischen Sorten und ihre Indikation nennen zu können. Dadurch hatte ich den ganzen Tag Zeit, mich Inhaltsstoffen, zu denen eben auch die Terpene gehören, Sorten und ihrem medizinischen Einsatz auseinanderzusetzen. Wahrscheinlich sogar mehr Zeit als ein Wissenschaftler, denn die sind ja meist noch mit tausend anderen Kleinigkeiten beschäftigt. Außerdem war es die richtige Zeit dafür.
Erstens gibt es das Internet, sodass ich den kompletten aktuellen Forschungsstand von meinem Schreibtisch aus erreichen kann, und zweitens ist der Großteil unseres heutigen Wissens zu Cannabis überhaupt erst in den letzten 10 Jahren entstanden. Gerade die letzten 5 Jahre waren eine unglaublich kreative Phase, in der man neue Erkenntnisse druckfrisch nach Hause bekam. Und da es erst in den letzten Jahren zu diesem Aufschwung kam, kann niemand einen Vorsprung an Wissen haben. Es gab dieses Wissen vorher noch gar nicht.
Sarah Ann Rosa: Warum schafft in diesem Bereich niemand Evidenz, oder gibt es aktuelle Arbeiten zu dem Thema?
Maximilian Plenert: Es gibt sehr wenige Wissenschaftler, die in diesem Bereich forschen. Russo ist beinahe der Einzige. Bisher wurde Cannabis hauptsächlich forensisch untersucht. Man interessierte sich für THC- oder CBD – reiche Sorten und versuchte hauptsächlich, einen Überblick zu erhalten. Die Idee, einen illegalen Sortennamen mit einem pharmakologischen Profil und einer Wirkung für den Patienten zusammenzubringen, ist relativ jung. Und so geht es auch der medizinischen Forschung. Viele Forscher halten sich immer noch an den Cannabinoiden fest, da besteht Handlungsbedarf. Andererseits sind die Analysen in den letzten Jahren viel genauer geworden, die Messbereiche verkleinern sich stetig. Man kann inzwischen Spuren von Substanzen nachweisen oder Sorten über Genmarker bestimmen. Für diese Technologie gab es sogar gerade erst den Nobelpreis. Es ist vollkommen neu, Pflanzen so genau untersuchen zu können.
Sarah Ann Rosa: Wie stehen sie zu dem Ansatz, den die Firma Strainprint in Kanada mit ihrer App verfolgt?
Maximilian Plenert: Ja, das ist absolut der Weg der Zukunft.
Sarah Ann Rosa: Glauben sie die App wäre angesichts der momentanen politischen Lage bezüglich Cannabis in Deutschland sinnvoll?
Maximilian Plenert: Ja, das glaube ich. Ich habe vor geraumer Zeit schon gemeinsam mit Dr. Franjo Grotenhermen gefordert, dass es 1 bis 2 % der Bevölkerung ermöglicht werden muss, mit medizinischem Cannabis versorgt zu werden. Damals war das noch ziemlich utopisch, doch vor Kurzem las ich eine Pressemitteilung der Firma Neurax Pharma. In dieser stand dasselbe mit einem zeitlichen Ziel von 4 Jahren. Ich finde es generell interessant, dass nun große Player anfangen, ins Cannabusiness einzusteigen. Es geht voran, auch wenn eine exponentielle Entwicklung anfangs erst mal langsam und gradlinig aussieht, so ist es doch mit den Cannabispatienten wie mit Corona – sie werden sich ganz massiv ausbreiten.
Sarah Ann Rosa: Wie viel weiß die Medizin aktuell überhaupt über Terpene? Gibt es schon medizinische Einsatzgebiete?
Maximilian Plenert: Es gibt zu diesem Thema tatsächlich relativ viele Erkenntnisse, nur stammen sie meist aus der traditionellen Medizin. Tees sind da ein gutes Beispiel, nur leider ist man irgendwann stecken geblieben und hat die Pflanzen und ihre Inhaltsstoffe nicht detailliert betrachtet. Deshalb gibt es dort auch keine Evidenz zu Terpenen, an der man sich bedienen könnte. In der Apotheke sind auf jeden Fall diverse pflanzliche Arzneien mit einer wohldefinierten Auswahl diverser ätherischer Öle. Diese sind sogar über ihren Terpengehalt definiert, heißt, dass auf der Rückseite Angaben über die Menge der Terpene in Milligramm angegeben ist. Terpenmedizin findet also statt und besitzt sogar eine gewisse Evidenz. Gefühlt sind es allerdings eher die kleinen Unternehmen, die sich diesem Thema annehmen. Bionorica und auch Bedrocan kommen zum Beispiel aus der Schiene, aber der größte Player sind eigentlich die vielen Duftprodukte im Lifestylebereich.
Umweltwissenschaftler erforschen Terpene, die Lösungsmittel sind auch als Schad- und Reizstoffe, wieder andere verschreiben Waldbaden als Therapie und verschreiben damit nichts anderes als eine Terpentherapie. Die Nadelbäume und unzählige andere Pflanzen setzen im Sommer so viele Terpene frei, dass ich mir vorstellen könnte, dass Winterdepressionen teils auf einem Terpenmangel basieren.
Sarah Ann Rosa: Wie entwickeln sich Terpene bei der Fermentation von Cannabis?
Maximilian Plenert: In meinen Augen ist Fermentation das falsche Wort für diesen Prozess, es hat ja nichts mit Mikroorganismen zu tun. Die Terpene im Cannabis sind natürlich schon im Laufe der Wachstumsphase hoch dynamisch. Auch sind sie tageszeitabhängig. Dann nehmen noch andere Stoffe Einfluss, wie zum Beispiel das Chlorophyll. Es steigt jeden Morgen wieder an und baut sich zum Abend wieder ab. Da Chlorophyll störend auf die Terpene wirkt, sollte man Cannabis immer vor dem allerersten Sonnenstrahl ernten.
Die Pflanze durchläuft vor und ab der Ernte verschiedene Terpenprofile, es gibt also eine Verschiebung im Terpenprofil, da Terpene unterschiedlich Verdampfungstemperaturen haben und somit unterschiedlich flüchtig sind. Leichte Monoterpene verflüchtigen sich dabei selbstredend schneller als die schwereren Sesquiterpene. Da es wenige Daten gibt und das Gesamtsystem nicht verstanden ist, kann auch ich nicht erklären, was mit den Terpenen genau bei der Reifung passiert. Eine Sache ist allerdings noch interessant und bringt vielleicht Licht in ein kleines Mysterium – die unterschiedlichen Gerüche, die eine Blüte oft hat.
Manchmal riecht eine Blüte vollkommen anders, wenn wir die Nase in eine Tüte oder ein Glas stecken, als wenn wir sie später aufbrechen. Dies liegt höchstwahrscheinlich an den noch flüchtigeren und geruchsintensiveren Estern der Terpene, welche in das Glas strömen und dann beim Öffnen verfliegen. Übrig bleibt das stabilere Terpenprofil, welches wir beim Brechen der Blüte wahrnehmen.
Sarah Ann Rosa: Wie viel Prozent der Wirkung machen die Terpene gegenüber den Cannabinoiden aus?
Maximilian Plenert: Fakt ist, dass die Cannabinoide die wirkungsbestimmenden Substanzen sind, während die Terpene eher wirkungsmodifizierende Eigenschaften besitzen. Die Cannabinoide sind auch in deutlich größeren Mengen vorhanden.
Sarah Ann Rosa: Kann man schon differenzieren, welche Terpene eher zu einer “Sativa – Wirkung” führen und welche in Richtung “Indica” gehen?
Maximilian Plenert: Da gibt es durchaus gute Systeme. Es macht zum Beispiel Sinn, Stoffgruppen zu bilden, da eine einfache Achse zwischen Sativa und Indica bei Weitem nicht ausreicht, um das breite Wirkspektrum zu beschreiben. Die Übergänge sind fast alle fließend, und es gibt beinahe unendlich viele Kombinationen. Und von jedem einzelnen Terpen in einer Mischung kann man auch noch stufenlos die Menge variieren. Bis auf eine Gruppe, die vom Wirkprofil eindeutig dem Sativa zuzuordnen sind. Diese Gruppe enthält Terpenolen, welches so interessant ist, weil es als einziges Terpen nicht in jeder beliebigen Dosierung vorkommen kann. Es ist entweder in sehr hohen oder sehr niedrigen Mengen vorhanden und ist ein eindeutiger Indikator für ein High statt eines Couchlocks.
Sarah Ann Rosa: Wie isoliert man Terpene und ist das auch mit kompletten Terpenprofilen möglich?
Maximilian Plenert: Mit dem Gaschromatographen und dem Massenspektrometer, und meist sind es ganze Profile, weil eben ganze Profile vorhanden sind. Die Messungen werden auch immer genauer, allerdings sind die meisten Studien immer noch zu ungenau. Das ist momentan eine sehr spannende technische Fragestellung.
Sarah Ann Rosa: Warum gehen Terpene bei der CO2-Extraktion verloren?
Maximilian Plenert: Terpene gehen grundsätzlich verloren, sobald die Dose offen ist. Und selbst wenn sie zu ist, kriechen sie mitunter raus. Bei allen Extraktionsmethoden gehen sie zum Großteil verloren, weil sie einfach unheimlich flüchtig sind. Je mehr Wärme, bei welchem Prozess auch immer nötig ist, desto mehr Terpene gehen verloren. (Edit: Eine CO2-Extraktion findet bei etwa 32 Grad statt)
Sarah Ann Rosa: Was passiert mit den Terpenen bei einer Decarboxylierung unter 120 Grad?
Maximilian Plenert: Die ersten Terpene verdampfen, wie gesagt, bereits bei Zimmertemperatur. Bei 120 Grad separiert es sich ein bisschen, denn es gibt getrost Terpene, die 120 Grad überleben, andere verdampfen eben früher. Würde man beim Vaporizer zum Beispiel alle Temperaturstufen durchgehen, könnte man theoretisch auch verschiedene Geruchsprofile erleben.
Sarah Ann Rosa: Sind Terpene die Zukunft?
Maximilian Plenert: Eine Einschränkung auf nur eine Stoffgruppe halte ich wie bei den Cannabinoiden für Unsinn. Ich sehe eher ein gigantisches Potenzial darin, das bewährte Wissen aus der Phytotherapie in die Moderne zu holen. Da werden wir noch viele spannende Pflanzen finden, von denen Cannabis auch nur eine ist. Wir haben da bei unglaublich vielen Stoffen noch komplette Wunderwelten vor uns, vor allem wenn es um den Entourage-Effekt geht.
Sarah Ann Rosa: Warum gehen Terpene bei der CO2-Extraktion verloren?
Maximilian Plenert: Terpene gehen grundsätzlich verloren, sobald die Dose offen ist. Und selbst wenn sie zu ist, kriechen sie mitunter raus. Bei allen Extraktionsmethoden gehen sie zum Großteil verloren, weil sie einfach unheimlich flüchtig sind. Je mehr Wärme, bei welchem Prozess auch immer nötig ist, desto mehr Terpene gehen verloren. (Edit: Eine CO2-Extraktion findet bei etwa 32 Grad statt)
Sarah Ann Rosa: Was passiert mit den Terpenen bei einer Decarboxylierung unter 120 Grad?
Maximilian Plenert: Die ersten Terpene verdampfen, wie gesagt, bereits bei Zimmertemperatur. Bei 120 Grad separiert es sich ein bisschen, denn es gibt getrost Terpene, die 120 Grad überleben, andere verdampfen eben früher. Würde man beim Vaporizer zum Beispiel alle Temperaturstufen durchgehen, könnte man theoretisch auch verschiedene Geruchsprofile erleben.
Sarah Ann Rosa: Sind Terpene die Zukunft?
Maximilian Plenert: Eine Einschränkung auf nur eine Stoffgruppe halte ich wie bei den Cannabinoiden für Unsinn. Ich sehe eher ein gigantisches Potenzial darin, das bewährte Wissen aus der Phytotherapie in die Moderne zu holen. Da werden wir noch viele spannende Pflanzen finden, von denen Cannabis auch nur eine ist. Wir haben da bei unglaublich vielen Stoffen noch komplette Wunderwelten vor uns, vor allem wenn es um den Entourage-Effekt geht.