Es ist gerade mal zwei Monate her, dass die Hanf-Community gespannt die Berichterstattung um eine Gerichtsverhandlung mitverfolgt hatte. Dem Angeklagten wurde der Handel mit Betäubungsmitteln zur Last gelegt. Für sein geschäftliches Treiben hatte dieser einerseits Ärger mit den Behörden an sich gezogen, andererseits wurde er dafür mit einem Gründerpreis ausgezeichnet. Bei dem Angeklagten handelt es sich um Tobias Pietsch, den Gründer der Hanfnah Geschäfte in Freiburg, Lahr und Lörrach. Mit den vermeintlichen Betäubungsmitteln sind tatsächlich Nutzhanfprodukte gemeint. Der Prozess gegen ihn endete im Juni mit einer auf Bewährung ausgesetzten Geldstrafe.
Schon im Verlauf der Gerichtsverhandlung machte Tobias Pietsch darauf aufmerksam, dass man Nutzhanfprodukte mit dem gleichen Rauschpotenzial, nämlich so gut wie keinem, auch in großen Einzelhandelsketten erwerben kann. Um diese paradoxe Situation nun noch einmal ins Bewusstsein der Menschen zu holen, ist er nun freiwillig mit dem Gesetz in Konflikt gekommen. Er hat Hanftee käuflich erworben und hat sich daraufhin selbst angezeigt. Natürlich wollen wir alle gern mehr über die Hintergründe dieser Aktion wissen, daher sind wir froh und dankbar, dass Tobias uns für die Beantwortung einiger Fragen zur Verfügung stand.
Hanf Magazin: Du hattest im Vorfeld einmal geäußert, dass du die Selbstanzeige gern schon früher gemacht hättest, doch in deiner Region bzw. in deinem Umfeld waren auf einmal fast kaum mehr Hanftees in den Geschäften zu finden. Wie hast du dir das erklärt? Kann es Zufall sein? Oder führst du es auf jeden Fall auf den Prozess zurück?
Tobias Pietsch: Anfangs konnte ich mir das gar nicht vorstellen, dass vor allem große Handelsketten Produkte aus dem Sortiment nehmen. Aber es waren wirklich einige, die Hanftees erst vor Kurzem ausgelistet haben. Das kann natürlich auch mit der allgemeinen Debatte zu tun haben, aber es sind Ketten dabei, die diese Produkte andernorts definitiv noch verkaufen. Und der Prozess hat deutschlandweit, vor allem aber in der Region eine enorme Medienpräsenz gehabt. In einem großen Biofachmarkt wurde mir als Möglichkeit dann sogar mein eigener Laden empfohlen. Ich bin inzwischen fast sicher, dass ein Zusammenhang besteht.
Hanf Magazin: Wie wurdest du von den Behörden mit deinem Anliegen empfangen? Musste auch jemand schmunzeln oder war alles sehr ernst?
Tobias Pietsch: Nein, geschmunzelt habe höchstens ich innerlich, obwohl das für mich bis jetzt alles andere als ein Spaß war. Bemerkenswert fand ich, dass ich den Hanftee laut ihrer Aussage nicht abgeben durfte. So nach dem Motto, wir dürfen nichts annehmen. Aber mir wurde jetzt erklärt, es handele sich um Betäubungsmittel. Ich habe mir hinterher vorgestellt, ich wäre mit fünf Gramm Heroin einmarschiert und sie hätte mich damit wieder weggeschickt. Ich wollte sie ja nicht bestechen, sondern Beweismittel abgeben.
Hanf Magazin: Wie würde deiner Meinung nach ein optimales Ergebnis der Aktion aussehen? Und was, glaubst du, wäre das wahrscheinlichste Szenario?
Tobias Pietsch: Ein optimales Ergebnis allein in dieser Selbstanzeige gibt es nicht. Es wird ja leider, wie in jedem BtM-Verfahren, nur Verlierer geben. Ich erwarte, dass die engagierte Staatsanwältin mich genauso behandelt wie meine Kunden und die große Handelskette genauso wie das kleine Hanffachgeschäft. Denn dann haben wir endlich eine Debatte über die Szene-Grenzen hinaus und es würden sich endlich mehr Leute Gedanken über diesen Unsinn machen, der gerade stattfindet. Idealerweise hat die Handelskette einen besseren Draht nach ganz oben und kann da mal noch viel direkter anklopfen und Druck machen.
Hanf Magazin: Wie fändest du es, wenn Menschen es dir gleichtun würden? Ich denke, du willst natürlich niemanden zum Begehen einer Straftat animieren, aber wäre es vielleicht für manche Menschen sinnvoll einfach das Gleiche zu tun?
Tobias Pietsch: Sinnvoll wäre das nur, wenn es extrem viele Menschen tun würden. Sonst gibt das einen Haufen Einstellungen, aber die gibt es auch so jeden Tag. Das würde nur Steuergelder kosten ohne Ende, es müsste wirklich eine groß koordinierte Aktion sein und das ist ohne Aufruf zu einer Straftat schwer vorstellbar und solche Ansätze – wie auch das jährliche Vogelfüttern – sind noch nie wirklich erfolgreich gewesen. Staatsanwaltschaften, die schon Razzien durchgeführt haben, müssten die Sache allerdings ähnlich bewerten, die kann man vermutlich etwas in Bedrängnis bringen. Und ich kann an jeden nur appellieren, eine solche Anzeige oder auch jedes andere BTM-Verfahren, zu nutzen, um den Behörden ihren Unsinn aufzuzeigen. Wer Pech hat, für den hat es unter Umständen heftigere Konsequenzen, aber die meisten haben viel weniger zu verlieren, als sie denken und es gibt so unfassbar viel zu gewinnen, nämlich unser aller Freiheit. Mit der Richtervorlage des DHV kann man die richtigen, unangenehmen Fragen stellen, um sich aus der nur verteidigenden Haltung herauszubringen. Wenn wir aufhören, unsere Schuld zu akzeptieren, bringen wir auch das System zum Schwitzen.
Hanf Magazin: Wie ist allgemein das Feedback auf deine Aktion? Hast du gefühlt nur Unterstützung da draußen oder gibt es auch Kritik? Wenn ja, wie sieht die aus?
Tobias Pietsch: Außer Leuten, die sich Sorgen machen oder den genauen Zusammenhang nicht erfassen, gibt es ausschließlich positiven Zuspruch. Darum bin ich auch überzeugt, dass sich viel mehr Leute so was trauen könnten und müssten. Jeder kleine Schritt hilft. Die haben seinerzeit ja ernsthaft einen Krieg gegen Drogen ausgesprochen. Es ist aber ein Krieg gegen Menschen und nur eine Seite nutzt ihre Waffen. Wir haben viel mehr Leute auf unserer Seite, als wir glauben.
Hanf Magazin: Was erwartest du, was als Nächstes passiert?
Tobias Pietsch: Eben weil es meiner Meinung nach gar keine sinnvolle Vorgehensweise gibt, musste ich das jetzt tun. Meiner Meinung nach können sie das nicht vom Tisch wischen. Eine Herangehensweise wie bei mir wäre wohl logisch, aber in der Praxis kaum vorstellbar. Ich bin unheimlich gespannt, rechne aber damit, dass sie das vielleicht falsch verstehen und mich als Gegner sehen. Ich wollte aber schon immer alle mit Vernunft überzeugen und mit ins Boot holen, auch jetzt noch. Aber die Staatsanwältin wollte mit ihrem Strafmaß eine schwer nachvollziehbare Härte demonstrieren und auch ihr Gang in die Berufung zeigt ja, dass sie überzeugt ist. Ich hoffe, sie sieht mich jetzt nicht als Streitkontrahent, sondern macht sich endlich die richtigen Gedanken zu dieser unsinnigen Gesetzgebung.
Hanf Magazin: Was würdest du den Menschen raten, die eine Legalisierung von Cannabis möchten? Demonstrationen sind ja derzeit eher schwierig, was kann man also sonst tun?
Tobias Pietsch: Weniger verstecken. Wir alle haben zu viel Angst. Jeder hat etwas zu verlieren, aber wenn sich nichts ändert, haben wir auf Lebzeiten ein großes Stück Freiheit verloren. Ehrlich und möglichst emotionslos aufklären. Das kann im engsten Kreis anfangen, dafür muss man nicht öffentlich als Aktivist in Erscheinung treten. Essenziell ist, dass wir die Politiker direkt unter Druck setzen und überzeugen. Das muss gar nicht Frau Ludwig sein, wir haben alle einen lokalen Politiker im Bundestag sitzen, welcher nicht so leicht ausweichen kann wie „die großen“ in Berlin. Deutschland ist ein kompliziertes Land, aber es bietet sehr viele Wege zur Teilhabe. Wer das nervlich und emotional aushält, dem kann ich nur empfehlen, das System inklusive der Justiz mehr zu nutzen. Wir geben viel zu sehr klein bei, speziell diejenigen, die ohnehin schon Trouble haben. Die wehren sich meist nicht mal aus Angst vor weiterem Ärger. Lasst uns mutig sein, sonst haben wir auf ewig Angst. Dabei sind wir doch tolle Menschen.
Ich denke, dem muss man eigentlich nicht viel hinzufügen. Wir danken Tobi für die tolle Aktion und hoffen einerseits, dass die Selbstanzeige am Ende ein positives Resultat bringt. Außerdem hoffen wir auch, dass sein Beispiel und seine Worte die Menschen ermutigt mehr für ihre Freiheit einzustehen und die Möglichkeiten zu nutzen, die unsere Demokratie uns zur Verfügung stellt.