Eigentlich geht es uns hier in Deutschland gar nicht mal so schlecht, wollen viele sagen. Und das stimmt in gewisser Weise sogar, ist aber auch keine Entschuldigung, wenn dann doch einiges im Argen liegt. So können einem die Posts von Magda Sebelka und ihrem Lebensgefährten Heiko Hartnagel vom 16.05.2018 richtiggehend schocken: Anstelle höflich zu klingeln setzt die Polizei ohne Vorwarnung den Rammbock ein, um die Tür zu öffnen, Sachschaden rund 2.000 Euro. Sie haben Anweisung der Staatsanwaltschaft, das zu tun, um bei Heiko eine „Haarprobe“ zu entnehmen.
Da wird einem beim Aufwachen oder am Frühstückstisch die Tür eingerammt und das Bein rasiert? Die Geschichte um das Patienten-Trauma von Magda Sebelka wird von ihr schon seit rund einem Jahr auf Facebook dokumentiert. Das ein oder andere ihrer Geschichte ist also bereits bekannt, wenn wir jetzt in das Interview einsteigen.
Hanf Magazin: Fangen wir erst einmal weit in der Vergangenheit an: Magda, du hattest bereits eine Ausnahmegenehmigung nach § 3 Abs. 2 BtMG und bist weiterhin Cannabispatientin. Welche Leiden hast du, wann fingen diese an und wann hast du den Cannabis für dich entdeckt?
Magda Sebelka: Ich leide an Epilepsie, Asthma und ADHS. Die Symptome haben bereits im Kindheitsalter angefangen. Diagnostiziert wurden alle drei Erkrankungen erst im Erwachsenenalter. Dass mir Cannabis hilft, bzw. gegen wie viele verschiedene Krankheiten es hilft, habe ich erst spät rausgefunden. Ich wusste schon früh, dass ich es gerne konsumiere, aber ich wusste nicht, dass ich krank bin. Angefangen zu konsumieren, hab ich als Jugendliche verhältnismäßig früh.
Hanf Magazin: Was würde passieren, wenn du deinen medizinischen Cannabiskonsum einstellen würdest?
Magda Sebelka: Ich würde innerhalb kurzer Zeit eine Verschlechterung meiner ADHS Symptome, wie Unruhe und schlechte Konzentration erleben. Je nach Situation würde innerhalb von 24 Stunden wahrscheinlich Asthma auftreten. In Stresssituationen brauche ich allerdings sofort Cannabis, weil die Symptome des Asthma dann meistens sofort auftreten. Zusätzlich wäre die Gefahr einen epileptischen Anfall zu erleiden erhöht. Ich habe immer, wenn ich im Lauf meines Lebens über mehrere Wochen oder Monate Cannabis abgesetzt hatte, solche Anfälle erlitten.
Hanf Magazin: Du hast einen triftigen Grund für dein öffentliches Auftreten. Du hast auch mit dem Cannabis als Medizin Gesetz bislang keine Kostenübernahme erwirken können und hast das Geld für die Apotheke nicht. Also hast du selbst Marihuana angesetzt?
Magda Sebelka: Ja, ich befinde mich im Klageverfahren gegen meine Krankenkasse, die meine Medizin nicht bezahlen will. Deswegen bin ich in der Situation, dass ich selbst anbauen musste und hab es auch gepostet, um darauf aufmerksam zu machen, wie das neue Gesetz manchen hilft und anderen schadet. Die einen bekommen ihre Medizin jetzt umsonst, während andere sie gar nicht mehr haben oder den doppelten Preis dafür bezahlen müssen.
Hanf Magazin: Aus deinem Growerfolg ab November 2017 habt ihr beiden ganz bewusst kein Geheimnis gemacht, da ihr im Notstand handelt und darauf aufmerksam machen wollt. Die Staatsanwaltschaft sieht das anders. Dein Lebensgefährte war dieses Jahr sogar in Untersuchungshaft. Lädt sich der Staatsfrust an ihm ab, da er noch nicht offizieller Patient war?
Magda Sebelka: Ja, letztlich ist es so. Weil er vorbestraft ist und kein Patient war, erschien es der Staatsanwaltschaft wohl leichter, ihm die Sache anzuhängen, als eine rechtskräftige Verurteilung von mir zu erlangen.
Hanf Magazin: Dein Freund hat sozusagen beim Pflegen der Pflanzen geholfen und ist dafür dann kriminalisiert worden, da er noch kein offizieller Patient war und auch sonst nicht anbauen dürfte?
Magda Sebelka: Der Vorwurf der Staatsanwaltschaft lautete erst „wir haben es gemeinschaftlich für uns angebaut“ und dann „Heiko hat mich beim Anbau unterstützt“. Die Ermittler haben sehr früh verstanden, dass es sich bei mir um Notstand handelt und deswegen haben sie sich dann darauf konzentriert, Heiko etwas nachzuweisen, um das ganze Verfahren doch noch irgendwie gerechtfertigt zu bekommen. Ich habe das Anbauen zum Teil von Heiko gelernt, aber mit diesem Grow hatte Heiko nichts zu tun!
Hanf Magazin: Ihr hattet die Polizei im Haus, die so einiges aus der Wohnung wegnahm. Jetzt rammen sie euch die Tür ein. Was denken die Nachbarn von euch oder der Polizeigewalt?
Magda Sebelka: Das fragen wir uns auch regelmäßig! Wahrscheinlich halten uns einige für Terroristen. Von einer Nachbarin wissen wir, dass ihr die Tränen gekommen sind, als sie miterlebt hat, welchen Terror die Polizei macht, in einer Wohnung, in der ein Kind ist. Man muss sich vorstellen, unsere Tür war sehr massiv und es hat ein bis zwei Minuten lang das ganze Haus gewackelt, als das Rollkommando mit dem Rammbock am Werk war, morgens um 7Uhr10. Es hat also jeder mitbekommen, das wurde mir auch erzählt von meiner Nachbarin, dass es jeder mitbekommen hat.
Hanf Magazin: Du bist zugleich auch Mutter, ihr habt eine kleine Tochter. Diese bekommt von all dem zum Glück noch nicht das meiste mit. Aber kocht es nicht emotional über, wenn Kinder das miterleben müssen?
Magda Sebelka: Ich bin darüber nicht nur wütend, sondern auch traurig und schockiert, dass ohne Rücksicht agiert wird, in diesem Ausmaß. Mir wurde in der Schule ein anderes Bild vom Wertesystem Deutschlands vermittelt, mit seinem Grundgesetz. Aber bei uns fällt man ein, wie bei Terroristen, nur um meinem Lebensgefährten die Beinhaare zu rasieren, um ihm Cannabiskonsum nachzuweisen. Zum Glück war während des Einsatzes die Oma da und die durfte die ganze Zeit bei der kleinen bleiben. Die kleine hatte Angst vor den Männern mit Helmen, den Beamten ist das dann auch aufgefallen und es wurden nach einer Zeit Polizisten ohne Helme zur Bewachung von Oma und Kind abkommandiert.
Bei der ersten Hausdurchsuchung kam auch das Jugendamt. Wir haben Angst, dass die Polizei noch öfter grundlos zu uns kommt und unsere Tochter dadurch ein Trauma erlebt. Wir dachten, es reicht zum Schutz unserer Tochter kein Cannabis mehr in der Wohnung anzubauen, um sicherzustellen, dass es zu keinen weiteren Hausdurchsuchungen und Polizeigewalt in Ihrer Anwesenheit kommt. Jetzt mussten wir schmerzlich erfahren, dass das kein 100 % Schutz ist.
Hanf Magazin: Neben dem öffentlichen Eigenanbau im Notstand hast du zusammen mit einem weiteren Patienten eine Verfassungsklage auf den Weg gebracht, die bereits abgeschmettert wurde. Auch nach der Hausdurchsuchung habt ihr beiden dies und jenes mit Worten und Bildern veröffentlicht. Jetzt wird euch die Tür eingerammt, wobei die Klingel doch funktionierte. Bildet sich hier ein roter Faden?
Magda Sebelka: Wie die Zusammenhänge genau sind, wissen wir nicht. Die ganze Ermittlung und das Verfahren sind jedoch komplett überzogen und unverhältnismäßig. Zwei blühende Pflanzen würden niemals zu so einem Aufwand führen, wenn wir nicht die Posts gemacht hätten. Heiko wurde auch von der Polizei immer wieder darauf hingewiesen, dass uns weitere Posts schaden würden. Wir wissen trotzdem nicht, warum mit dieser Vehemenz gegen uns vorgegangen wird, denn die Posts enthielten nur die Wahrheit und das Posten an sich ist nicht strafbar.
Hanf Magazin: Werdet ihr euch einschüchtern lassen oder vielleicht nur eure Strategie anpassen, da ihr den Druck der Öffentlichkeit für eure Anliegen braucht? Wie geht es denn jetzt vermutlich weiter mit eurem „Patienten-Drama“?
Magda Sebelka: Wir werden uns nicht einschüchtern lassen. Wir werden unsere Strategie weiter verfolgen. Dazu müssen wir nicht weiterhin anbauen und öffentlich einen Grow posten, denn der Rechtsstreit läuft jetzt bereits. Wir hoffen, dass das Verfahren klären wird, ob Patienten, die anbauen, sich weiterhin auf den rechtfertigenden Notstand berufen können. Wenn das zutrifft, wovon wir ausgehen, dann müssten meiner Meinung nach auch wieder Anbaugenehmigungen erteilt werden. Es ist uns natürlich wichtig, dass uns Leute, unter anderem auf FB, unterstützen und dass es möglichst viele Leute mitbekommen. Wir werden uns jetzt mit allen zur Verfügung stehenden rechtlichen Mittel wehren und abwarten, was dabei rauskommt. Zu gegebener Zeit werden wir wieder auf Eigenanbau klagen.
Hanf Magazin: Wegen der ersten Hausdurchsuchung und vermutlich auch wegen der Verfassungsklage seid ihr mit Anwälten im Gespräch. Was sagen die euch denn dazu, wenn ihr euren Notstand öffentlich Preis gebt?
Magda Sebelka: Der Umstand, dass ich alles veröffentlicht habe, spielt in meinem Strafverfahren eine Rolle, denn die Ermittlungsbehörden hätten dadurch sehr viel erfahren können, ohne eine Hausdurchsuchung zu machen. Jede Einschränkung der Grundrechte, wie eine Hausdurchsuchung eine darstellt, muss unter Berücksichtigung der Grundsätze, der Verhältnismäßigkeit (Erforderlichkeit, Angemessenheit) erfolgen. In meinem Fall wäre das nicht erforderlich gewesen, um Beweise dafür zu sichern, dass ich anbaue, aus Sicht meines Anwaltes. Die Verfassungsklage habe ich bisher ohne Anwalt gemacht, weil sich kein Anwalt gefunden hatte, der uns kurzfristig hätte helfen können. Für eine erneute Verfassungsklage werde ich wieder versuchen, einen Anwalt zu finden.
Hanf Magazin: Erwägt ihr eigene rechtliche Schritte gegen solch eine übertriebene Polizeigewalt?
Magda Sebelka: Ja, wir werden diesbezüglich alle Möglichkeiten mit unseren Anwälten durchgehen und nichts unversucht lassen.
Hanf Magazin: Habt ihr schon darüber nachgedacht, nach Spanien auszuwandern, um euch dort in einem Cannabis Social Club versorgen zu lassen? Würden eure Möglichkeiten solche Schritte überhaupt erlauben?
Magda Sebelka: Wir haben darüber nachgedacht, aber sind immer wieder zu dem Schluss gekommen, dass wir in Deutschland zu unserem Recht kommen wollen. Als Cannabis-Emigrant wird man wahrscheinlich auch nicht besonders gut dort aufgenommen. Ich bin sicher, wenn alle Gesetze, die in Deutschland gelten, eingehalten worden wären, dann wären wir nicht so behandelt worden. Das Grundgesetz schützt uns eigentlich vor solchen Übergriffen. Wir haben auch schon viel darüber nachgedacht, wie man einen Cannabis Social Club für Deutschland realisieren könnte, ohne dafür auf ewig hinter Gitter zu verschwinden.
Soweit unser Interview mit Magda Sebelka
Magdas und Heikos Geschichten sind in jedem Fall ein Schock für alle Patienten sowie auch Konsumenten, da doch wenigstens für Patienten bereits sehr viel der Repression abgebaut wurde. Allein die U-Haft für Anbau im Notstand ist mehr als nur fragwürdig. Auch bei reinem Genusskonsum wäre solch ein Schritt bei Selbstversorgern kaum zu rechtfertigen sowie Repression an sich bereits nicht mit dem Recht auf freie Selbstentfaltung vereinbar ist. Viele wollen jetzt gerne wissen, wie das weitergeht. Wenn entscheidende Entwicklungen eintreten, werden wir einen Anschlussbericht veröffentlichen.