Ein Branche-Pionier auf dem Weg zur Zulassung einer CBG- Genetik als EU-Saatgut
Hohe, schneebedeckte Berge, dunkle Wälder und saftig grünes Gras; außerdem echt schöne Weideflächen für Kühe – doch bleiben wir lieber bei dem grünen Gras: Die Schweiz ist seit Jahren der Hauptproduzent für CBD-Blüten, viele Schweizer Grower haben sich schon lange auch auf EU-zertifizierte Nutzhanf-Genetiken spezialisiert, die dann auch exportiert werden dürfen.
Da in der Schweiz der zugelassene THC-Wert mit 1 % deutlich höher liegt als in der EU, dürfen die richtigen Leckerbissen, besonders was die Terpene und den CBD-Gehalt angeht, aber leider nur in der Schweiz verkauft werden. Der Nachteil an der EU-Gesetzgebung ist nämlich, dass offiziell nur Sorten importiert werden dürfen, die auch aus EU-zertifiziertem Saatgut angebaut wurden, selbst wenn der THC-Gehalt die Norm von <0,2 % THC erfüllt.
Viele Firmen versuchen daher natürlich, eine offizielle Zertifizierung als EU-weit zugelassene Nutzhanfsorte für ihr Saatgut zu bekommen: Ein Prozess, der oft Jahre dauern kann und mit vielen bürokratischen Ärgernissen versehen ist. Die meisten dieser Hersteller wollen ihre Sorten natürlich primär wegen dem guten Geschmack, dem garantiert hohen Ertrag oder dem Gehalt an Cannabidiol, kurz CBD, zertifizieren lassen. Es gibt aber auch Firmen, die komplett neue Wege gehen…
Cannabigerol: Der Neuling in der Branche
Neben CBD enthalten Cannabispflanzen noch viele weitere Bestandteile, darunter eine Vielzahl von Cannabinoiden (wie beispielsweise THC und CBD), die immer weiter erforscht wird. Ein sehr interessantes Cannabinoid, was in den letzten Jahren immer mehr Aufmerksamkeit bekommen hat, ist Cannabigerol, kurz CBG. Cannabigerol ist ein Baustein, aus dem die Pflanze im Verlauf der Blütephase weitere Cannabinoide bildet.
Daher wird dieses Cannabinoid auch oft als eine Art „Vorstufe“ für andere Cannabinoide bezeichnet. Aufgrund dieser Eigenschaft enthalten normale, reife Cannabisblüten nur noch einen Bruchteil an CBG, da es bereits in andere Cannabinoide umgewandelt wurde. CBG selbst ist nicht psychoaktiv, wurde aber bereits mehrfach in medizinischen Studien untersucht: CBG hat nachgewiesenermaßen eine antibiotische Wirkung und wirkt bei Menschen übelkeitshemmend.
Eine Person, die sich schon seit Jahren mit dem Thema Cannabigerol auseinandersetzt, ist der Schweizer Unternehmer Matthias Ghidossi, Geschäftsführer von SwissCannabinoids. Seine Firma hat sich auf die Zucht und Selektion von CBG-Genetik spezialisiert und in der Schweiz bereits eine Sorte herausgebracht, die einen fast schon unglaublichen CBG-Gehalt von bis zu 16 % aufweist.
Hanf Magazin: CBG ist erst seit Kurzem ein Begriff in der Cannabisbranche. Was sind Deiner Meinung nach die Vorteile von CBG?
Matthias Ghidossi: Cannabigerol ist erst seit Kurzem auf dem Markt, da es vorher an Sorten mangelte. Nachdem leckere CBD-Blüten zum Rauchen auf dem Markt sind, erwarten die Kunden eine Blüte, die den CBD-Blüten ähnlich ist, d.h. kompakt, mit Harz bedeckt, gut zu rauchen usw. Also CBG-Blüten mit vielleicht nur 5 – 6 % Wirkstoff auf den Markt zu bringen, macht überhaupt keinen Sinn, besonders wenn die Blüten dann immer noch wie eine typische Nutzhanfblüte aussehen.
Meine Arbeit bestand also erst mal darin, den CBG-Wert von anfänglich 6 % auf 15 % und sogar mehr CBG in der Blüte zu bringen, sowie das Aussehen, den Ertrag und das Terpenprofil stark zu verbessern. Diese Arbeit dauerte 2 Jahre. Die Vorteile der CBG-Sorten sind sehr interessant: Auf der einen Seite gibt es für den Züchter die Gewissheit, dass die CBG-Sorten die EU-THC-Werte einhalten. Diese liegen in Italien ja bei 0,6 %, im Rest der EU zwischen 0,2 und 0,3 %. Die CBG-Sorten enthalten dieses Molekül, weil der Pflanze ein Enzym fehlt, eine Anomalie, die dazu führt, dass die Pflanze zwar das Mutter-Cannabinoid, also CBG, produziert, sich dann aber nicht in andere Cannabinoide umwandeln kann, weil ihr ein Enzym fehlt, das das Molekül umwandelt.
Auf medizinischer Ebene ist bekannt, dass es als Schmerzmittel helfen kann, aber auch als Entzündungshemmer, als Hungerstimulanz und auch das Wachstum von Tumorzellen hemmt. Da sich die Studien im Moment hauptsächlich auf THC und CBD konzentrieren, werden die Möglichkeiten des Einsatzes von CBG im medizinischen Bereich sicherlich erweitert werden, wenn sie den Nutzen für andere Krankheiten erst nachgewiesen haben.
Hanf Magazin: Du beschäftigst Dich schon seit einigen Jahren mit Cannabis. Wann bist du auf die Idee gekommen, das Ganze professionell zu machen?
Matthias Ghidossi: Seit ich mich entschlossen habe, die Gartenbauschule zu besuchen, habe ich mir gesagt, dass Cannabis mein Beruf sein würde. Damals war ich 19 Jahre alt, jetzt bin ich 39. Zu der Zeit waren wir in der Schweiz in der Ära der Hanfpflanzer, das hat mich angetrieben, aber dann hat sich der Wind hier in der Schweiz schnell gedreht, und innerhalb von einem Jahr haben alle Läden und Grower dichtgemacht, mit vielen Verhaftungen und Prozessen gegen Grower und Züchter, die bis eben noch in Ruhe gearbeitet haben. Das war 2003, in diesem Jahr habe ich mein Gartenbaudiplom bekommen. Bis 2014 habe ich illegal THC angebaut und wurde wegen unerlaubten Anbaus und unerlaubten Besitzes von Cannabis verurteilt.
2011 trat das Gesetz, das die Verwendung von Hanf zu medizinischen Zwecken erlaubt, in Kraft. Schade, dass das Bundesamt für Gesundheit in Bern dem Ganzen einen eigenen Anstrich geben wollte, um die Verwendung durch Patienten zu verhindern. Es reicht schon, wenn man bedenkt, dass sie seit Jahren nur die Verwendung von Tinkturen mit 2,5 % THC und 2,5 % CBD vorschreiben, eine Schande für ein Land wie die Schweiz! Ein Vorbild wäre hier das deutsche System, das die Verwendung von Blüten erlaubt, die vom Gesundheitssystem bezahlt werden, während in der Schweiz die Tinktur am Anfang von den Patienten bezahlt werden müssen, mit exorbitanten Kosten, auch weil es seit Jahren nur einen Hersteller gibt… In der Tat waren die Preise übertrieben hoch!
Ich hatte daher einen Rechtsstreit mit dem Bundesgesundheitsamt, weil sie mir die Zulassung nicht geben wollten, obwohl ich einen Vertrag mit einem Apotheker über 3 kg reines THC pro Jahr hatte. Im Jahr 2014 ging ich krank und müde zu Carmagnola, um meine erste Tüte mit industriellen Hanfsamen zu bekommen. Von diesem Jahr an begann die Arbeit an CBD, mit mehreren Kollaborationen und Projekten. 2016 selektierte ich die erste Pflanze zu CBG, und von da an widmete ich mich fast ausschließlich der Entwicklung der Genetik.
Hanf Magazin: Was sind die interessantesten Aspekte von CBG?
Matthias Ghidossi: Wie bereits erwähnt, wird das CBG für europäische Züchter eine grundlegende Wahl sein, um sicher zu sein, dass in erster Linie die THC-Werte eingehalten werden. Aus meiner Erfahrung habe ich nie eine CBG-Blüte (meiner Sorten) mit über 0,18 % THC gesehen… Und wir haben echt schon hunderte Analysen durchgeführt! Wenn es also eine Pflanze gibt, die eine Zukunft für den Blütenanbau in der EU haben wird, dann ist es das CBG, das mehr Zukunft hat. Auch deshalb, weil wir inzwischen bei CBG-Sorten ein Niveau an Terpenen erreicht haben, um das uns manche CBD-Sorten schon beneiden sollten!
Hanf Magazin: Sind Deine Sorten bereits im EU-Katalog zu finden?
Matthias Ghidossi: Die als Perugina CBG eingetragene Sorte Matterhorn wurde beim CPVO zur Erlangung von Züchterrechten eingetragen, die erfolgreich erlangt wurden. In den Niederlanden testeten sie die Sorte mit Stecklingen in 2 verschiedenen Blütezyklen, um die Sorte zu verifizieren.
Nachdem die beiden agronomischen Versuche bei der Stiftung Naktuinbouw durchgeführt wurden, könnte man den von ihnen erstellten Bericht für die Eintragung in die nationale Liste verwenden, dann in die europäische. So jedenfalls die Theorie. In der Praxis wandte ich mich an die Stelle, die die Pflanzen auf nationaler Ebene immer in den Niederlanden registriert, aber mit Erstaunen baten sie mich, auf die Registrierung zu verzichten! Die dreiste Begründung:
„Der Faserertrag Ihrer Sorte muss höher sein als 97 % des Durchschnitts der 3 meist angebauten Sorten, die in den Niederlanden gelistet sind.“
Jeder, wirklich jeder weiß, dass meine innovativen Sorten alles haben, nur keinen hohen Fasergehalt. Ich denke, dass die drei Akteure, die an der Registrierung von Hanfsorten beteiligt sind, ernsthafte Probleme haben, ich habe ihnen auch schon mehrere E-Mails geschickt, um sie darauf hinzuweisen, was ich denke.
Seit Jahren gibt es in Europa viele Wirtschaftszweige, die Industriehanf für andere Zwecke als Fasern anbauen. Die Anforderungen sollten also schnell angepasst werden! Ich habe den Leuten dort auch mitgeteilt, dass ich meine Anmeldungen zurückziehen werde, wenn sie das System nicht schnell aktualisieren. Dann wird die Sorte eben in den USA angemeldet, wo die Behörden Registrierungen von Hanfsorten für Biomasse, Ölproduktion, für die Extraktion von Cannabinoiden, für CBD oder andere spezifische Cannabinoide oder andere zu spezifizierende Zwecke erlauben. Ich habe das Gefühl, dass meine Arbeit gefördert und nicht behindert werden sollte. Zurzeit habe ich weitere Anmeldungen für 2 neue Sorten eröffnet, die als feminisierte Samen registriert werden sollen.
Hanf Magazin: Produziert die Sorte Matterhorn die 16 % CBD nur unter Kunstlicht oder auch im Freiland?
Matthias Ghidossi: Meine Matterhorn-Sorte wurde im Freien gezüchtet, daher erreicht sie im Freien also auch 16 %. Der höchste gemessene Wert bisher waren übrigens 18 %, im Bundesstaat Meryland in den USA. Normalerweise liegt der Wert bei über 10 % im Freilandanbau. Wenn der Wert nicht über 10 % liegt, kann es sein, dass es ein Problem beim Anbau gab, beispielsweise eine zu frühe Ernte, was vielen Growern immer noch häufig passiert.
Hanf Magazin: Hattest Du jemals Probleme mit dem Zoll?
Matthias Ghidossi: Ich hatte nur Probleme mit dem Zoll, wenn ich Samen aus der Schweiz verschickt habe, was ich jetzt nicht mehr tue, ich benutze jetzt Partnerfirmen in Europa für den Versand.
Hanf Magazin: Wie viele Jahre hast Du ungefähr gebraucht, um eine stabile Genetik zu bekommen?
Matthias Ghidossi: An unserer ersten CBG-Genetik haben wir ca. zwei Jahre lang getüftelt. Die Herstellung einer wirklich stabilen Sorte dauert, abhängig von der Qualität, mit der man den Prozess beginnt, immer einige Jahre.
Hanf Magazin: Du hast vorhin die USA erwähnt. Hast Du dort bereits eine Zusammenarbeit?
Matthias Ghidossi: In den USA habe ich eine Partnerschaft mit einem der Giganten des Saatgutmarktes, High Grade Hemp Seed in Colorado und IHEMPX Partnerunternehmen, das mich gescoutet hat, wir machen auf jeden Fall sehr gute Sachen mit den beiden! Im Laufe der Jahre habe ich Dutzende von Angeboten aus allen Ecken der Welt erhalten, und ich muss zugeben, dass mich das nicht nur erfreut, sondern auch zu noch besserer Arbeit angeregt hat.
Hanf Magazin: Hast Du noch konkrete Pläne für die Zukunft?
Matthias Ghidossi: Ich bin jemand, der nie zufrieden ist! Auf jeden Fall will ich mich immer verbessern. Nächstes Jahr werde ich neue Sorten mit CBG herausbringen, die sehr fruchtig sind, dann wird auch das CBDV nächstes Jahr in Form von feminisiertem Saatgut herauskommen. Ich arbeite auch an anderen Pflanzen mit anderen Cannabinoiden wie CBC, CBCV und CBGV.