Hanf Magazin: Was hat sich für die Cannabiskonsumenten seit den 70er-Jahren geändert?
Jean-Pierre Galland: Die Wahrnehmung der Leute als Cannabisliebhaber. Man zählt nicht mehr die Websites und militanten Blogs, die dieser für den Planeten so nützlichen Pflanze gewidmet sind. Auch ist Frankreich das Land Europas mit den meisten jugendlichen Konsumenten.
Schon vor langer Zeit hat der Circ (Commité d’informations et de recherches cannabiques = Komitee zur Information und für die Erforschung von Cannabis) die Cannabisfreunde im Namen der Risikoreduzierung zur Selbstversorgung angeregt und nach einer Untersuchung, die vor 10 Jahren gemacht wurde, würden ca. 200.000 Anbauer jährlich 30 Tonnen/Jahr anbauen. Einer von 9 gerauchten Joints wäre made in France und zurzeit gibt es mehr als 400 Läden, die nicht nur das Material zur Heimkultivierung, sondern auch den Samen anbieten, und seit Kurzem auch für CBD.
Die Gesetzgebung hat sich in die richtige Richtung entwickelt, mit der Legalisierung des Genussmittels jenseits des Atlantiks und der immer toleranteren und pragmatischeren Politik in Europa. Wie eine kürzlich durchgeführte Umfrage zeigt, ändert sich die Meinung der Franzosen, und zum ersten Mal sprechen sich 51 % der Franzosen für eine geregelte Legalisierung aus, eine Zahl, die sich auf 81 % erhöht, wenn es um den medizinischen Gebrauch von Cannabis geht.
Hanf Magazin: Können Sie mir was über die Prävention von Drogen in Ihrer Jugend sagen?
Jean-Pierre Galland: In meiner Jugend, also in den 70er-Jahren, war noch diese Eskalierungstheorie aktuell. Der Cannabisraucher war die Beute böser Dealer, deren einziges Ziel es war, die Schwächsten abhängig zu machen. Entweder warst du krank oder kriminell, du hattest keine Wahl! Cannabis wurde als der Fluch der Jugend angesehen und es ist es auch noch heute im Mund der Wissenschaftler am Sitz der Académie Nationale für Medizin oder von konservativen Politikern.
Hanf Magazin: Wo befinden wir uns, Ihrer Meinung nach, heute in Frankreich?
Jean-Pierre Galland: Die Verfechter der Prohibition haben keine gültigen Argumente mehr. Wenn früher eine politische Persönlichkeit oder ein Mediziner für die Legalisierung Stellung bezogen hatte, haben sich die Abgeordneten der Rechten auf ihn gestürzt und ihn als unverantwortlich beschimpft. Heute hört man sie nicht mehr, es sei denn sie heucheln, sind taub oder verfolgen böse Absichten; jedenfalls muss man feststellen, dass der Krieg gegen die Droge verloren ist. Als wir Circ gründeten, waren wir davon überzeugt, dass die Mauer der Prohibition ebenso fallen würde wie die Berliner Mauer, nämlich unterminiert von Innen. Dass es im 21. Jahrhundert, wenn nicht legalisiert, zumindest straffrei bliebe.
Alles, was die Regierung 2018 gefunden hat, um unsere Jugend vor den Verheerungen des Cannabis zu schützen, dessen THC-Gehalt immer weiter zunimmt, nach Meinung der Prohibitionsvertreter mittlerweile eine harte Droge, ist, die ursprünglich fürs Rauchen vorgesehene Gefängnisstrafe (1 Jahr Gefängnis und 3.750 Euro Geldstrafe) durch ein Bußgeld von 300 Euro zu ersetzen. Diese neue Maßnahme betrifft nicht die Minderjährigen und wird auch nicht im Wiederholungsfalle angewandt, eine Maßnahme, die im Übrigen von allen Polizeigewerkschaften geschätzt wird, die aber von den Konsumentenvereinigungen und den Akteuren der Risikominderung abgelehnt wird. In Frankreich ist die Repression immer noch aktuell, aber da bin ich optimistisch, denn Vernunft und Pragmatismus werden Unwissenheit und Unredlichkeit überwinden.
Hanf Magazin: Was waren Ihre Beweggründe „Fumée clandestine“ (in etwa ‚illegaler Rauch‘, oder besser ‚schwarzer Rauch‘) zu schreiben?
Jean-Pierre Galland: Ich hatte zwei Leidenschaften im Leben, das Schreiben und Cannabis. 1988 wurde ich Vater. Ich hatte einige Kriminalromane geschrieben und war auch am Schreiben von Szenarien beteiligt, aber das brachte nicht genug zum Leben; außerdem kam ich am Monatsende über die Runden, indem ich meinen Freunden zu fairen Preisen einwandfreies Cannabis verkaufte. Weil ich wegen meines Sohnes keine unbedachten Risiken mehr eingehen wollte, schlug ich meinem Herausgeber (dem ich gelegentlich ebenfalls Shit verkaufte) vor, ein enzyklopädisches Buch über dieses Thema zu schreiben – und er akzeptierte, ohne mir im eigentlichen Sinne die Mittel dafür bereitzustellen. Zu der Zeit hatte ich keinen Computer, und ich arbeitete sehr viel nachts in Büros, die man mir dafür überließ. Je mehr ich vorankam, desto schneller begriff ich, dass die Bestrafung dieser Pflanze ein Irrweg war. Eigentlich war es ein sehr schönes Abenteuer mit vielen Begegnungen und Entdeckungen. Als „Fumée clandestine“ herauskaum, wurde ich von „Nulle part ailleurs“ (‚Nirgendwo anders‘), einer sehr populären Talkshow von Canal Plus eingeladen … In dieser Dynamik haben wir dann mit einigen Freunden während der Redaktion des Buches eine Assoziation gegründet, eben Circ. Fumée clandestine wurde sehr schnell die pazifistische Waffe der Kämpfer für die Legalisierung.
Hanf Magazin: In welchem Maße wurden Sie mit dem Gesetz von 1970 konfrontiert?
Jean-Pierre Galland: Das Gesetz von 1970 in Bezug auf „die Gesundheitsvorsorge im Kampf gegen die Rauschgiftsucht und zur Repression des Handels und des illegalen Missbrauchs giftiger Substanzen“, das am 31. Dezember kurz vor Mitternacht angenommen wurde, enthält einen unveröffentlichten Artikel (Artikel L. 630), der die wohlwollende Darstellung ebenso wie die Provokation und den Anreiz zum Gebrauch von Rauschmitteln bestraft. Nachdem der Circ durch den „Internationalen Tag der Information über Cannabis“ mit Persönlichkeiten aus der ganzen Welt berühmt geworden war – darunter der unumgängliche Jack Herer – hat sich die Polizei plötzlich für unseren Verein interessiert.
Dann 1994, als wir dank Minitel (ein Apparat für interaktiven Bildschirmtext, der damals in Frankreich populär war), das uns erlaubte über die Vorzüge von Cannabis zu informieren und uns genug Geld einbrachte, um einen Laden zu mieten und ein Fanmagazin zu produzieren („le double-Zéro“ – ‚die doppelte Null‘, Anspielung auf reinstes Haschisch), wurden wir von der Rauschgiftbrigade einberufen, dann vor Gericht, wo ich (als Repräsentant des Circ) zu sechs Monaten mit Bewährung und 30.000 Francs Geldstrafe verurteilt wurd Weitere Prozesse folgten, weil ich z. B. den Appell zum 18. Juni (im Frz. wird Juin=Juni wie Joint) organisiert habe, die jährliche öffentliche Versammlung für die Legalisierung von Cannabis, oder weil ich allen unseren 577 Parlamentsabgeordneten einen Joint verteilt hatte, um sie zur Eröffnung der Debatte zu reizen. Ich wurde noch achtmal verurteilt, aber auch andere Verantwortliche im Hinterland und sogar Repräsentanten anderer Organisationen oder von politischen Parteien, die uns unterstützt haben, z. B. die Grünen. Magazine oder Zeitungen über Cannabis ist rar in Frankreich.
Hanf Magazin: Was sind die Schwierigkeiten, denen man begegnet, wenn man in Frankreich eine Zeitung wie RBH23 – La Gazette du Chanvre? (‚das Hanfblatt‘) herausgeben will?
Jean-Pierre Galland: 1995 kommt „l’Eléphant Rose“ raus, ein Magazin von Leuten, die nicht militant waren. Drei Nummern später wird das Magazin aus den Kiosken verbannt und sein Chefredakteur 1996 zu 18 Monaten Gefängnis auf Bewährung und 300.000 Francs Geldstrafe verurteilt, und zwar wegen einer „wohlwollenden Darstellung“, die schwerste Strafe, die jemals im Namen des unveröffentlichten Absatzes L 630 gefordert wurde. Heutzutage könnte man wohl den Coup wagen, aber ein richtiges Magazin herauszugeben, erfordert große finanzielle Mittel und es ist nicht sicher, dass die Organisation, die sich um die Belieferung der Kioske kümmert, mitmacht. Das sind nun zwanzig Jahre, dass der Circ und andere, z. B. die Liga für Menschenrechte, die Aufhebung dieses Gesetzesartikels fordert, der die Ausdrucksfreiheit schwer schädigt (Galland benutzt hier Vokabeln, die zur Warnung auf den Zigarettenpackungen stehen).