Vor etwa drei Wochen hatte Karl Lauterbach das Eckpunktepapier für die Legalisierung von Cannabis als Genussmittel in einer Bundespressekonferenz veröffentlicht und bekannt gegeben, dass das Schriftstück nun der Europäischen Kommission für die Begutachtung und eine Rückmeldung vorgelegte werde. Während sich also viele kluge Köpfe in Brüssel mit den möglichen Rahmenbedingungen auseinandersetzen, mit denen der legale persönliche und auch der geschäftliche Umgang mit Cannabis künftig geregelt werden könnte, wird natürlich auch in der Bevölkerung über die Eckpunkte diskutiert.
Grünhorn beschäftigt sich schon seit Jahren mit Cannabis, sei es mit bereits heute frei verfügbaren Hanfprodukten oder aber auch durch die Versorgung von Patienten mit Medizinalcannabis. Als Apotheke wäre Grünhorn bei einer Legalisierung von Cannabis auch unmittelbar betroffen, da die Apotheken mögliche Abgabestellen werden könnten. Grünhorn hat sich darum eingehend mit dem Thema, insbesondere auch mit dem Eckpunktepapier auseinandergesetzt und eine ausführliche Stellungnahme dazu verfasst, welches hier nachgelesen werden kann: gruenhorn.de. Wir konnten einige Fragen zu dieser Erklärung und der Cannabislegalisierung an den Gründer und CEO von Grünhorn, Stefan Fritsch, richten.
Hanf Magazin: Die Bundesregierung hat am 26. Oktober einige Details zu den denkbaren Rahmenbedingungen einer Legalisierung und Regulierung von Cannabis bekannt gegeben. Zu dem Eckpunktepapier, welches Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach bei der Bundespressekonferenz vorgestellt hat, hat die Grünhorn-Apotheke eine Stellungnahme veröffentlicht. Bist Du als Mensch, aber auch Grünhorn als Unternehmen, grundsätzlich politisch engagiert?
Stefan Fritsch: Weder persönlich noch mit dem Unternehmen Grünhorn war ich je politisch engagiert. Was die Diskussion rund um die Legalisierung und die bisher veröffentlichten Eckpunkte mir allerdings zeigen, ist, dass es jetzt Zeit wird, sich einzumischen und fehlende Aspekte mit in diese Diskussion einzubringen. Wir sind seit Jahren vertraut mit einem verantwortungsvollen Umgang mit Cannabis und dessen Abgabe. Wir als Unternehmen haben viele Erfahrungen gesammelt und kennen die Herausforderungen. Viele dieser Aspekte sehe ich aktuell nicht im Eckpunktepapier und so erschien es uns der richtige Zeitpunkt zu sein, um unseren Beitrag zu leisten und unsere Position klar zu formulieren.
Hanf Magazin: Was hat Dich dazu bewegt, diese Stellungnahme zu verfassen? Was war der treibende Gedanke dahinter?
Stefan Fritsch: Nach der Präsentation des Eckpunktepapiers haben mich vielfältige Gedanken umgetrieben – positive wie negative. Grundsätzlich freue ich mich natürlich, dass sich die deutsche Politik mit der Legalisierung von Cannabis auseinandersetzt und allgemein in Deutschland eine Diskussion zu diesem Thema in allen Bevölkerungsschichten gestartet ist. Weiter so!
Meine Sorge ist, dass Deutschland die Legalisierung von Cannabis in dieser bisher geplanten Form gegen die Wand fährt. Zum Beispiel ist bereits heute klar, dass das Cannabis-Angebot aus deutschem Anbau den Bedarf nicht decken kann und dass der Aufbau einer solchen Bedarfsmenge Jahre dauern wird. Zusätzlich spricht kaum jemand über die Energiekosten, die auf die Branche zukommen, wenn wir den Bedarf ausschließlich über einen deutschen Anbau decken müssten. Ein gut funktionierendes und kontrolliertes Importwesen von Cannabis bleibt dringend notwendig.
Ebenfalls nicht berücksichtigt wurden die bereits bestehenden und funktionierenden Möglichkeiten des Onlinehandels. Ohne den Onlinehandel wird es zu großen Verteilungsproblemen kommen. Die favorisierten Abgabestellen – also Legal Stores – wird es nur in größeren Städten geben. Kleinstädte und ländliche Gebiete werden vor allem in den ersten Jahren unterversorgt, aber weiterhin vom Schwarzmarkt abgedeckt sein. Hier kann der Onlinehandel helfen! Ein positiver Aspekt ist die Chance, die wir alle hier haben. Wir haben derzeit über 70 verschiedene Sorten auf unserer Website, was meines Erachtens die größte Auswahl weltweit ist (da andere Länder den Onlinehandel nicht erlauben). Deutschland hat die Möglichkeit einen neuen Weg zu gehen und das erste Land zu sein, welches den Schwarzmarkt wirklich ausgetrocknet!
Hanf Magazin: In Deinen Ausführungen begrüßt Du zunächst, dass die Regierung in ihrem Vorhaben der Legalisierung nun einen großen Schritt nach vorn gemacht hat. Wäre die Grünhorn-Apotheke interessiert und bereit, sich auch am Handel von Cannabis als Genussmittel zu beteiligen?
Stefan Fritsch: Selbstverständlich! Wir haben in den vergangenen 2 Jahren so viele Erfahrungen gesammelt, sind vertraut im Umgang mit Cannabis, mit Qualitätssicherung, Forschung, mit Lagerung, nachhaltiger Aufbewahrung, mit Versand von BtM und vieles mehr. All das wollen wir natürlich auch in einen legalisierten Cannabis-Markt einbringen. Wir hoffen auf weitere Darreichungsformen in der Zukunft!
Hanf Magazin: Ihr betont die Wichtigkeit einer konstant guten Produktqualität. Im Tagesgeschäft der Grünhorn-Apotheken habt Ihr natürlich Umgang mit Cannabis in pharmazeutischer Qualität. Was glaubst Du, inwiefern können diese Qualitätsmaßstäbe auch Messlatte für Cannabis als Genussmittel sein? Und in welchen Belangen muss der Freizeitkonsument mit Abstrichen rechnen?
Stefan Fritsch: Sicherheit und Qualität sind zwei verschiedene Aspekte. Die pharmazeutische Qualität hat mehr ein Auge auf Reinheit und Sicherheit, als auf Qualitätsmerkmale, die man als Cannabis-Konsument betrachtet. Zum Beispiel sind alle Produkte sehr steril angebaut und haben eine hohe mikrobielle Qualität. Leider haben aber viele Hersteller kein Auge für Strains, Terpene, Geruch, Feuchtigkeit etc. Ich finde die Qualität von Cannabis in Deutschland sehr unterschiedlich, aber es geht in die richtige Richtung. Viele Player kommen dazu, was dazu führt, dass der Anspruch auf Qualität steigt. Wir sind auch dran, Hersteller zu finden, die nicht nur die Pharma-Qualität erreichen, sondern auch Cannabis-Qualität.
Hanf Magazin: Ein Schwerpunkt Eures Papers sind der Vertrieb und die Strukturen dahinter. Noch ist ungewiss, ob man Cannabis auch online wird erwerben können. Wie stehst Du zu Cannabis-Onlineshops? Sind sie notwendig, um den Schwarzmarkt effektiv auszutrocknen?
Stefan Fritsch: Aus meiner Sicht ist es heutzutage absurd, den Onlinehandel nicht zu betrachten und nicht in die Überlegungen einer sicheren Legalisierung einzubeziehen. Der Handel im Allgemeinen verlagert sich immer mehr in den digitalen Raum – jedes Produkt kann man mittlerweile online erwerben und die Umsatzzahlen steigen und steigen. Ausgerechnet bei der Legalisierung von Cannabis findet dieser Aspekt keine Beachtung. Ich bin überzeugt, wir können den Onlinehandel auch nach der Legalisierung nicht dem Schwarzmarkt überlassen, sondern müssen ihn sicher für alle Beteiligten gestalten und das geht nur mit Regularien, die die Politik schaffen muss.
Hanf Magazin: Welche Mechanismen wären denkbar, um im Bereich Onlinehandel den Jugendschutz sicherzustellen und wie kann allgemein eine gute Beratung erfolgen?
Stefan Fritsch: Bereits heute wäre Grünhorn in der Lage, den Jugendschutz zu garantieren. Wir nutzen das Postident-Verfahren; das heißt, der Paketbote übergibt das Paket nur an den adressierten Kunden und nur durch Vorlage eines gültigen Ausweispapiers. Eine Abgabe an Jugendliche, egal ob unter 18 oder 25 Jahre (je nach Gesetzeslage) wäre also ausgeschlossen. Zudem bieten wir bereits heute telefonische Beratung durch erfahrene Pharmazeuten an. Jeder kann sich auf unserer Webseite einen telefonischen Beratungstermin buchen und erhält Auskunft zu allen pharmazeutischen Fragen rund um Cannabis. Ein Service, den wir gerade zum Start der Legalisierung stark ausbauen würden, damit Patienten und Kunden rundherum gut informiert sind.
Hanf Magazin: Nun eine Frage nach Deiner persönlichen Einschätzung. Wie siehst Du den Legalisierungsprozess in Deutschland weiter ablaufen? Rechnest Du mit dem Erfolg?
Stefan Fritsch: Ich hoffe auf einen Erfolg. Die Augen der Welt und vor allem innerhalb Europas sind auf uns gerichtet. Jeder will wissen, ob Deutschland diese Aufgabe meistert und ob es Vorbild für weitere Länder werden kann. Wir dürfen das Projekt nicht scheitern lassen. Leider sehe ich, dass der Schwarzmarkt, durch die Eckpunkte von Lauterbach, komplett geöffnet und die Nachfrage durch eine Legalisierung nicht gedeckt wird. Ohne ausreichende Ware und optimierte Vertriebskanäle, führt es zu einer Erhöhung der Käufe im Schwarzmarkt. Wenn man diese Tür öffnet, muss sie komplett offen sein. Es darf nicht sein, dass die Kriminellen durch den Spalt schlüpfen, aber Unternehmen, welche sich an Regeln halten müssen, schaffen es nicht hindurch.
Hanf Magazin: Ich will zum Abschied nicht den Teufel an die Wand malen, doch noch besteht die Möglichkeit, dass die Legalisierung an der einen oder anderen Hürde scheitert – Stichwort EU, UN oder Bundesrat. Siehst Du trotzdem Raum und Möglichkeiten für positive Entwicklungen? Für wie wahrscheinlich hältst Du zum Beispiel, dass es Entkriminalisierungen geben wird, wie es insbesondere die neue Regierungskoalition in Niedersachsen plant?
Stefan Fritsch: Ich bin kein Freund von kleinteiligen Lösungen. Cannabis muss raus aus der Schmuddelecke, es sollte anerkannt werden als Heilpflanze und als Genussmittel. Wir müssen Aufklärung betreiben, über Risiken informieren und weiter für die Vorteile kämpfen. Wir müssen weiter an den Wirkweisen forschen und Patienten unterstützen. Lasst uns vorwärtsgehen und nicht nur begrenzt denken. Erwachsene sollten vollumfänglich das Recht auf Selbstbestimmung haben, auch in dieser Frage.
Ich hoffe, dass eine Genehmigung durch die EU und UN kommt. Allerdings sehe ich ein Herunterstufen von BTM auf verschreibungspflichtig als rechtlich einfacher und wahrscheinlicher. Wenn Cannabis kein Betäubungsmittel mehr ist, wird es auch nicht mehr so streng von der Polizei gefolgt und die Ärzte hätten nicht die Angst, es zu verschreiben. Das wäre für mich wahrscheinlicher, aber auch ein guter Schritt in die richtige Richtung. Wie zuvor erwähnt, ich hoffe aber, dass eine vollständige Legalisierung kommt!