Aus den öffentlichen Diskussionen und politischen Debatten um Cannabis wissen wir, dass bereits ein großer Teil der Bevölkerung damit Kontakt hatte. Damit ist allerdings nur der Kontakt mit der Pflanze als Mittel zum Rausch gemeint. In der Realität spielt Hanf auch in so vielen Lebensbereichen eine Rolle, in denen wir ihn nicht bewusst wahrnehmen. Die Fotografin Maren Krings hat die Pflanze beinahe zufällig von einer ganz anderen Seite kennengelernt.
Nachdem ihr über die Vielseitigkeit von Cannabispflanzen die Augen geöffnet wurden, tauchte sie weit tiefer ein in ihren kulturellen, landwirtschaftlichen und praktischen Gebrauch. Ihre Reisen hat Maren stets mit der Kamera begleitet und so eine lebendige Dokumentation geschaffen von der Bedeutung der Hanfpflanze für Menschen aus aller Welt. In einem Bildband möchte sie uns mitnehmen und ihre Faszination näher bringen. Wir sprechen mit Maren über ihre Eindrücke und Erfahrungen, aber auch über die Entwicklung ihrer eigenen Betrachtungsweise der Cannabispflanze auf einem Weg durch viele Länder.
Hanf Magazin: Berichte von Deinem ersten Kontakt mit Hanf, mit Herrn Schönthaler. Was dachtest Du, als Du begriffen hast, dass er als Rohstoff für Ziegel auch Hanf verwendet, das gleiche Material, das als Droge diskutiert wird?
Maren Krings: Das war am 25.07.2016, ein Tag, den ich nie mehr vergessen werde. Wie wegweisend das Kennenlernen mit Werner Schönthaler sein würde, war mir damals noch gar nicht bewusst. Ich lernte ihn bei einer Reportage für ein Magazin, in seinem Heimatort Tschengls, im Südtiroler Vinschgau kennen. Er erzählte mir, dass er Hanfbauer ist. Ich konnte das nicht einordnen und machte einen blöden Kommentar. Dass Hanf nicht gleich Marihuana ist, lernte ich erst im weiteren Gespräch mit Werner, der mich zu sich auf seinen Bergbauernhof Castelatsch einlud. Dort dämmerte mir, dieser Südtiroler ist kein Spät-Hippie, sondern ein Pionier. Was er mir zeigte und erzählte, hatte rein gar nichts mit der Droge zu tun. Seinen Hof hatte er mit Bausteinen aus Hanf saniert, was mich restlos begeisterte.
Die lange Liste an Dingen, welche man aus Hanf herstellen kann, sprengte meine Vorstellungskraft und aus Skepsis beschloss ich der Sache auf den Grund zu gehen. So begannen meine immer noch anhaltenden Recherchen zum Hanf und meine Faszination wächst mit jedem weiteren Land, in dem ich mir Projekte von engagierten Menschen ansehe. Mittlerweile sind das 16 Länder in 2 Jahren und drei Monaten, die ich dokumentiert habe!
Hanf Magazin: Hast Du Marihuana immer eher locker gesehen, oder wurdest Du durch Erziehung oder Medien eher kritisch beeinflusst?
Maren Krings: Gestanden, ich habe mich in meiner Kindheit und Jugend eher wenig mit Drogen beschäftigt. Das Thema kam nur einmal für mich auf, als ich die Schule wechselte und es dort Drogenprobleme gab. Meine Eltern nahmen sich dem Thema sehr unkonventionell an und offerierten mir, gemeinsam zu Hause Drogen auszuprobieren. Das war mir eine Nummer zu bunt, dankend lehnte ich ab. Fortan bemühte ich mich, ihnen keinen Anlass zu geben, dieses Angebot erneut auszusprechen.
Marihuana galt als Einstiegsdroge und mehr Aufklärung dazu gab es nicht.
Hanf Magazin: Als Du die Reise begonnen hast, wusstest Du da, dass daraus ein Bildband entstehen würde?
Maren Krings: Nein, als meine Reise begann, hatte ich gerade meinen dritten Bildband veröffentlicht und suchte eine Pause vom Buchverlegen. 2,5 Monate später stolperte ich dann bereits über mein nächstes Buchthema. Am Anfang zollte meine Recherche mehr der Skepsis an dem, was Werner mir erzählt hatte. Mir wurde sofort klar, dass ich hier auf ein Thema von besonderem Interesse für die Menschheit gestoßen war.
Ein Gefühl, ein Sujet gefunden zu haben, das mich viel näher an meine persönlichen Themen der Nachhaltigkeit und des gesellschaftlichen Wandels herangebracht hatten, überkam mich. Die Menschen, die ich durch dieses Projekt treffe, sind ausnahmslos besondere Menschen, denen der Umgang mit Mutter Erde sehr am Herzen liegt. Sie alle sind bereit, steinige Wege zu gehen, um unsere entgleisten Praktiken wieder in eine harmonischere Bahn zu lenken. Dank dem Hanf und seinen Befürwortern fällt es mir leicht, die Strapazen, Mühen, Kosten und die viele Zeit in dieses Buchprojekt zu investieren. Ich hoffe, 2020 diese Arbeit publizieren zu können. Immer noch ist die Liste der zu besuchenden Länder, welche für die Geschichte des Hanfes bedeutungsvoll sind, sehr lang. Deswegen habe ich im Zeitraum vom 22.10. bis 18.11.2018 ein Crowdfunding laufen. Damit hoffe ich, Unterstützung bei der Fertigstellung zu bekommen. Interessierte können sich das Buch vorbestellen und somit ein Dankeschön in Form von meinen persönlichen Favoriten unter den Hanfprodukten sichern. Der Teaser zum Buch ist jedem Unterstützer des Crowdfundings sicher. Das Crowdfunding kann hier unterstützt werden: www.hanf-magazin.com/mk4
Hanf Magazin: Kann man das Fotobuch und die dahinter stehenden Bemühungen als Teil der Legalisierungsbewegung verstehen? Was kann das Buch und die Erfahrungen dahinter einem Betrachter mitgeben für seine Wahrnehmung der Hanfpflanze?
Maren Krings: Die Hanfpflanze war die erste domestizierte Pflanze des Menschen und begleitet uns geschichtlich seit 12.000 Jahren. Ihr Rohstoff wurde als Medizin, Nahrung, Kleidung und Baumaterial genutzt. Das uralte Wissen haben wir innerhalb der 75 Jahren Prohibition komplett verloren. Der Hanf spielt eine wichtige Rolle für die Gesundheit unseres Planeten, kann er doch Böden verbessern, CO₂ binden und nahezu überall wachsen. Mein Buch soll durch die Fotografien und die zweisprachigen Begleittexte (Englisch und Deutsch) einen einfachen Weg finden, mit den Vorurteilen, Missverständnissen und der immer noch anhaltenden Kriminalisierung aufzuräumen. Ich möchte transparent zeigen, wie umfangreich diese Pflanze in unser Leben einwirkt und wie vielseitig wir sie nutzen können. Dabei spielt neben dem Nutzhanf auch das Thema Marihuana und Medizin eine Rolle. Mein Ziel ist es, umfangreich und animiert Fakten zu liefern, damit jeder sich seine eigene Meinung zum Thema machen kann.
Hanf Magazin: Haben die Reisen Deinen Blick auf Cannabis weiter verändert? Wenn ja, in welcher Art und Weise?
Maren Krings: Das haben sie auf jeden Fall. Die Reisen für das Projekt waren immer ein Eintauchen in andere Kulturen mit sehr spezifischer Mission. Daher bin ich völlig fremden Menschen oft in tiefer Verbundenheit begegnet, was ich so vorher nicht kannte. Der Umgang mit Hanf ist weltweit ähnlich, in den meisten Ländern ist der Konsum von Cannabis illegal. Der Industriehanf ist grundsätzlich legal, unterliegt aber Bestimmungen, welche sich regional immer leicht voneinander unterscheiden und somit den Anbau für Bauern zu einer Herausforderung machen. Während in Europa derzeit die Nutzung eindeutig am stärksten im Bereich Lebensmittelhanf ist, so ist China der Vorreiter im Textilhanf. USA und Kanada dagegen sind führend im Bereich der medizinischen Nutzung, so auch Israel, wo man schon lange, bevor der Hanf bei uns sein Comeback hatte, umfangreiche Forschung betrieb.
Hanf Magazin: Was waren für Dich die interessantesten Kenntnisse oder Erlebnisse mit Cannabis auf den Reisen?
Maren Krings: Es fällt mir zunehmend schwerer, aus allen Geschichten „Best-ofs“ herauszufiltern. Sehr beeindruckt bin ich immer noch von meiner gerade abgeschlossenen Reise nach China. Die Offenheit und Transparenz vor Ort hat meinem Buch eine neue Dimension gegeben. Bisher war Textil der noch am wenigsten erforschte Teil meines Buches. Der Geschäftsführer des größten Hanf-Textilunternehmens Chinas, Herr Hongliang von Hempfortex stellte sich der Herausforderung zweier Filmteams (darunter auch Patagonia, welche für ihre Transparenz in der Herstellung bekannt sind) und mich für eine Woche durch das ganze Land zu begleiten, um die einzelnen Schritte in der Produktion von Hanfstoff zu sehen. Woanders wurde ich von einem der ehemals größten Drogendealer des Landes nach Hause eingeladen. Er erzählte mir seine komplette Lebensgeschichte und bat mich im Gegenzug nur darum, seinen Namen anonym zu halten. In Slowenien wurde ich bei den Hanfbauern der größten Genossenschaft des Landes wie ein Familienmitglied aufgenommen und durfte Blüten für die Gewinnung von Hanfessenz ernten. Dort kamen sich die unterschiedlichsten Charaktere bei der Ernte in friedlichster Mission näher, vom ehemaligen Soldaten bis hin zur alten Dame, die extra aus der Hauptstadt Ljubljana angereist war. Das war eine sehr berührende menschliche Erfahrung für uns alle. In den Niederlanden lernte ich dann, dass nur die Eingangstüre eines Coffeeshops legal, die Hintertüre, durch welche Cannabis in den Laden kommt, jedoch illegal ist. Die illegalen Waren werden allerdings besteuert. Das war eines der vielen Paradebeispiele, wie hilflos die Politik mit diesem Thema umgeht.
Hanf Magazin: In welchem Land empfandest Du den Umgang mit Hanf am schönsten, am interessantesten, am kuriosesten?
Maren Krings: Momentan zählen die Länder, welche das medizinische Cannabis erforschen und vorantreiben, sicherlich für viele Patienten zu den interessantesten. Dazu gehören derzeit Dänemark und Italien. Beide haben gerade Pilotprojekte zur Patientenbehandlung in Kliniken gestartet.
Am Kuriosesten zählt für mich die Schweiz derzeit. Dort läuft sehr viel. Hanf als Baustoff boomt und auch in der Textilbranche gibt es tolle Entwicklungen. Um das CBD herum ist es etwas chaotisch, es gibt Regeln, die nicht von allen eingehalten werden und so schießen CBD Shops wie Pilze aus dem Boden und verschwinden dann aber auch sehr schnell wieder. Das ist für die gesetzeskonformen CBD Produzenten nicht unbedingt von Vorteil. Wer durch Zürichs Innenstadt läuft, hat das Gefühl, er sei im grünen Viertel von Amsterdam. Auch Coffeeshops sind für deren Besitzer schwer zu steuern, da viele Gäste einfach ihr eigenes illegales Gras mitbringen und rauchen. Aber die Schweiz hat einen Vorbildcharakter, denn zumindest setzt man sich mit der Entwicklung auseinander.
Hanf Magazin: Wie wichtig ist Dir die Unterscheidung zwischen Nutzhanf und der berauschenden Variante? Wie denkst Du über den Konsum der Pflanze als Freizeitdroge?
Maren Krings: Ich finde es sehr wichtig, dass man den Unterschied versteht, wenn diese Hausaufgabe erledigt ist, dann glaube ich werden viele Ängste in Bezug auf die Hanfpflanze entfallen, da jeder für sich selbst entscheiden kann, welchen Weg er einschlagen möchte.
Hanf Magazin: Wie kam die Idee für das Feld-Projekt?
Maren Krings: Nach all den Recherchen möchte ich endlich selbst wissen, wie es ist Hanf anzupflanzen. Es reizt mich, die Produkte, die ich täglich esse, irgendwann einmal selbst produzieren zu können. Seien es die Hanfnüsse fürs Müsli oder das Öl für den Salat. Da gäbe es noch so viel mehr, was man aus Hanf machen kann. Eine Südtiroler Hanf-Bäuerin hat mir ein selbst gemachtes Pesto geschenkt und der Schwede David Appelgren servierte mir selbst gemachte Industrie-Hanfbutter, die köstlich schmeckte. Ein Selbsttest fürs Buch kann nicht schaden. Ich habe oft gehört, dass der Hanf sowohl Segen als auch Fluch sei, weil seine vielseitige Nutzung die Menschen nach dem Anbau zum Wahnsinn treibt. Nahrungsmittel, Textil oder eher die Blüte für CBD oder Tee. Darin kann man sich verlieren.
Hanf Magazin: Wie schwierig war es das Experimentierfeld zu organisieren, anzumelden etc.?
[su_label type=“info“ class=““]Maren Krings:[/su_label] Noch stecke ich in diesem Prozess vollständig drinnen. Bisher habe ich nur potenzielle Mitstreiter gefunden, einen in Deutschland, einen in Österreich und einen weiteren in Schweden. Es wird noch eine Weile spannend bleiben, bis ich mit Gewissheit sagen kann, wo ich mein Testfeld haben werde. Sobald das durch ist, wird dann der nächste Schritt kommen: die Bürokratie der Anmeldung.Hanf Magazin: In der Bad Langensalzaer Zeitung wird Dir der Satz zugeschrieben, dass die Pflanze ein Eintrittsticket in eine neue Welt sei. Was genau meinst Du damit?
Maren Krings: Es dämmerte mir bereits nach der ersten Einführung in das Thema durch Werner Schönthaler, dass die Hanfpflanze ein Wunder für unseren Planeten sein kann, wenn sie wieder an Bedeutung gewinnt. Nahrungsmittel, Textilien, Medikamente, das alles deckt die Grundbedürfnisse des Menschen ab. Noch dazu ist Hanf eine schnell wachsende, boten-regenerierende Pflanze, welche mehr CO₂ bindet, als sie es bei der Produktion der Endprodukte wieder abgibt. Das ist es, was wir benötigen, um das Steuerruder wieder in eine andere Richtung zu bewegen.Der Hanf hat mich seit Langem wieder dazu gebracht, groß zu träumen. Ganz im Sinne von Gandhis Zitat „lebe den Wandel, den du auf Erden sehen möchtest“. Mich haben schon immer die Themen der Humanität und des sozialen Engagements interessiert. Leider sind diese Themen einfach zu verlieren, wenn man ständig unter Zeitdruck steht, die To-do-Liste andauernd wächst, anstatt kürzer zu werden und Kosten konstant höher werden. Erstaunlich viele Menschen befinden sich gerade in einer Art Wandel, weg aus den Städten, hin zum eigenen Garten und zum Selbstversorgenden.
Das ist fast ein Trend geworden, der seine Wurzeln aber in einer unzufriedenen Gesellschaft hat, die langsam einsieht, dass der derzeitige Lebensstil uns bald in einer toten Betonwüste aufwachen lässt. Ich bin davon überzeugt, dass wir sehr viele unserer Umwelt- und Gesellschaftsprobleme mit der Wiedereinführung von Hanf angehen können.