Mit der Legalisierung hat sich der Cannabis-Konsum zu etwas Alltäglichem entwickelt, sagt Eduardo Blasina, Direktor des „Cannabis-Museums“ in Montevideo (Uruguay) im Exklusiv-Interview mit über die ersten acht Monate nach der Freigabe und dem einsetzenden „Weed“-Tourismus, der der Regierung dann doch ein Dorn im Auge ist. Was Blasina als überzogen erachtet, denn auch Urlauber sollen Apotheken-Gras erwerben dürfen, ist er überzeugt.
Hanf Magazin – Jan Marot: Was ist Ihre Bilanz nach den ersten knapp acht Monaten der Legalisierung von Cannabis in Uruguay?
Eduardo Blasina: Prinzipiell sehr gut, würde ich sagen. Nur die Nachfrage übersteigt gelegentlich das Angebot. Es gibt manchmal Engpässe bei der Versorgung, und die Apotheken, die Cannabis verkaufen, müssen dann ihre Kunden darauf hinweisen, sobald neue Blüten einlangen. Aber in den Monaten seit der Freigabe (Anm. 19. Juli 2017) gab es kein einziges Problem, sei es, was die Gesundheit der Konsumenten betrifft, oder die Sicherheit der Pharmazeuten, die es verkaufen. Für die gesamte Gesellschaft hat sich etwas, was anfangs teils mit Ängsten aufgefasst wurde, zu etwas Alltäglichem entwickelt. Die Bilanz ist daher absolut positiv.
Hanf Magazin – Jan Marot: Wie entwickeln sich die Zahlen der registrierten Konsumenten und derjenigen, die eine Lizenz für den Eigenanbau haben?
Eduardo Blasina: Aktuell, zum Stand von Anfang März 2018 waren es über 22.000 registrierte Cannabis-Konsumenten und über 8.250, die für den Eigenanbau zur Deckung des Eigenbedarfs Cannabis anbauen, eine Lizenz halten.
Hanf Magazin – Jan Marot: Konkret zum Apotheken-Cannabis in Uruguay. Es heißt, es ist um vieles besser, als das zuvor am Schwarzmarkt vertriebene Gras aus Paraguay, der gepresste „Paraguayo“. Können Sie das bestätigen?
Eduardo Blasina: Das, was am Schwarzmarkt nach Uruguay gekommen ist, und noch hereinkommt, ist zum einen stark Pestizid belastet. Anders das Cannabis in den Apotheken, es ist staatlich geprüft und frei von Schadstoffen. Aber es ist auch vergleichsweise mild, mit niedrigem THC-Gehalt, unter zehn Prozent. Der Effekt ist daher sehr verträglich, und der Geschmack meiner Meinung nach ausgesprochen gut. Der eher niedrige THC-Gehalt hat mit auch den Grund, dass neue Konsumenten, oder auch ältere Konsumenten, die keine oder kaum Erfahrung mit Cannabis haben, nicht vom Effekt überrascht werden. Eben für Einsteiger ist es schlichtweg ideal. Wer nun Gourmet-Sorten, Varianten, die stärkere Effekte haben bevorzugt, der kann diese selbst anbauen. Oder über ebenso legale Cannabis-Clubs im gemeinschaftlichen Anbau bekommen. Das Apotheken-Cannabis ist eben für jeden (Anm. ab 18 Jahren) frei verfügbar, sofern er sich absolut anonym registrieren lässt.
Hanf Magazin – Jan Marot: Was wollen Sie mit ihrem Museum erreichen?
Eduardo Blasina: In meinem Museum wollen wir Aufklären, über all die wunderbaren Möglichkeiten, die Cannabis bietet. Abseits des Rauchens, in der Medizin, in der Industrie die Fasern, Textilien, Biokunststoffe, Papier oder eben in der Ernährung oder der Kosmetik. Aber man kann im Museum auch natürlich Cannabis-Pflanzen sehen. Und auf Tuchfühlung gehen, sie berühren, an ihr riechen. Wir haben aber auch Kakteen, wie Peyotl und San Pedro sowie Tabak- und Kaffeepflanzen, eben die Alltagsdrogen in unserem Botanischen Garten des Museums. Und natürlich sind wir „Weed-friendly“.
Hanf Magazin – Jan Marot: Wie viele Pflanzen haben Sie im Museum?
Eduardo Blasina: Wir haben in etwa 20 Pflanzen, aber gemäß dem Gesetz dürfen wir nur sechs in der Blütephase haben. Wir achten darauf, dass die Pflanzen optimal gezogen werden, und wir sind eben in der Erntephase, was den Outdoor-Anbau betrifft. März-April wird bei uns geerntet, die Pflanzen sind eben in ihrem Zenit nach fast sechs Monaten Wachstum. In Uruguay auf der Südhalbkugel sät man im Oktober aus, und erntet eben jetzt. Man spürt schon den Herbst in Montevideo kommen.
Hanf Magazin – Jan Marot: Wie hat sich die Legalisierung auf das Publikum ihres Cannabis-Museums ausgewirkt?
Eduardo Blasina: Für uns sind primär die Wintermonate in Europa, Dezember bis Februar, die Hochsaison, bei uns ist dann eben Sommer. Die Besucherzahlen steigen stetig, auch weil wir immer bekannter werden, über Medienberichte, Sozialmedien und Mund-zu-Mund-Propaganda. Aber ich denke, dass die Legalisierung nicht sonderlich große Auswirkungen darauf hat. Eben weil 80 Prozent der Besucher internationale Gäste sind, die eben nicht in Apotheken Cannabis kaufen können. Das ist den Uruguayern vorbehalten.
Hanf Magazin – Jan Marot: Ein Streitpunkt, denn der Regierung ist zuletzt der sogenannte „Weed“-Tourismus ein Dorn im Auge …
Eduardo Blasina: … die Regierung will nicht, dass Urlauber nur zum Cannabis-Rauchen kommen. Es geht ihr dabei um das Image Uruguays in der Welt. Der Tourismus soll primär auf Kultur, der Natur, denn wir haben hier ja einen regelrechten botanischen Garten im Land, und traumhafte Strände, seine Basis haben. Wir sind zum einen gegen die Einschränkungen der Regierung, denn auch Ausländer sollen doch in Uruguay Cannabis in Apotheken kaufen können. Zum anderen finden wir den Begriff „Weed“-Tourismus nicht zielführend. Auch dieser ist doch Kulturtourismus. Der „normale Tourismus“ muss ja nicht ein Widerspruch zum Konsum von Cannabis sein. Es lässt sich doch komplementieren.
Hanf Magazin – Jan Marot: Uruguay hat auch abseits von Cannabis eine lange, liberale, progressive Tradition in Sachen bürgerliche Rechte und Freiheiten …
Eduardo Blasina: Uruguay ist ein sehr liberales Land, nicht nur in Sachen Cannabis. Auch in Frauenrechten, Gewaltenteilung mit der Kirche, und generell bürgerlichen Freiheiten waren wir in Lateinamerika Pioniere. Wir sind generell tolerant, „friendly“ gegenüber allen, „Gay-friendly“, einfach offen gegenüber allen. Bei uns ist jeder willkommen. Und was jemand privat macht, wie er lebt, das ist seine Sache.Hanf Magazin – Jan Marot: Glauben Sie, dass das Beispiel Uruguays in der Welt Nachahmer finden wird?
Eduardo Blasina: Das ist meiner Meinung nach eines der Hauptziele. Wir müssen beispielhaft sein, und der Welt zeigen, dass es einfach viel sinnvoller ist, zu legalisieren, als mit harter Hand Strafgesetze zu wahren. Es geht um das Zusammenleben in der Gesellschaft, das durch die Legalisierung besser wird. Ich bin überzeugt, dass in den kommenden Jahren unser Beispiel international Schule machen wird. Und dass die Legalisierung als etwas Normales betrachtet werden wird, noch in dieser Generation. Prohibition von Cannabis hingegen, wird von Staaten und Gesellschaften wie eine Zensur gesehen werden, die Beschneidung der Rechte, einer Freiheit, wie Bücher, Musik oder Filme, die einst von Zensoren beschlagnahmt wurden. Wie das Recht auf Scheidung, das lange ein Verbot war, wird auch die Prohibition von Cannabis schon bald als ein Relikt vergangener Zeiten betrachtet werden.
Hanf Magazin – Jan Marot: Uruguay zieht auch immer mehr Events an, eine große Hanfmesse, die Expo Cannabis, und Kongresse zur medizinischen Nutzung von Cannabis …
Eduardo Blasina: Unser Traum ist es, uns nach der Legalisierung auch als führende globale Macht in Sachen medizinisches Cannabis aufzustellen. Es gab einen großen Kongress im Dezember und einen weiteren im Jänner seit dem Vorjahr. Es gibt mehr Forschung, sukzessive, und wir wünschen uns aber auch mehr Investitionen in den Sektor. Es gibt nun eine erste Plantage für medizinisches Cannabis, wir wollen dieses Produkt auch exportieren. Sei es in der Form Blüten oder eben von Extrakten. Das Gesetz ist ausgezeichnet für dieses Vorhaben, doch es fehlt noch enorm an akademischer Forschung. Zudem gibt es für die Cannabis-Patienten in Uruguay bisher nur ein einziges Präparat im Handel. Dass es für sie Fortschritte gibt, das geschieht viel zu langsam. Und wir hoffen, dass das Gesundheitsministerium hier die nötigen Schritte setzt. Basierend auf der Wissenschaft, und weit stärker als heute.
Hanf Magazin – Jan Marot: Mit die größte Kritik an der Legalisierung kam eben vonseiten der Cannabis-Patienten, für die anfangs noch keine Lösung gefunden wurde.
Eduardo Blasina: Das ist der große Fehler, den die Gesetzgebung aufweist. Nämlich, dass die Cannabis-Patienten keinen Sonderstatus aufweisen. Natürlich fällt die Strafverfolgung weg, und auch die Versorgung ist gewährleistet, sei es über Apotheken oder im Eigenanbau. Aber was nun geprüfte medizinische Präparate betrifft, oder Deckung durch Krankenkassen, liegt noch ein langer Weg vor ihnen. Mitverantwortung trägt hierbei aber auch, dass das Prozedere bis zur Zulassung sagen wir eines Cannabis-Öls etwa, über das Ministerium ein extrem langer und aufwendiger Hürdenlauf ist. Hier muss das Gesetz unbedingt verbessert werden.