Wenn Patienten ein Rezept für medizinisches Cannabis bekommen haben, ist die Reise noch nicht vorbei. Für viele, die ein Rezept bekommen haben, ist Cannabis aber komplettes Neuland. Mit den Stigmen in der heutigen Zeit ist es für viele schwer, sich in ihrem neuen Umfeld zu orientieren. An dieser Stelle greift CAPA an. CAPA ist der Cannabis Patientenverein und auf der Mary Jane 2021 hat das Hanf Magazin ein Interview mit der Vorstandsvorsitzenden des Vereins geführt: Mirta Rostas, eine Frau mit einer brennenden Leidenschaft, Menschen zu helfen.
Hanf Magazin: Hallo Mirta, freut mich, dich kennenzulernen. Wer bist du?
Mirta Rostas: Ich bin Mirta Rostas und ich bin die Vorstandsvorsitzende des Cannabis Patientenverein (CAPA e. V.)
Hanf Magazin: Was ist CAPA genau?
Mirta Rostas: Capa ist der Cannabis Patienten Verein. Wir bieten Schulungen und Veranstaltungen für Patienten, die medizinisches Cannabis für sich als Therapieform in Anspruch nehmen wollen. Wir bieten auch Workshops für Schmerzpatienten wie zum Beispiel Atemübungen, Bewegung, Stimmtraining und Entspannung. Aus meiner beruflichen Erfahrung weiß ich, dass eine Aktivität oder eine Ablenkung Wunder wirken kann. Ich habe es auch schon erlebt, dass ich einen Patienten ganz von seinem Leiden ablenken konnte, einfach nur durch ein Gespräch.
Hanf Magazin: Das klingt sehr hoffnungsbringend für Menschen mit schweren Erkrankungen. Was hast du vor CAPA gemacht?
Mirta Rostas: Vor CAPA habe ich in mehreren Pflegeeinrichtungen gearbeitet, im Ambulanten- und Außendienst. Als Pflegekraft habe ich auch Patienten zu Hause versorgt, sie gewaschen, Medikamente verabreicht und Wunden versorgt. Ich habe auch als Pflegedienstleitung in zwei Wohngemeinschaften für Demenzkranke gearbeitet. Des Weiteren habe ich Qualitätshandbücher erstellt und mich jahrelang mit Qualitätsmanagement befasst. Während meiner Tätigkeit im Gesundheitswesen habe ich mehrere Schulungen für Mitarbeiter konzipiert und durchgeführt. Auch Beatmungspatienten habe ich mehrere Jahre versorgt.
Hanf Magazin: Das klingt ja nach einer langen Erfahrung im gesundheitlichen Bereich. Wie lange bist du schon bei CAPA?
Mirta Rostas: Bei CAPA bin ich schon fast über 2 Jahre. Unser Verein wurde letztes Jahr gegründet, im Juli 2020, mitten in der Coronakrise. Unser Konzept war toll. Alles war auf Präsenzveranstaltungen ausgelegt, aber der Zeitpunkt war schlecht.
Hanf Magazin: Wegen der Coronakrise?
Mirta Rostas: Es hat uns kalt erwischt und wir konnten gar nichts machen. Praktisch hieß es für uns, dass wir uns komplett umstellen mussten auf online Schulungen und Webinare. Das hat uns viel Zeit und viel Kraft gekostet, aber es hat sich absolut gelohnt.
Hanf Magazin: Was hat dich zu CAPA geführt?
Mirta Rostas: Also während meiner Tätigkeit habe ich, laut Medikamentenplan, sehr oft Patienten sehr viele Tabletten geben müssen. Das war meiner Meinung nach oft nicht im Verhältnis zum Leiden der Person. Zum Beispiel, ich hatte mal eine Patientin, die über 80 Jahre alt war. Sie hat 15 Tabletten am Tag bekommen. Dann habe ich in der Akte nachgeschaut, was sie hat. Hat sie AIDS oder Krebs? Nein, sie hatte eine Herzschwäche und hatte gelegentlich Schmerzen in den Knien. Ich habe ungefähr 6 Monate gebraucht, bis ich mit dem Arzt so weit war, dass er diese Tabletten auf 6 am Tag reduziert hat. Das sind so Sachen, die ich gesehen habe, die ich nicht gut finde.
Ich gehe immer von mir aus, was ich in der Situation mir wünschen würde. Wenn ich 80 Jahre alt bin, möchte ich selber entscheiden, ob ich Tilidin nehmen möchte oder medizinisches Cannabis. In der Praxis ist das so, dass das Rezept an die Krankenkasse geschickt wird und dann werden 30 % aller Anträge abgelehnt. Meistens mit gar nicht nachvollziehbaren Begründungen. Das stellt die Patienten vor große Probleme, viele sind ganz zermürbt und manche sind schon 2 Jahre oder länger vor Gericht.
Hanf Magazin: 2 Jahre?
Mirta Rostas: Ja, das gibt es auch und das sind Zustände, die würdest du gar nicht glauben. Persönlich habe ich die Möglichkeit, etwas zu bewegen und die nehme ich wahr. 2017 wurde medizinisches Cannabis für medizinische Zwecke freigegeben und da hatte ich schon dazu tendiert, nicht so viel Chemie zu verschreiben. Medikamente sind ein Segen und ein Fluch. Da ich schon ein Faible für Naturmedizin hatte, habe ich mich in Kombination mit der Freigabe mit medizinischen Cannabis beschäftigt und dadurch ist die Idee entstanden, einen Verein zu gründen. Wir haben alles gut durchdacht und dann kam Corona. Wir hatten so einen schlechten Start, aber wir sind jetzt hier bei der Mary Jane, auf einer der größten Messen Europas, CAPA Verein ist dabei! Da bin ich so glücklich darüber.
Hanf Magazin: Eine Menge Leute besuchen auch euren Stand, was mich auf die nächste Frage bringt: Welche Menschen sollten sich den besonders bei CAPA melden?
Mirta Rostas: Wir sind immer sehr erfreut, wenn Angehörige anrufen, weil viele Menschen sind nicht in der Lage, dieses ganze administrative Vorgehen selber zu bewältigen. Bei uns haben Angehörige auch schon wegen ihrer Frau und Mutter angerufen, das gibt es auch. Da freue ich mich immer. Die Angehörigen lernen auch was dazu.
Alle Menschen, die etwas erfahren über Cannabis als Heilpflanze wollen, sind absolut willkommen. Wir schulen auch Ärzte und Apotheker im medizinischen Gebrauch von Cannabis. Der Überbegriff dieses Vereins ist die Bildung und die Schulung an jedem, der interessiert ist. Wir sind für die Gesellschaft da und wir sehen uns als eine Ergänzung zum Gesundheitswesen, weil das Gesundheitswesen nicht in der Lage ist, alles zu stemmen.
Hanf Magazin: Sie glauben das Gesundheitswesen tut nicht genug um Ärzte und Apotheker zu unterrichten?
Mirta Rostas: Die Regierung hat Cannabis 2017 für medizinische Zwecke freigegeben, das ist ja sehr schön gewesen, aber sie hat es versäumt zu organisieren, wie die Ärzteschaft und Heilpraktiker geschult werden sollen. Wie soll ein Arzt ein Rezept verschreiben, wenn er keine Schulung erhalten hat? Die Vereine sind eine Ergänzung zu alldem. Wir bieten eine Lösung zu einem gesellschaftlichen Problem, was andere oft nicht tun können.
Ehrenamtliche Vereine sind eine Hilfestellung und ich wünsche mir, dass das mehr gesehen und wertgeschätzt wird. Was ich in Gesprächen mit Menschen erlebt habe. Die ganze Zeit ist es, „Ihr leistet ganz tolle Arbeit“, aber wenn es darum geht, eine Spende über 5€ zu tätigen oder einen Mitgliedsbeitrag zu unterschreiben, was auch 5€ im Monat kostet oder unseren Verein zu sponsoren, da sehe ich keinen mehr. Weil wir im Juni gegründet wurden und nicht im März, konnten wir keine Corona Hilfe in Anspruch nehmen. Wir konnten keine Veranstaltungen mehr anbieten. Damals konnten wir gar nichts machen und jetzt steht unser Verein hier bei Mary Jane.
Ich bin stolz auf unseren Verein, das kann ich so sagen und ich bin stolz auf die Mitglieder, auf die Menschen, die uns unterstützt haben! Ich danke allen Mitgliedern und ich bin so dankbar für ihre Unterstützung. Auf der Mary Jane habe ich schon mit vielen Leuten gesprochen und das sind alles schöne Erinnerungen, die bleiben. Mary Jane und dieser Verein haben mir so viele schöne Begegnungen ermöglicht, welche bei einem anderen Beruf nicht hätte haben können. Das ist Ehrenamt und wenn du auf unsere Mitglieder Homepage kommst, dann steht da als Erstes: Ehrenamt macht glücklich! Und wenn sie das nicht glauben, dann haben sie es vermutlich noch nicht ausprobiert.
Hanf Magazin: Man sollte es zumindest einmal ausprobieren und mit den derzeitigen Stigmen, haben es Cannabis Patienten immer noch ziemlich schwer.
Mirta Rostas: Die Patienten werden hier diskriminiert. Ein Schmerzpatient nimmt Tramadol und er bleibt ein normaler Schmerzpatient, aber ein Schmerzpatient nimmt Cannabis und schon ist er ein Junkie. Das ist schwarz-weiß Denken. Eine Frage, die sich mir da stellt: Wie kann eine Pflanze, die in der Natur wächst, verboten sein? Der Mensch hat sie verboten, sie ist an sich nicht illegal und warum sollen wir uns der ganzen Geschenke der Natur nicht bedienen, wenn uns das hilft?
Ich bin nicht dafür, dass man jetzt alles freigibt, aber mit einer vernünftigen Vorbereitung und einer vernünftigen Aufklärung würden wir in dieser Gesellschaft vielmehr erreichen. Wir sollten die Leute aufklären und nicht Verbote aussprechen. Wir waren alle mal in der Pubertät. Was haben die Verbote gebracht? Also Verbote haben nie was gebracht, das ist meine Überzeugung.
Hanf Magazin: Was man hier auf der Mary Jane auch gut sehen kann. Der medizinische Cannabis Markt floriert. Du hast ja von Veranstaltungen gesprochen. Wie sehen diese denn meistens aus?
Mirta Rostas: Derzeitig bieten wir online Schulungen an. Diese drehen sich um verschiedene Themen z. B. wie stelle ich einen Antrag oder bei welchen Indikationen wirkt Cannabis am besten? Die Vorträge werden auch von Ärzten gehalten. Wir arbeiten mit der Medios Apotheke und Herr Dr. Dennis Stracke zusammen, welcher bei uns ehrenamtlich Vorträge hält. Er hat in diesem Jahr auch ein Fortbildungskonzept ausgearbeitet.
Wir haben für unseren Verein 5 Fortbildungen geplant. Er hat die Präsentationen ausgearbeitet und er ist in der Regel dann 90 Minuten bei diesem Webinar dabei. Er hat eine Präsentation und danach werden die Fragen beantwortet. Sehr beliebt ist bei uns die Schulung zum Thema Cannabis inhalieren. Dazu gibt es auch medizinische Hilfsmittel, welche von der Krankenkasse verschrieben werden können.
Hanf Magazin: Kann ich fragen welche?
Mirta Rostas: Das sind Mighty und Vulcano. Die Schulungen daran halte ich zusammen mit einer Patientin: Vanessa Weninger. Wir haben aus auf Facebook durch einen Streit kennengelernt. Ich habe ihre Seite ergriffen und wir haben uns ganz nett unterhalten. Dann hat sich herausgestellt, dass sie Cannabis Patientin ist und dass sie mit dem Mighty seit ca. über 2 Jahren inhaliert. Ich hatte zu diesem Zeitpunkt Mighty und Vulcano zu Schulungszwecken bekommen und so haben wir beschlossen, wir beide halten Schulungen.
Sie erklärt, wie die Geräte funktionieren und ich kümmere mich um alles andere, weil ich kann das nicht, ich habe diese Geräte nie benutzt. Wir hatten schon 3 Schulungen und es sind noch 2 oder 3 geplant bis Ende des Jahres. Dann bieten wir noch mal einen Workshop im Dezember. Das wird ein Präsenzworkshop sein mit Patienten in einem Schauspielraum. Da machen wir Jahresabschlussübungen, Atemübungen, Entspannungsübungen und Meditationen für Schmerzpatienten.
Hanf Magazin: Ihr unterstützt Schmerzpatienten auf so vielen Wegen, aber wie kann man euch den am besten unterstützen?
Mirta Rostas: Also unser Verein hat keine Angestellten. Wir arbeiten seit 2 Jahren ehrenamtlich und unentgeltlich. Wir finanzieren uns über Mitgliederbeitrage, Sponsoring, Fördergelder, Privatspenden und über Großspenden. Sponsoring kann man sogar als Betriebsabgabe bzw. Spende steuerlich gelten machen. So gesehen ist das eine Win-win-Situation für jeden. Ehrenamtlich Mitarbeit ist aber auch eine große Unterstützung für uns.
Networking und über unseren Verein reden kann manchmal auch eine Menge dazu beitragen, dass Menschen uns unterstützen. Leider ist der finanzielle Aspekt aber überlebenswichtig für uns, deswegen habe ich ihn zuerst angeführt. Druckpatronen, die Website, die Versicherung, Berichte, Artikel, Beiträge filmen und andere aufklären, das kostet alles Geld.
Hanf Magazin: Ohne Geld und Mitglieder ist es schwer Menschen zu helfen.
Mirta Rostas: Aber da du die Legalisierung erwähnt hast, muss ich noch etwas hinzufügen: Unser Verein ist unpolitisch und unparteiisch. Was die Legalisierung angeht, sind wir weder dafür noch dagegen. Wir haben keine Meinung dazu. Wir befassen uns einfach nicht mit diesem Thema. Das ist unser Grundsatz. Für Legalisierung da kümmern sich andere Organisationen wie der DHV. Das ist deren Thema und die machen das ganz toll. Ich habe keine Ressourcen, mich damit auseinanderzusetzen und das ist auch nicht gut für die Patienten. Wenn die Patienten bei uns anrufen und wir reden dann über die Legalisierung, das verunsichert die Leute oft. Dann wissen sie nicht genau, was wir machen. Wir möchten klar für unseren Verein sagen, dass wir nichts damit zu tun haben.
Hanf Magazin: Verstanden, ihr seid dafür da, den Patienten zu helfen. Da liegt euer Fokus. Das wichtigste ist der kranke Mensch. Wie kann man eigentlich Vereinsmitglied bei euch werden?
Mirta Rostas: Das ist ganz einfach: Sie schreiben mir eine E-Mail oder klicken auf unserer Website “Mitglied werden“. Dann kriegen sie ein Formular, das füllen sie aus und das war es. Sie bekommen dann eine Rückmeldung, einen Begrüßungsbrief und ein Mandant mit Referenznummer. Dadurch werden sie auch zu Fortbildungen eingeladen. Als Mitglied bekommen sie mehr Informationen, als wir sonst anbieten. Wir bieten viele Informationen umsonst an, aber Vermittlungen zu Fachkreisen bekommen nur die Mitglieder. Man bekommt auch Einladungen zu Mitgliederversammlungen.
Diese sind das oberste Organ in einem Verein. Das ist nicht der Vorstand oder ich. Ich bin nur gewählt worden. Mitglieder sind das Gremium, die diesen Verein formen. Ein Mitglied wird zu Versammlungen eingeladen und kann sich dort einbringen, aber er muss es nicht. Er muss auch keine ehrenamtliche Arbeit leisten. Trotzdem muss er sich aber an die Satzung halten. Ich hatte schon sehr viele schräge Vorschläge, welche nicht umsetzbar waren.
Hanf Magazin: Dadurch gibt es weniger nicht umsetzbare Vorschläge, aber ich finde es super, dass ihr so demokratisch und egalitär seid. Jeder kann mitsprechen und niemand muss auf einen Vorstand hören.
Mirta Rostas: Na ja es ist so: Ein Vorstand muss sein, weil alle Mitglieder nicht immer eine einheitliche Entscheidung treffen können. Ein Vorstand kümmert sich um die ganzen administrativen Dinge. Als Geschäftsführung organisiere und monitore ich auch alles. Ein Verstand muss immer alles im Blick halten, während jedes Mitglied seine Meinung gibt. Jeder Vorschlag ist gut, aber wenn es gegen die Satzung geht, da komme ich ins Spiel. Ich bin sozusagen die Satzungswächterin. Diejenige, welche die Satzung für die nächsten 2 Jahre verteidigt.
Hanf Magazin: Was war deine schönste Erinnerung mit CAPA?
Mirta Rostas: Es gibt nicht nur eine, aber ich mache es kurz. Mein schönstes Erlebnis mit CAPA war ein Gespräch mit meinem Wunschpartner. Also, ich muss in der Satzung einen Erben eintragen, also wenn der Verein nicht mehr existiert, dann geht das Vermögen an Verein XYZ und mein Wunschverein war das Hanfmuseum in Berlin Mitte. Da habe ich angerufen und habe gesagt, was ich vorhabe und wir haben einen Termin ausgemacht. Als ich angekommen war, habe ich meine Idee vorgestellt, mit vielen Dokumente und Flyern. Mit mir saßen da 5 Männer und die waren so begeistert von meiner Idee. Als ich nach 2.5 Stunden rausgegangen bin, habe ich meinen Freund angerufen und ihm gesagt, dass ich gerade das schönste Gespräch in meinem Leben hatte. Das ich meine Vision in die Welt tragen kann und sie bekommt so viel Zuspruch. Das war etwas ganz Neues für mich.
Hanf Magazin: Wenn es etwas gibt, das du gerne den Hanf Magazin Lesern sagen würdest, was wäre das?
Mirta Rostas: Man muss einfach den Mund aufmachen.
Hanf Magazin: Das sind sehr gute letzte Worte. Ich bedanke mich für das Interview und hoffe, dass ihr Verein bald mehr Mitglieder bekommt.
Mirta Rostas: Super, ich danke dir