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Im Interview mit Stefan Nölker-Wunderwald von HanfZeit
Wir erleben eine rasante Entwicklung in dieser Welt, die zum einen fortschrittlicher wird, sich zum anderen aber auch auf vergangene Errungenschaften zurückbesinnt. Einst wurde ohne Beton, ohne Glaswolle, ohne Styropor und sogar ohne Glasscheiben gebaut. Dennoch überlebten die Menschen und viele lebten sogar gut.
Einige moderne Baustoffe, Farben, Kunststoffe und Materialien können krank machen, haben eine schlechte Energiebilanz, sind in der Entsorgung teuer und haben für das Wohnklima entscheidende Schwachstellen. Ein Beispiel ist die Glaswolle mit ihrem sehr großen CO₂ Abdruck. Sie hat gute Dämmwerte, aber einen entscheidenden Nachteil im Wärmemanagement. Viele kennen es, dass sie im Hochsommer bis 2 Uhr nachts in der Hitze brüten, bis sie schlafen können. Wäre ihre Behausung mit Hanffasern gedämmt, dann wäre das anders. Dämmmaterialien dämmen zum einen und zum anderen lassen sie die Restwärme zeitversetzt durch. Hanffasern lassen die Hitze langsamer als Glaswolle durch, womit man die Tageshitze über die Nacht verteilt verpuffen lassen kann. Das Ergebnis ist ein viel besseres Wohnklima: Die Behausung ist gedämmt und im Hochsommer findet man schon zu gewohnten Zeiten seinen Schlaf.
Es kommt sogar noch besser: Moderne Dämmstoffe werden häufig mit Giftstoffen versetzt, damit sich weder Schimmel noch Schädlinge ausbreiten können. Beim Hanf braucht es nur den Brandschutz, womit deutlich weniger Giftstoffe im Gebäude verbaut werden. Hanffasern schimmeln nicht, sind sehr nässebeständig und atmen. Glaswolle kann nur verarbeitet werden, wenn sie durch eine Folie vom Wohnraum abgeschirmt wird, eingeatmete Fasern können schädlich sein. Das führt dazu, dass man sehr aktiv mit den Fenstern oder einer Lüftung gegen die Luftfeuchtigkeit arbeiten muss. Wenn die Wände, Decken und Dächer jedoch aus natürlichen Materialien hergestellt werden, dann muss man sich nicht von ihnen abschirmen. Dann atmet einfach das ganze Haus und kann die Feuchtigkeit zu allen Seiten abgeben.
Natürlich kann nicht das ganze Haus allein aus Hanf gebaut werden. Auch ein paar moderne Baustoffe müssen eingesetzt werden, um modern leben und arbeiten zu können. Aber die Böden, Wände, Decken, Dächer und auch andere Kernelemente vom Gebäude können aus verschiedenen natürlichen Elementen erbaut werden, die es direkt vor der Haustür gibt. Ob Kalk, Lehm, Holz, Hanf oder auch weitere nachwachsende Faserpflanzen: Auf die richtigen „Zutaten“ kommt es an, damit das nachhaltige Haus vom Acker lange hält und ein hervorragendes Wohnraumklima mit sich bringt.
Diese ursprünglichen Baumaterialien und Verarbeitungstechniken lassen sich mit moderner Technik, wie einer Wärmepumpe für die Ablüftung, einer Solaranlage für die Stromgewinnung oder Weiterem kombinieren. Wer das Gute der verschiedenen Epochen kombiniert, der macht immerhin das Beste aus allem. Und wenn solch ein Haus später doch einmal abgerissen werden müsste, dann sind die Entsorgungskosten für den Bauschutt erheblich geringer. Aber wer weiß, wann das so weit ist, viele alte Fachwerkhäuser sind immerhin auch schon weit über 100 Jahre alt.
Stefan Nölker-Wunderwald ist der Inhaber von Hanf-Zeit. Im Interview kann er als langjähriger Hanfpionier aus erster Hand vom Haus aus Hanf berichten. Seinen Betrieb „Hanf-Zeit“ gibt es schon seit 1997. In Detmold fing alles noch ganz beschaulich an. Seit 1999 wird Nutzhanf für Hanftee angebaut, verarbeitet und vertrieben, bis man letztlich in Steinheim landete.
Hanf Magazin: Bevor es mit den Einzelheiten zum Bauprojekt losgeht: Du bist der Inhaber von Hanf-Zeit. Was genau produziert ihr für euren Onlineversand?
Stefan Nölker-Wunderwald: Wir haben uns auf die Herstellung von Hanflebensmitteln wie Tee, Backwaren, Hanföl sowie die CBD-Produktion konzentriert und bieten hier ein recht großes Sortiment für Groß- und Einzelhandel an. Wir trocknen in Betrieb unsere Blütenstände und verarbeiten sie zu einem verwertbaren Rohstoff für Lebensmittel und Extrakte. Wir haben in den letzten 15 Jahren einen Kreislauf mit lokalen Landwirten aufgebaut. Alle Hanfblütenprodukte werden hier angebaut, geerntet sowie verarbeitet. Ebenfalls haben wir seit ca. drei Jahren die Produktion von Hanfsamen vorangetrieben und stellen unser Hanföl aus lokalem Anbau selbst her.
Hanf Magazin: Ich weiß, dass du eine große und teils auch künstlich klimatisierte Halle benötigst, um den Hanf ohne Sonnenlicht-Einwirkung trocknen zu können. Wie funktioniert das?
Stefan Nölker-Wunderwald: Wir haben uns eine Trocknungsanlage mit 400 m² Fläche gebaut, in welcher wir die Hanfblütenstände trocknen. Diese wird mit großer Umluft und einer Heizung betrieben.
Hanf Magazin: Ihr widmet euch als Unternehmen seit nunmehr 20 Jahren dem Hanf und baut jetzt auch mit diesem. Was ist der Kerngedanke dieser Idee?
Stefan Nölker-Wunderwald: Alle Aspekte der Hanfpflanze zu vereinen und möglichst viele Informationen zu der Verwendung dieser alten Kulturpflanze zu verbreiten.
Hanf Magazin: Nehmt ihr für den Neubau Hanf von eurem Acker oder weicht ihr vielleicht auch wegen der anderen Sorten oder anderer Verarbeitung auf andere Produzenten aus?
Stefan Nölker-Wunderwald: Leider haben wir keine Möglichkeit unser Hanfstroh lokal zu verarbeiten. Die Transportwege zur Faseraufschlussanlage sind zu weit. Dieses macht es leider nicht rentabel. Diesen Bau haben wir in Zusammenarbeit mit der BAFA GmbH realisiert.
Hanf Magazin: Auf den Fotos ist es ein Gebäude aus zwei Teilen. Ist das ganze Gebäude schon fertig oder ist ein Teil noch im Bau?
Stefan Nölker-Wunderwald: Die Halle ist der Teil für Trocknung, Lager und Siebung. Das Gebäude wird von uns seit dem 30.6.2017 komplett genutzt und das neue Ladenlokal ist geöffnet.
Hanf Magazin: Laufen alle Arbeitsschritte von eurem verarbeitenden und vertreibenden Unternehmen über den Neubau? Wie groß ist dieser?
Stefan Nölker-Wunderwald: Der gesamte Verarbeitungsprozess sowie Büro, Laden und Versand sind in diesem Gebäude untergebracht. Im Hauptteil des Gebäudes befinden sich Backproduktion, Laden, Büro sowie Personal und Schulungsräume. Eine Gesamtfläche ca. 700 m².
Hanf Magazin: Was ist die Lebensdauer vom Gebäude?
Stefan Nölker-Wunderwald: Wir hoffen ähnlich wie bei Gebäuden aus Fachwerk und Naturstoffen. Also Hunderte von Jahren.
Hanf Magazin: Wann habt ihr mit dem Bau angefangen?
Stefan Nölker-Wunderwald: Die Bauzeit betrug ca. 2 Jahre. Die meisten Arbeiten haben wir mit dem Team der Hanf-Zeit erledigt. Hätten wir weniger Bauvorschriften, und die Bürokratie in diesem Land wäre nicht so vielfältig, hätten wir schon vor ca. 9 Monaten eröffnen wollen. Es ist jetzt komplett fertig – Außenanstrich sowie Pflasterarbeiten werden wir voraussichtlich Ende 2017 vollenden.
Hanf Magazin: Wenn die Baustoffe mit viel Feuchtigkeit verbaut werden, braucht es bei konventionellem Mauerwerk oder Beton auch immer seine Zeit, bis alles durchgetrocknet ist. Bei dem derzeitigen Wetter lernst du das endgültige Raumklima vielleicht erst ab dem nächsten Jahr kennen?
Stefan Nölker-Wunderwald: Die Trocknungszeit betrug ca. drei Monate. Nun nutzen wir bereits das tolle Raumklima. Die nächsten Jahre werden uns mehr Erfahrungen bringen.
Hanf Magazin: Sind die Baukosten höher als mit üblichen Baustoffen?
Stefan Nölker-Wunderwald: Leider ja. Es ist nicht so einfach Fachfirmen zu finden, die sich mit dem Rohstoff Hanf auskennen und diesen verwenden. Hier war es oft notwendig, lokale Firmen mit einer Firma aus Frankreich zu „kombinieren“. Allein dieses macht es schon etwas teurer.
Hanf Magazin: Sind die laufenden Kosten günstiger als mit üblichen Baustoffen?
Stefan Nölker-Wunderwald: Das wird sich erst im Lauf der nächsten Jahre herausstellen. Wir haben das Gebäude mit einer 34 cm starken Wand aus Hanf-Kalk-Gemisch aufgebaut. Diese wurde innen mit Lehm und außen mit Kalksand verputzt. Das Dach wurde mit Hanfjute in einer Stärke von 20 cm gedämmt. Als Heizquelle nutzen wir eine Solaranlage, welche Warmwasser produziert. Im gesamten Gebäude ist eine Fußbodenheizung verlegt. Unterstützt wird diese Heizung durch eine Gastherme.
Hanf Magazin: Kann man das abgerissene Haus kompostieren, womit man viel Geld im Vergleich zu üblichen Baustoffen sparen würde?
Stefan Nölker-Wunderwald: Beim gesamten Bau kam nur eine geringe Menge Styropor (unter 1 m³) zum Einsatz. Der Rest besteht aus Holz, Hanf, Lehm, Jute und Stein – also zu über 90 % kompostierbar. Natürliches und nachhaltiges Bauen hat im Regelfall auch die geringeren Folgekosten und hoffentlich auch die geringeren Instandhaltungskosten. In jedem Fall ist es ein schönes Stück Pionierarbeit, welches hoffentlich viele Nachahmer findet. Es geht beim Wohnen und Arbeiten nicht nur um die Quadratmeterzahlen, es geht auch um die Wohn- und Lebensqualität.