Wer sich ein wenig mit dem Regelwerk für medizinisches Cannabis in Deutschland beschäftigt, dem wird schnell bewusst, dass das Betreiben eines Unternehmens in dieser bis ins letzte Detail regulierten Branche gar nicht so einfach ist. Hohe Standards sichern sowohl die Qualität der Cannabismedikamente als auch deren Schutz während des Anbaus, der Produktion oder des Transports. Nur wenige Menschen haben das Glück, einen Blick hinter die Kulissen der Arbeit mit Medizinalcannabis werfen zu dürfen, da man dabei mit sensiblen Daten und Informationen umgehen muss, und mit Substanzen, die für die meisten Menschen und Unternehmen verboten sind. Mit allen notwendigen Befugnissen und Zertifizierungen ausgestattet ist der deutsche Marktführer Cannamedical, der sich schon sehr früh am Markt positionieren konnte und sich seit 2016 der Versorgung von Patienten mit Medizinalcannabis widmet.
Bereits vor dem Cannabis als Medizin Gesetz wurde Cannamedical von David Henn gegründet, der das Unternehmen seither als CEO führt. Heute importiert Cannamedical Cannabisblüten aus den Niederlanden, Kanada, Portugal und Australien, und verfügt über das größte Produktsortiment in Deutschland. In über 4000 Apotheken und Kliniken sind derzeit Cannabismedikamente von Cannamedical zu finden. Im Zuge stetiger Weiterentwicklung ist Cannamedical im Jahr 2021 Teil der auf Betäubungsmittel und Medizinalcannabis spezialisierten Semdor Pharma Group geworden. Im eigenen Podcast „Let’s Talk About Cannabis“ begleitet Cannamedical die Prozesse der Legalisierung in Deutschland, und mit dem kürzlich ins Leben gerufenen Patientenbeirat soll ein Beitrag zur Verbesserung der Situation von Cannabispatienten geleistet werden. Wie sieht die Zukunft von Medizinalcannabis aus? Hat das Unternehmen auch Interesse am Geschäft mit Cannabis als Genussmittel im Falle der Legalisierung? Bereitet man sich sogar schon darauf vor? Die vielen Fragen, die wir zu Cannamedical stellen, richten wir an denjenigen, der sie am besten beantworten kann, CEO und Gründer David Henn.
Hanf Magazin: Du hast Cannamedical 2016 gegründet, also noch bevor das Gesetz für Cannabis als Medizin in Kraft getreten ist. Wie hat sich das ergeben? War die gesetzliche Entwicklung für Dich schon absehbar?
David Henn: Es gibt wenige Gelegenheiten, in denen Gründer die Möglichkeit haben, einen bisher unberührten Markt zu prägen. Die Medizinalcannabis-Freigabe 2017 war eine solche, einmalige Gelegenheit. Die Freigabe am 19.02.2017 im Bundestag war das Ergebnis einer vorangegangenen, wochenlangen Debatte auf Ministerialebene. Es liegt einfach in meiner DNA, Chancen zu ergreifen, wenn sie sich bieten.
Hanf Magazin: Cannamedical hat mit über 30 Medizinalcannabisprodukten das größte Sortiment in den deutschen Apotheken. Die Blüten kommen aus Ländern rund um den Globus, wie aus den Niederlanden, aus Kanada, Portugal oder Australien. Als Laie vermute ich, dass die Importe aus so vielen Ländern mit hohem bürokratischem Aufwand verbunden sind. Ist das richtig? Gibt es Unterschiede je nach dem Ursprungsland der Produkte?
David Henn: Ein Schlüssel zum Erfolg der Cannamedical beruht auf unserer Fähigkeit eine diversifizierte, also breit aufgestellte, Lieferkette aufgebaut zu haben. Dazu zählen neben Zulassungen für die mikrobiologische Behandlung zur Keimionisierung auch GDP und GMP-Regeln. Wir haben insgesamt 8 EU-GMP Zertifizierungen erfolgreich abgeschlossen und langfristig an Zulieferer gebunden, die im Einklang mit den Cannamedical Qualitätsanforderungen für uns produzieren können.
Hanf Magazin: Bei der Veröffentlichung der Eckpunkte zur Legalisierung von Cannabis als Genussmittel hatte Karl Lauterbach angekündigt, man wolle den nationalen Bedarf allein aus deutscher Produktion decken. Schon bei Cannabis als Medizin setzen wir in Deutschland seit jeher auf Importe aus vielen Ländern, wie wir am Beispiel von Cannamedical-Produkten sehen können. Hältst Du das für realistisch und machbar, Freizeit-Cannabis ausschließlich in Deutschland herzustellen?
David Henn: Freizeit Cannabis allein in Deutschland anzubauen ist nach der aktuellen Rechtslage der UN 1961 Drug Convention und Richtlinien der EU-Kommission alternativlos. Importe sind in dem jetzigen Rechtsrahmen nicht durchsetzbar. Dennoch gäbe es Möglichkeiten im Einklang mit internationalem Recht, der EU und der UN 1961 Drug Convention eine Legalisierung umzusetzen. Deutschland kann im Alleingang entscheiden, Cannabis auf dem Betäubungsmittelgesetz herauszunehmen und in ein verschreibungspflichtiges Arzneimittel oder sogar ein Over-The-Counter („OTC“) Produkt umzuwandeln. Die Distribution würde in dem Modell weiterhin über Apotheken erfolgen, jedoch wäre der Zugang zu ausreichenden Produkten damit gewährleistet und Qualitätsstandards wie EU-GMP, die heute den medizinischen Markt schützen können, auch im Freizeitsegment weiter Anwendung finden.
Hanf Magazin: Was wird die Legalisierung für Cannamedical bedeuten? Ich nehme an, Ihr werdet gerne auch diese Nachfrage bedienen, wenn dies möglich sein wird. Gibt es Möglichkeiten, Euch schon jetzt darauf vorzubereiten?
David Henn: Die EU-Kommission hat sich laut dem Tagesspiegel informell an die Bundesregierung gewandt, die im Anschluss in einem Krisengipfel zusammengetreten ist. Die Nachricht der EU-Kommission war eindeutig: Sollte Deutschland ein Legalisierungsverfahren anstreben, wird die EU-Kommission mit einer Ablehnung antworten. In einem solchen Umfeld ist die beste Position für Unternehmen in der Branche abzuwarten, Kapitalreserven zu schonen und das eigene Geschäftsmodell voranzutreiben. Wir haben Vorkehrungen für mögliche Szenarien getroffen und prüfen aktuell auch die Option innerhalb von Deutschland zu produzieren.
Hanf Magazin: Welche Erwartungen hast Du an den Markt für medizinisches Cannabis nach der Legalisierung der Pflanze als Genussmittel? Werden viele Patienten ihre Behandlung abbrechen und sich selbst versorgen, sodass Medizinalcannabis sich in eine kleine Nische zurückzieht? Oder glaubst Du, dass die Legalisierung die medizinische Versorgung in einer Weise begünstigen wird, sodass die Patientenzahlen sogar steigen könnten?
David Henn: Wir werden zu Beginn eine Produktknappheit erleben, die innerhalb von 3–5 Jahren in eine Überkapazität übergeht. Der medizinische Markt ist in anderen Ländern, die legalisiert haben, stabil. Entsprechend hat es beinahe drei Jahre in Kanada gedauert, bis der Freizeitmarkt größer wurde als der medizinische Markt. Es gibt bereits heute eine bedeutende Anzahl von Patienten, die sich im Selbstzahler-Segment wiederfinden, da ihnen notwendige Erstattungen von Krankenkassen versagt bleiben und Fachärzte keine ausreichende Bereitschaft zeigen, sich mit dem Schicksal ihrer Patienten auseinanderzusetzen und alternative Medikationswege zu erschließen.