„85 bis 90 Prozent der Slowenen sind für eine vollständige Legalisierung von Cannabis“, sagt der unermüdliche Božidar Radišič (55), Sloweniens wohl berühmtester Hanfaktivist. Information ist dabei der Schlüssel, um auch die Meinung der Hardliner gegen eine Freigabe, die er nahe sieht, „um 180 Grad zu drehen“.
Hanf Magazin: Sind Sie zufrieden mit den Fortschritten, die Cannabis-Aktivisten in den vergangenen Jahren in Slowenien erzielen konnten?
Bozidar Radisic: Es bewegt sich viel. Erst im Vorjahr hat Slowenien Cannabis, THC und Extrakte in die sogenannte „2. Gruppe der Sucht- und Betäubungsmittel“ gestellt. Seither können unter anderem Ärzte diese als Medizin verschreiben. Endlich. Und eine generelle Legalisierung scheint nahe.
Hanf Magazin: Mehrere 10.000 Slowenen haben sich bereits in den vergangenen Jahren aus dem Illegalen für medizinische Zwecke mit Cannabis versorgt.
Bozidar Radisic: Knapp 30.000 Slowenen konsumieren Cannabis aus Gründen der Behandlung ihrer Krankheiten. Nun endlich, ohne dass sie dabei in ständiger Angst vor dem Gesetz leben müssen. Diese Problematik fußte, wie wir alle wissen, in der UN-Konvention von 1961, die den Anbau und die Verwendung von Cannabis verboten hat. Doch Artikel 28 belasst eine Lücke, eine, die wir jetzt nutzen. Stichworte Selbstversorgung und Eigenanbau, doch auch das hat seine Tücken. Da man eben nicht weiß, wie stark die Produkte in ihrer Wirkung sind.
Und wie eben insbesondere unerfahrene Konsumenten darauf reagieren. Unser Weg ist es jetzt, dass wir in Slowenien kleine Labors gründen, auf dass alle, die Cannabis nutzen, ganz gleich in welcher Form, ihr Produkt analysieren lassen können. Auch stellen wir Dienstleistungen bereit, und stellen Extrakte, Sprays, Zäpfchen und Ähnliches für die Konsumenten her. Wir testen freilich nicht nur Eigenanbau, sondern auch Cannabis, das am sogenannten Schwarzmarkt erworben wurde. Zugleich dienen diese Labors als Infostellen. Dabei geht es uns um Bewusstseinsbildung und die Stärkung der Glaubwürdigkeit der Szene, hauptsächlich im medizinischen Cannabis.
Hanf Magazin: Wie steht es um Cannabis „Social Clubs“ in Slowenien? Es soll die Ersten geben. Und sind Konsumenten und Kleingärtner noch im Visier von Polizeiaktionen?
Bozidar Radisic: Solche Clubs gibt es mittlerweile ein paar, wir haben zwei aktuell. Wenngleich man diese nicht mit denen in Spanien vergleichen kann. Primär geht es dabei um Lobbying und Information, und nicht den Anbau und die Versorgung im Kollektiv. Das ist leider noch nicht erlaubt. Was Polizeirazzien betrifft, so gibt es diese immer weniger. Auch dank eines Höchstgerichtsentscheides ist der Eigenanbau in kleinen Mengen kein Delikt mehr, das strafrechtlich verfolgt wird. Also so lange man nicht wirklich enorme Mengen kultiviert, kommt man nicht mehr mit dem Gesetz in Konflikt. Und besonders bei Cannabis-Patienten wird eine sehr große Toleranz gewahrt. Wir sind aber noch nicht am Ziel.
Hanf Magazin: Kürzlich haben sich unter Ihrer Initiative die Cannabis-NGOs zu einer Allianz zusammengeschlossen …
Bozidar Radisic: … ja, und wir sind dadurch nun stets mit der Regierung in direktem Kontakt. Und nächstes Jahr wird gewählt, das ist ein Glück. Denn 85 bis 90 Prozent der Slowenen sind für eine vollständige Legalisierung von Cannabis und das nicht nur im medizinischen Gebrauch, sondern ganz generell als Genussmittel. Das Ziel ist dabei, die Menschen zu informieren, erst über den medizinischen Nutzen und daran gekoppelt, zeigt es sich, dass sich auch die Meinung derjenigen, die das ‚Gras‘ stets als gefährlich erachtet haben, um 180 Grad dreht. Weil es nicht gefährlich ist und weil es nicht süchtig macht. Es gibt einfach derart viele dumme Geschichten über Cannabis, die nichts mit der Wahrheit zu tun haben, die es zu widerlegen gilt.
Hanf Magazin: Wo gibt es noch Schwierigkeiten?
Bozidar Radisic: Ein Problem, das wir in Slowenien noch haben, sind die Bürokraten, die bereits seit über 25 Jahren an ihrem Schreibtisch sitzen. Es ist deren Schuld, dass wir nun zwei offizielle Todesfälle wegen Cannabis in Slowenien haben, die Ersten weltweit. Doch das ist auch eine Lüge. Die 17-jährige, die angeblich wegen Cannabis gestorben ist, hatte zwar einen Joint geraucht und einen Energydrink getrunken. Doch sie starb, weil sie stürzte, sich dabei den Kopf verletzte und schlussendlich eine Hirnblutung erlitt. Nicht wegen Cannabis. Das System arbeitet noch nach der „Yes-Prime-Minister“-Methode: Die Bürokraten bereiten alles vor, die Regierung bringt es durch das Parlament. Gerade in einem kleinen Staat wie Slowenien mit zwei Millionen Einwohnern ist das problematisch.
Hanf Magazin: Welche Fortschritte konnten Sie bei den von Ihnen versorgten Patienten des Glioblastom-Hirntumors feststellen? Wie viele zählen zu ihrem Sample? Wie steht es um deren Überlebensrate?
Bozidar Radisic: Ich weiß nicht, ob ich Ihnen das sagen soll (lacht). Wir haben eine Observierungsstudie hierzu gemacht. Und den Patienten ein Konzentrat verabreicht. Wir wissen ganz genau, was sie einnehmen, welche Sorte und welche Dosierung. Es sind zwar nur zehn Personen, die wir dabei beobachten, doch mehr als 60 Prozent geht es wieder sehr gut, drei von ihnen gehen bereits erneut ihrer Arbeit nach. Das habe ich in Prag letztes Jahr auf dem Canna-Fest präsentiert. Und eben vor zwei, drei Wochen nochmals, denn habe ich ein großes Seminar in Ljubljana organisiert, auf dem auch der spanische Krebsforscher Guillermo Velasco als Vortragender geladen war und auch Dorothy Bray, welche die Kommission der Europäischen Union in Sachen medizinischem Cannabis berät. Wir machen jetzt Druck von beiden Seiten, von unten, in Grass-Roots-Manier, und von oben. Denn ich bin überzeugt, dass der Cannabiskonsum einfach ein Menschenrecht ist.
Hanf Magazin: Wie sieht es in den Nachbarstaaten aus, wo Sie auch Bewusstseinsbildung betreiben? Ungarn unter Victor Orban, oder eben Kroatien, das galten vor Jahren auch noch als sehr restriktiv in Sachen Cannabis.
Bozidar Radisic: Kroatien bewegt sich, dort erstarkt der Aktivismus zusehends. Anders als in Bosnien-Herzegowina, dort ist die Situation eher schlimm und es gibt nur ganz sporadische Versuche der Szene etwas voranzubringen. Serbien verbessert sich auch sukzessive, Mazedonien ebenso, wenngleich dort die politische Situation eben sehr ungewiss ist. Ungarn ist enorm restriktiv, dort ist Cannabis absolut verboten. Und ja, da wäre noch Österreich. Dort bekommt man Sativex und ein vergleichbares Präparat. Doch es mangelt an einer starken Aktivisten-Szene, ich weiß nicht warum. Dort läuft alles sehr langsam. Zu langsam will ich meinen.
Zur Person
Božidar Radišič (55, Murska Sobota) ist der wohl mit Abstand berühmteste Cannabis-Aktivist Sloweniens und Mitbegründer des ersten Hanf-Shops des Landes in seiner Heimatstadt Murska Sobota. Laut eigenen Angaben raucht er Joints seit seinem 13. Lebensjahr. Zahllose Schwerkranke unterstützte er in Sachen medizinischer Cannabis-Nutzung, auch wenn der Preis für seine Pionierarbeit mitunter hoch war. Er wurde zweimal zu einer Haftstrafe verurteilt, gegen die er zuletzt 2012 auch in den Hungerstreik trat. Er hatte fünf Cannabis-Pflanzen für den Eigenbedarf und Selbstmedikation in seinem Garten angebaut. Für fast drei Monate, die er in U-Haft verbrachte, verzichtete er auf die Nahrungsaufnahme. Bis schließlich die Anklagepunkte fallen gelassen wurden, aus Mangel an Beweisen. Radišič verlor dabei knapp 30 Kilo, und verließ das Gefängnis mit knapp 50 Kilo Gewicht.
Nach der NGO ONE, widmet sich Radišič nun mit der Menschenrechtsorganisation Human Rights First Association (slowenisch: PEST – društvo za človekove pravice) und der Plattform DemystifyingCannabis.org der Legalisierung von Cannabis generell. (jam)