Mit ihrem Werk „Bio Grow“ wird Alice Legit vom Nachtschatten Verlag verlegt und gibt immer wieder auf Hanfmessen Vorträge. Sie ist vielen gewiss ein Begriff für den biologischen Anbau von Marihuana. Studiert hat sie Wirtschaftswissenschaft.
Hanf Magazin: Alice, wie bringt man das zusammen, Wirtschaftswissenschaften zu studieren und dem Hanfanbau, dem Biobewusstsein und damit auch der Natur einen so großen Raum zu geben? Ist diese Kombination nicht alles andere als wirtschaftlich?
Alice Legit: Ich sehe zwischen Wirtschaftswissenschaften und Biobewusstsein keinen Widerspruch – ganz im Gegenteil. Zunächst muss man sich einmal bewusst machen, dass wir momentan bei der Produktpreiskalkulation ausschließlich direkt anfallende Kosten bedenken, nicht jedoch jene einrechnen, die der Allgemeinheit durch Umweltschäden und Co entstehen. Die Kostenwahrheit entspricht also nicht den Marktpreisen, die wir heute zahlen.
Worauf will ich hinaus? Ich bin Systemkritikerin und es ist mir sehr wichtig, ein Bewusstsein dafür zu schaffen, dass unsere konventionellen Produktionsweisen von Konsumgütern auf Kosten der Allgemeinheit gehen. Aber zurück zur Situation, wie wir sie heute haben: Jeder Bio-Bauer wird wohl ein Lied davon singen können, wie wichtig eine genaue Kalkulation ist, um langfristig überleben zu können. Und wer nicht wirtschaftlich arbeitet, hat so wie so ein Problem – ganz egal ob bio oder nicht. Cannabis ist da natürlich in Ländern wie der Schweiz, Deutschland und Österreich, in denen der Anbau und Verkauf leider noch immer verboten ist, noch einmal ein Sonderfall. Aufgrund der Illegalität ist der Preis grundsätzlich eher hoch. Dafür besteht (noch) kaum ein Bewusstsein für Bioqualität. In Ländern wie Colorado, wo Cannabis bereits legal erhältlich ist, sieht man jedoch, dass die Nachfrage nach Bio-Ware immens ist.
Hanf Magazin: Wie und wann genau bist du zum Hanf und später zum Hanfanbau gekommen?
Alice Legit: Ursprünglich war ich natürlich auch nur Konsumentin. Und obwohl ich da schon seit Jahren nur noch Biolebensmittel gekauft habe, habe ich nie über das Gras sonderlich nachgedacht, dass ich da geraucht habe. Erst durch Artikel über die Streckmittel, die manche – in diesem Fall wirkliche – Verbrecher dazu mischen, hat sich da bei mir ein Bewusstsein entwickelt. Als mich dann jemand gefragt hat, ob ich mir nicht zwecks Eigenversorgung ein Zelt teilen möchte, haben wir dann fast direkt mit einer biologischen Wirtschaftsweise begonnen.
„Bio“ ist ein dehnbarer Begriff. Hier bauen jetzt direkt mehrere Fragen auf, angefangen mit dem Biodünger. Ein uns bekannter Landschaftsgärtner erklärt glatt, dass Biodünger ein Marketinggag ist, da Pflanzen nur mineralischen Dünger aufnehmen können und der Biodünger im Boden erst umgewandelt werden muss. Warum ist Biodünger dennoch besser?
Hmmm…. Marketinggag… Ich meine, ich komme ja aus einer Gärtnerfamilie, insofern muss ich aus Erfahrung sagen: Diese Aussage stimmt so einfach nicht. Das ist viel zu vereinfacht gesagt, und die Schlussfolgerung ist ebenfalls nicht richtig. Nur so als Gedankenanstoß: Wenn dem so wäre, woher würden dann die Pflanzen in der Natur ihre Nährstoffe beziehen?
Ganz abgesehen davon würde das entweder bedeuten, dass alle Biobauern entweder keine Ernte haben dürften oder alle Betrüger sind. Nein, nein. Auch aus meiner persönlichen Erfahrung kann ich sagen, dass Biodünger sehr wohl funktioniert, wenn auch vielleicht etwas anders als mineralischer Dünger. Mineralischer Dünger hat sicher den Vorteil, dass die Pflanze die enthaltenen gelösten Nährstoffe & Co direkt aufnehmen kann. Aber – und zwar viele große Abers – abgesehen von der schnellen Aufnahmefähigkeit hat das Ganze eigentlich nur Nachteile: Ganz abgesehen von dem hohen Energieaufwand in der Produktion laugen mineralische Dünger schnell den Boden aus, da sie viele Salze enthalten.
Sie schädigen und töten das Bodenleben, führen sehr leicht zu Überdüngungserscheinungen und die enthaltenen chemischen Stoffe – zum Teil sogar künstlichen Hormone – sind später dann auch in den Pflanzen nachweisbar. Nachdem Cannabispflanzen ja im Allgemeinen vergleichsweise kurz in ein und derselben Erde stehen (zumindest dann, wenn man Indoor anbaut, meinen viele, dass es doch egal ist, ob das Bodenleben stirbt und die Erde ausgelaugt wird. Aber dem ist nicht so. Organischer Dünger arbeitet nämlich anders. Sie bestehen aus fermentierten Pflanzenteilen, Mikroorganismen und natürlichen Nährstoffen etc.
In Flüssigdüngemittel sind die Nährstoffe meist schon sehr weit gelöst, sodass sie gut von den Pflanzen aufgenommen werden können. Um die sozusagen groben Teile, die noch ungelösten Nährstoffe in für die Pflanzen aufnehmbare Stoffe umzuwandeln, braucht es Mikroorganismen. Und diese wiederum brauchen eine gesunde Erde und leiden sowohl unter mineralischen Düngemitteln wie auch unter vielen Pestiziden. Der Vorteil: Da nicht alle Nährstoffe sofort in gelöster Form vorhanden sind, kommt es weniger leicht zu Überdüngungserscheinungen. Insgesamt habe ich nach dem Umstieg auf Bio bemerken können, dass die Pflanzen kräftigere Wurzeln und dickere Stämme entwickeln und insgesamt gesünder und robuster sind.
Hanf Magazin: In deinem Werk „Bio Grow“ geht es um den Indoor Bio Anbau. In der Produktionskette muss jedoch alles Bio sein, damit das Produkt später ebenfalls Bio ist. Gilt das auch für den Strom? Und wenn ja, werden die Solarpanels und Windkrafträder als „Bio“ hergestellt?
Alice Legit: Da sind wir dann wohl bei der eigentlichen Frage: Wie weit kann und muss Bio gehen? Geht man von den EU-Bio-Lebensmittel-Standards ausgeht, muss die Stromversorgung nicht öko sein – auch wenn die eine oder andere Maßnahme in diese Richtung gefördert wird. Ich denke, im privaten Indoor-Anbau von Cannabis muss jeder für sich entscheiden, wie weit er oder sie gehen möchte. Ich vergleiche das immer mit Biolebensmitteln: Es gibt einfach einen Qualitätsunterschied zwischen einer Bio-Discounter-Eigenmarke und z. B. Produkten mit dem Demeter-Gütesiegel. Der Pflanze ist es vollkommen egal, ob sie für Ökostrom oder für Strom aus einem Atomkraftwerk bezahlen, Hauptsache sie bekommt ihre 18/12 Stunden Licht am Tag. Vom ökologischen Fußabdruck, also vom ökologischen Standpunkt aus, macht es einen gewaltigen Unterschied. Das habe ich auch in meinem Buch vorgerechnet: Wird eine 600W Lampe 12 h am Tag, ein Jahr laufen gelassen, so wird dabei etwa 1,5 t CO2 produziert, wenn der Strom von einem konventionellen Anbieter produziert wurde. Bei einem Öko-Stromanbieter entstehen vergleichsweise nur 0,11 t CO2!
Das Thema „Wie öko ist Sonnen-, und Windkraft?“ Ist ziemlich komplex – ein Pauschalurteil ist da eigentlich kaum möglich. Vergleicht man mit Energie aus einem Kohlekraftwerk, rentieren sich solche Ökoanlagen in Hinsicht auf das CO2 meist schon nach wenigen Jahren. Das ist davon abhängig, um welche Art der Anlage es sich genau handelt, also um welche Materialien, und wie deren Produktionsbilanz aussieht. Aber auch ganz stark von der Größe – umso größer, umso besser – und davon, wie hoch der Errichtungsaufwand ist. Es macht auch von der CO2-Bilanz einen Unterschied, ob ich Windräder im Meer, am Flachland, oder im Gebirge aufstelle.
Ob ich eine Solaranlage direkt in ein neu gemachtes Haus einbaue, es auf eine altes montieren lasse oder ich in der Ebene einen ganzen Solarpark hinstelle. Im Allgemeinen sind Solar- und Windkraftwerke aber immer ökologischer, als Kohlekraftwerke. Atomkraftwerke haben natürlich gar nicht so eine schlechte CO2-Bilanz. Die sonstigen Umwelt- und Gesundheitsrisiken machen diese Art der Energiegewinnung jedoch meiner Meinung nach jedoch so wie so uninteressant. Wasserkraft ist jedoch noch einmal ein ganz eigenes Thema. Da muss wirklich jedes Kraftwerk individuell auf die sonstigen Umweltschäden bewertet werden.
Hanf Magazin: Stechapfel mit tödlicher Überdosis oder der „Naturdünger“ vom Bauer sind in gewisser Weise auch bio. Ist Bio immer besser? Oder kommt es doch auf die richtigen Bioprodukte an, da Supermarkt-Bio wirklich nur der Marketinglogan ist?
Alice Legit: Also jedenfalls in Europa kann man sich sicher sein: In Lebensmitteln, auf denen Bio draufsteht, ist auch Bio drin‘! Ausnahmen bestätigen wie überall, auch hier die Regel.
Aber wie ich vorher schon angesprochen habe, ist bio nicht gleich bio. Die EU-Richtlinien sind jedenfalls immer einzuhalten, manche Eigenmarken und die meisten Gütesiegel haben aber strengere Biorichtlinien, deren Einhaltung von unabhängigen Instituten regelmäßig überprüft wird. Sie müssen sich allerdings bewusst sein, dass das süße Ferkel, dass Sie in der Werbung über die grüne Alm, zwischen den Kühen rumrennen sehen, ein idealisiertes Bild ist. Außerdem berücksichtigt kaum eines der Biosiegel soziale Standards – Thema Fair-Trade. Fair-Trade-Kaffe, -Bananen und andere tropische Produkte sind in Supermärkten heute schon recht normal, die Situation der heimischen Bauern wird aber leider nicht berücksichtigt. Wussten Sie, dass der Bio-Bauer, dessen Milch Sie im Supermarkt um 1,20€ pro Liter gekauft haben, von dieser Summe nur 0,35-0,43€ pro Liter bekommt. Und da haben es die Biobauern noch gut: Konventionelle Bauern erhalten nur etwa die Hälfte dieses Preises.
Was will ich damit sagen: Bio ist dann am besten, wenn es regional produziert, und im Idealfall direkt beim Bauern gekauft wurde. Da hat der Konsument was davon, genauso wie die Umwelt und der Bauer. Am besten kauft man daher auf Bio-Bauernmärkten, oder organisiert sich einen Food-Coop und kauft gemeinsam direkt beim Bio-Bauern. Ich sage ganz bewusst überall „bio“ dazu, denn eines ist mittlerweile auch ganz klar: Regional gekauftes Gemüse bringt ökologisch, wie gesundheitlich gar nichts, wenn es mit Kunstdünger und Pestiziden zugeschüttet wurde. Meiner Meinung nach auch eine tolle Alternative: Man baut sich seine Konsumgüter einfach selbst in Bioqualität an.
Hanf Magazin: Jetzt aber hin zum Marihuana: Eigentlich jeder Grower hat seine eigene Philosophie, es gibt viele Theorien und Strategien, vieles funktioniert. Warum soll Marihuana besser sein, wenn es Bio ist? Geht es dabei nur um die Gesundheit oder auch um die bessere Wirkung?
Alice Legit: Die meisten mit denen ich darüber geredet habe, egal, ob sie wussten, dass es sich um Bio handelt, oder nicht – haben gemeint, dass es irrsinnig gut riecht und schmeckt. Und bisher von allen, die länger nur Bio-Cannabis geraucht haben, habe ich gehört, dass ihr Husten besser geworden ist; dass ihnen jetzt erst aufgefallen ist, wie „normales“ Gras im Hals kratzt, und Ähnliches. Ist eigentlich eh klar: Im konventionellen Indooranbau werden ja neben mineralischen Düngemitteln, beinahe immer auch Pestizide verwendet – häufig noch dazu welche, die für den menschlichen Verzehr nicht gedacht sind.
Wenn man sich die konventionelle Gemüseproduktion ansieht, dann müssen Feldarbeiter zum Spritzen der Pflanzen häufig Schutzanzüge und Atemmasken anziehen und für die meisten Menschen ist vollkommen selbstverständlich, dass das Gemüse vor dem Essen gewaschen wird. Wir wollen Pestizide also weder direkt einatmen noch mitessen. Ich frage mich also, warum sollte man das Zeug rauchen wollen? Schließlich sind Pestizide nicht darauf getestet worden, welche Gase etc. sich entwickeln, wenn man sie verbrennt und damit eine chemische Reaktion auslösen. Ich finde, in Bezug auf Geschmack und Wirkung ist Bio-Cannabis unübertroffen. Was anderes will ich gar nicht mehr rauchen. Und ich denke, so ähnlich geht es vielen, die einmal mit Bio angefangen haben.
Hanf Magazin: Ist der Bio Marihuanaanbau auf die Erntemenge teurer, als wenn einfach eine kommerzielle hydroponische Anlage hochgezogen und bis zum Beginn der Blütenbildung auch mal mit verträglichen Mittelchen gespritzt wird?
Alice Legit: Ich kann das so gar nicht direkt beantworten, da ich mich immer geweigert habe mit hydroponischen Anlagen zu arbeiten. Das System ist so empfindlich, die Pflanzen so abhängig, die Gefahr von Wasserbrüchen, die Düngegenauigkeit…. Ich kenne einige, die solche Anlagen ausprobiert haben. Am Ende haben mich ihre Geschichten dann aber doch meist abgeschreckt. Nein, so was wollte ich nie. Erde ist das natürliche Medium, in dem Pflanzen wachsen und gedeihen und ich bin überzeugt, dass man so die gesündesten, robustesten Pflanzen bekommt.
Und am Ende kommt es doch gerade bei Cannabis ganz stark auf die Fähigkeiten, die Aufmerksamkeit und die Konsequenz des Growers an. Ich kann pro 600 W Lampe auch 700 g Bioernte einfahren – wenn die Sorte, die Temperatur von Luft und Wasser, die Luftfeuchtigkeit, die Versorgung mit Nährstoffen gestimmt haben. Hat man irgendwo Fehler gemacht, erntet man vielleicht nur 300 g, wie das eben im konventionellen Anbau auch ist. Ich glaube also, es kommt mehr auf die Fähigkeiten des Growers an, zum richtigen Zeitpunkt die richtigen Maßnahmen zu setzen. Mit welcher Methode dann genau gearbeitet wird, ist in Bezug auf die Kosten pro Gramm – glaube ich – eher nebensächlich. Außerdem darf man nicht vergessen, dass die Erntemenge nur wenig über die tatsächliche Qualität der Blüten aussagt.
Hanf Magazin: Was wären deine Anfängertipps für den Bio Marihuanaanbau?
Alice Legit: Ich würde jeder Person, die anbauen möchte – egal, auf welche Weise dann im Konkreten – dazu raten, ausreichend Zeit in die Vorbereitung der Anlage, sowie in die Sauberkeit beim Arbeiten zu investieren. Umso besser, also bequemer man z. B. in seinem Zelt arbeiten kann, umso mehr Zeit wird man bereit sein, darin zu verbringen; umso sauberer wird man tendenziell arbeiten und umso mehr wird man das Thema Raumklima im Blick haben. Das alles wirkt sich im Endeffekt positiv auf die Pflanzen aus. Wenn man sich dann auch noch an den Düngeplan hält, sind die Grundsteine für einen gelungenen Anbau eigentlich schon gelegt.
Wer schon etwas Erfahrung im Gärtnern, oder einfach einen grünen Daumen hat, dem würde ich raten: Augen aufmachen, die Pflanzen als individuelle Lebewesen erkennen, die umso besser gedeihen, je genauer man auf ihre Wünsche eingeht. Nicht jede Pflanze hat exakt denselben Flüssigkeitsbedarf.
Für den Bioanbau ist es ähnlich, wie beim Nicht-Bioanbau: Das Problem wird erkannt, z. B. Spinnmilben. Anstelle von einem Spritzmittel werden die passenden Raubmilben eingesetzt. Der Grower muss nur einmal die Grundlagen kennen. Ist der Marihuana Bioanbau mit diesen Grundlagen vergleichbar leicht, wie der Nicht-Bioanbau? Vergleichbar leicht…. könnte ich so nicht sagen. Eher anders leicht. Ich finde es z. B. nicht besonders einfach mich entscheiden zu müssen, ob ich über die schönen Blüten wirklich noch mit einem Pestizid drüberfahren möchte, das ich später eigentlich nicht mitrauchen will, oder ob ich die Schädlinge eine fröhliche Urstände feiern lassen will. Nur diese Wahl bleibt einem jedoch meistens, wenn man „die konventionelle Schiene“ fährt.
Ich arbeite da bei meiner biologischen Betriebsweise anders – aber wie gesagt: bio, ist nicht gleich bio; und arbeiten tut so wie so jeder unterschiedlich. Ich lege großen Wert auf die ganzen Vorarbeiten, die Optimierung der Anlage, strikte Sauberkeit und vor allem auf das perfekte Temperatur- und Luftfeuchtigkeitsspektrum. Außerdem sind meine Pflanzen, glaube ich, durch die relativ natürliche Arbeitsweise, die Erde, die beigefügten Mikroorganismen, den gewählten Blühzyklus, das Arbeiten mit den Mondrhythmen und all diesen Dingen sehr robust. Daher habe ich vergleichsweise selten Probleme mit Schädlingen. Manch einem mag es schwieriger erscheinen, sich so mit seinen Pflanzen und der Anlage zu beschäftigen. Ich finde es insgesamt einfacher, als mich ständig mit Quälgeistern wie Spinnmilbe auseinanderschlagen zu müssen. Die Qualität spricht so wie so für sich.
Und: Wenn man weiß, welche die richtigen, biologischen Maßnahmen sind, bzw. wo man sie nachlesen kann, ist das auch nicht viel schwieriger, als die Gebrauchsanweisung eines Pestizids und die benötigten Mengen zu entziffern.
Hanf Magazin: Neben selbst gewonnen Pflanzenstärkungsmitteln und den Nützlingen gibt es auch Pflanzen, die im kombinierten Anbau dem Hanf helfen. Du greifst in deinem Werk diese und weitere Punkte auf?
Alice Legit: Da bei den meisten GrowerInnen vor allem eines Mangelware ist, nämlich Platz, habe ich den kombinierten Anbau ähnlich der Permakultur im Gemüsegarten in meinem Buch ausgelassen. Dafür findet man darin viele andere Tipps und Tricks, die einem dabei helfen können, seine Pflanzen gesund und schädlingsfrei zu halten. Angefangen von der Langzeitdüngung durch Schafswolle, über Aromatherapie gegen Spinnmilben, kann man vieles aus dem Garten- und Gemüsebau auch für die Hanfkultivierung verwenden. Ich bin da auch immer noch am Testen neuer Tipps und Tricks und bin für jede Anregung dankbar. Nur wer’s ausprobiert weiß, wovon er spricht, oder? So bin ich ja auch auf das Arbeiten mit den Mondphasen gekommen.
Hanf Magazin: Einen Schwerpunkt setzt du auf die Mondphasen. Jetzt habe ich meinen Pflanzraum und könnte direkt loslegen, um dann auch früher zu ernten. Warum sollte ich mit dem Säen, dem Schneiden der Stecklinge, der Einleitung der Blüte oder der Ernte noch auf die passende Mondphase warten, wenn das doch Leerstand bedeutet, der nicht wirtschaftlich ist?
Alice Legit: Ich kann vor allem aus meiner persönlichen Erfahrung sprechen: Seit ich nach dem Mond arbeite, brauche ich weniger Wasser und Dünger, meine Pflanzen sind kräftiger und bekommen weniger leicht Schädlinge. Ich kenne bisher zwei andere, die auch nach dem Mond arbeiten, oder früher gearbeitet haben, und beide haben mir diese Erfahrungen bestätigt.
Aber natürlich arbeite ich nicht dogmatisch nach dem Mond – das Ganze ist ja zum Glück keine Religion. Es geht darum, den möglichst besten Zeitpunkt zu erwischen, nämlich den für einen persönlich möglichst besten Zeitpunkt. Das heißt also z. B. im Bezug auf’s Düngen: Wenn ich mitten in der Blütephase bin und weiß, dass ich in 4–5 Tagen wieder gießen, bzw. düngen muss, schaue ich eben in den Kalender.
Stehen beide Tage im Wasserzeichen, suche ich mir aus, wann es für mich besser geht, oder passe es spontan an den tatsächlichen Bedarf an. Stehen wir aber kurz vor dem Vollmond, und dann vielleicht noch in einem Feuerzeichen, warte ich lieber vielleicht sogar bis zum 6. Tag, und dünge dann ausgiebig. Und manchmal muss man dann halt auch einfach gießen, wenn es vom Mond nicht ideal ist, dann verzichte ich eventuell das eine Mal auf die Düngegabe oder gieße gerade nur so viel wie nötig und warte wortwörtlich auf bessere Zeiten.
Aber um auf die eigentliche Frage zurückzukommen…
1. Solange die Anlage nicht läuft, hat man nur eine Stehzeit, aber keine laufenden Kosten.
2. Wenn ich Samen ansäe oder Stecklinge schneide, dann achte ich wirklich recht penibel, auf den richtigen Zeitpunkt, da ich bei diesen Maßnahmen sehr große Unterschiede im Ergebnis beobachtet habe. Bei allen anderen Maßnahmen reicht es ja meist so wie so, wenn man die Maßnahme um einen oder zwei Tage früher oder später setzt, um einen – zumindest halbwegs – guten Zeitpunkt zu erwischen. Wenn ich also z. B. Steckis an einem festgelegten Tag kaufe, der nicht an die Mondphase angepasst wurde, weil es etwa zeitlich nicht anders geht, dann warte ich eventuell mit dem Umtopfen einen oder zwei Tage, um dafür einen Erdtag zu erwischen. Auch den Beginn der Blühphase kann man ein paar Tage rauf oder runter schieben, man muss eben etwas flexibel sein.
Allgemein kann man sagen: Im Idealfall wird der beste Tag oder ein guter Tag gewählt. Ist das nicht möglich, versucht man einfach nur ganz, ganz schlechte Tage zu vermeiden. Daher dünge ich z.B. grundsätzlich nie am Tag vor Vollmond egal, in welchem Tierkreiszeichen der steht.
Hanf Magazin: Jetzt habe ich mein Bio Marihuana, nehme parfümierten sowie behandelten Tabak und rauche meinen Joint?
Alice Legit: Das kann man natürlich so machen, wenn man will. Ich kenne jedoch ehrlich gesagt niemanden, der Wert auf Bioqualität legt und dann keinen zusatzstofffreien Tabak verwendet. Viele verzichten überhaupt komplett auf die harte Droge Tabak – denn als solches kann man Zigaretten durchaus bezeichnen, wenn man sich das Suchtpotenzial ansieht. Ganz im Gegensatz zu Cannabis. Viele, die ich kenne, kiffen zwar, rauchen aber keine Tabak-Mischung, sondern verwenden ausschließlich Substitute wie Damiana, Brennessel- oder Haselnussblätter. Auch kleine Purpfeifen oder Vaporizer (Inhalatoren für den Cannabiskonsum) bieten sich an. Aber nichtsdestotrotz, egal was genau man raucht, gesund ist das für die Lunge definitiv nie.
Hanf Magazin: Ist Rauchen überhaupt eine „Bio Konsumform“? Bio bedeutet doch, dass man auf schonende Weise mit der Umwelt und vor allem sich selber umgeht. Rauchen ist keine schonende Konsumform.
Alice Legit: Das stimmt so nicht ganz. „Bio“ sagt nichts darüber aus, ob ein Produkt gesund ist oder nicht, sondern nur über die Art und Weise, wie es produziert wurde. Es gibt auch verschiedene Alkoholika in Bio-Qualität – wir sind uns aber glaube ich alle einig, dass Alk nicht sonderlich gesund ist.
Aber ich verstehe natürlich, worauf du hinaus willst. Ein nachhaltiger ökologischer Lebensstil steht meistens auch in Verbindung mit einer gesunden Lebensweise. Interessanterweise rauchen sehr viele auch durchaus bewusste, häufig alternative Menschen Tabak und dabei schließe ich mich selbst gar nicht aus. Das mag psychologisch erklärbar sein, mutet manch einmal jedoch trotzdem seltsam an. Teures Bio-Essen, Öko-Schuhe und nur mit dem Rad unterwegs und gleichzeitig mit einer Zigarette im Mund. Scheint nicht wirklich zu passen. Das ist aber sicher auch der Grund, warum die meisten von diesen Menschen immerhin zusatzstofffreien Tabak konsumieren, überhaupt auf E-Zigaretten umgestiegen sind oder komplett aufgehört haben.
Wer gar nicht rauchen möchte, trotzdem jedoch nicht auf Cannabis verzichten will, dem bleibt natürlich auch über die orale Einnahme sowie die Aufnahme über die Haut. Wenn man weiß wie, kann man sich tolle Alternativen zum Rauchen finden. Entweder als Hautöl, als Tee oder zum Essen.
Hanf Magazin: Das Bio-Thema ist ungemein umfassend, dein Werk mitsamt der Bilder hat aber nur 184 Seiten. Damit reißt du das Thema doch eigentlich nur an?
Alice Legit: Stimmt. Ich hätte sehr, sehr vieles noch um einiges ausbauen können. Man muss aber bedenken, dass von der ersten Idee für das Buch bis zum Erscheinungsdatum gerade einmal ein Jahr vergangen ist – das ist sehr wenig Zeit, um so ein Buch „nebenbei“ zu schreiben. Aber es hat nun einmal geeilt, schließlich gab es damals noch kein einziges Werk, das sich mit biologischem Cannabisanbau beschäftigt hat, die Nachfrage danach war aber durchaus da. Außerdem sehe ich mein Buch stark als Praktikerbuch: Kurz, kompakt, auf das Wesentliche beschränkt. Ich kann mir aber durchaus vorstellen, ein ausführlicheres Werk zu schreiben, dass das gesamte Thema Cannabis umfasst. Außerdem ist seit dem Erscheinen beinahe ein ganzes Jahr vergangen und in dieser Zeit habe ich natürlich wieder einiges ausprobiert und dazugelernt.
Hanf Magazin: Du hast jetzt ein Buch geschrieben, welches als Print beim Nachtschatten Verlag oder im gut sortierten Buchhandel angeboten wird. Wird es dabei bleiben oder sind Folgewerke bereits in Arbeit?
Alice Legit: Das ist eine Frage für die Sterne. Keine Ahnung. Ich habe ja auch noch ein Leben neben dem Cannabisanbau, da stellt sich einfach die Frage, wie es sich zeitlich einrichten lässt. Ich habe ja schon bei ein paar Büchern als Ghostwriterin mitgewirkt, ich weiß also, wie viel Zeit so was kostet – da muss ich mir einfach genau überlegen, wo ich meine Energie hinein investiere. Aber ein Gesamtwerk oder auch nur eine überarbeitete Neuauflage kann ich mir grundsätzlich gut vorstellen. Fotos mache ich immerhin schon dafür.
Hanf Magazin: Neben dem Buch gibst du Vorträge und bist aktiv. Hast du da so etwas wie einen Terminkalender, den jeder im Web aufrufen kann?
Alice Legit: Leider nein, und meine öffentlichen Aktivitäten halte ich auch ziemlich beschränkt. Solange der Konsum und der Anbau von Cannabis nicht EU-weit oder zumindest in meiner Heimat komplett legalisiert ist, kann und möchte ich mich so wenig wie möglich exponieren. Ich habe schon lange genug überlegt, ob ich dieses Buch überhaupt veröffentlichen soll, und treffe Entscheidungen, wie z. B. auf welchen Veranstaltungen ich auftrete, und auf welchen lieber nicht, immer noch nicht leichtfertig. Nicht grundlos veröffentliche ich unter einem Pseudonym. Vielleicht bin ich paranoid, aber ich kenne einfach zu viele abschreckende Geschichten. Ich hab‘ ja neben meinem Hobby auch noch ein anderes Leben, einen Job, Familie, Freunde, ehrenamtliche Tätigkeiten. Ich habe wirklich kein Interesse daran meine Lebenszeit in einer Gefängniszelle zu verschwenden, für ein „Verbrechen“, das in meinen Augen keines ist, sondern nur noch aus historischer Verbissenheit als solches gewertet wird.
Aus diesem Grund ist es auch so wichtig, dass sich mehr Menschen für die Legalisierung von Cannabis stark machen: Unterschreibt Petitionen, wählt die passenden Parteien, engagiert euch in Vereinen, oder teilt eure Sicht der Dinge einfach nur in eurem Freundeskreis, um die öffentliche Meinung zu diesem Thema endlich zu drehen. Jeder Beitrag zählt.
Und: Nur, wenn Cannabis endlich legalisiert wird, kann sich auch ein Bewusstsein, und in Folge ein Markt für biologische Erzeugnisse entwickeln.
So weit der Bioanbau von Alice Legit. Es muss natürlich keiner an jeder Stelle im Leben „Bio“ sein. Etwas intensiver auf die Umwelt und auf sich selber zu achten wäre jedoch jedem dringlich anzuraten, da wir uns in dieser Welt dem Punkt nähern, an dem es dann wirklich zu viel wird. Für unsere Welt und für uns selber. Und wer hier und da Bio lebt, der erlebt die Welt vielleicht auch bewusster und lebt bald nur noch Bio.