Seit März 20217 kann in Deutschland medizinisches Cannabis regulär verschrieben werden, wenn die Behandlung mit gängigen Arzneimitteln nicht den gewünschten Erfolg mit sich bringt. Dennoch ist es für viele schwerkranke Menschen schwierig, den richtigen Arzt zu finden, der das Heilkraut bedenkenlos verschreibt.
Ebenso stellen sich weiterhin die gesetzlichen Krankenkassen der Kostenübernahme oft noch in den Weg und lassen Patienten für die Medizin in die eigene Tasche greifen. Nach fast fünf Jahren im Verkehr hat sich hier wenig geändert, sodass man gut und gerne behaupten kann, dass Cannabis in der Medizin zwar angekommen ist, aufgrund der Überregulierung aber noch immer große Schwierigkeiten bezüglich des tatsächlichen Einsatzes herrschen.
Aktueller Status
Am 31.03.2022 endet die Pilotphase bezüglich der Einsatzfähigkeit von medizinischem Cannabis mit dem Ende der damit verbundenen Begleiterhebungen, die über Erfolge und Misserfolge Auskunft bringen sollen. Nach länger andauernden Anfangsschwierigkeiten bei der ausreichenden Versorgung durch Apotheken hat sich mittlerweile die Lieferfähigkeit und die Verfügbarkeit recht gut entwickelt. Es gibt eine ansprechende Produktvielfalt, auf die die Patienten zurückgreifen können und die für die unterschiedlichsten Erkrankungen von Nutzen sind.
Dennoch besteht weiterhin die Problematik, den entsprechenden Mediziner zu finden, der die natürliche Arznei vorbehaltlos verschreibt, sodass man von einer unzureichenden Patientenversorgung sprechen kann. Immerhin haben sich bekannte Informationsplattformen für Ärzte seit Neustem dem Thema verschrieben und bieten neuste Erkenntnisse und Diskussionsoptionen, damit das Wissen über Cannabis wächst und die Zweifel über den Einsatz verringert werden können.
Grundlegende Probleme
Die größten Probleme waren und bleiben vorerst wohl die Genehmigungsvorbehalte bei den gesetzlichen Krankenversicherungen bezüglich der Kostenübernahme des vom Arzt verschriebenen Arzneimittels. Mediziner und Patienten stehen zudem immer noch vor einem enormen bürokratischen Aufwand, wollen sie Krankheiten mit Medizinalhanf legal behandeln. Die Ablehnungsquote seitens der Versicherer liegt derzeit weiterhin bei über 30 Prozent, sodass einem guten Drittel der Schwerkranken nur die Option bleibt, das besonders kostspielige Apothekengras aus eigener Tasche zu bezahlen.
Für viele ist daher der Weg zum illegal agierenden Straßenhändler unausweichlich, was jedoch auch den hilfesuchenden Patienten einen Gesetzesbruch begehen lässt. Dazu weiß man bei diesen Quellen nichts über die Qualität der Ware, über die genauen Inhaltsstoffe und die möglicherweise vorhandenen gesundheitsschädlichen Verunreinigungen. Gründe für die Bedenken der Krankenkassen sind dagegen in erster Linie wohl bei den hohen Therapiekosten zu finden sowie dem noch bestehenden Mangel genügend klinische Studien sichten zu können, die über die Evidenz der Wirksamkeit berichten. Vorurteile gegenüber dem natürlichen Arzneimittel aufgrund der Dekaden andauernden Prohibition spielen aber sicherlich ebenso noch eine nicht zu verachtende Rolle.
Betäubungsmittel vs. Arznei
Medizinisches Cannabis ist zwar eine verschreibungspflichtige Arznei, dennoch hat es ebenso noch den Status eines Betäubungsmittels. Dank der Einstufung als BtM unterliegt es strengen Regeln und einer strikten Überwachung. Nur bei schwerwiegenden Erkrankungen, bei denen zuvor andere Rezeptarznei nicht den gewünschten Effekt brachte, kann Medizinalhanf vom behandelnden Arzt verschrieben werden. Hier lassen die gesetzlichen Vorgaben aber einen großen Interpretationsspielraum, was als schwerwiegende Erkrankung diagnostiziert werden kann. Selbst wenn ein Mediziner Gründe für den Einsatz von Cannabis für gerechtfertigt hält, heißt das nicht, dass die Krankenkassen in der Pflicht stehen, diese Einschätzung bedingungslos anzuerkennen.
Die Therapiehoheit des praktizierenden Arztes kann somit untergraben und infrage gestellt werden. Dies widerspricht zudem den stetig hinzukommenden Forschungsergebnissen, die einer auf Cannabis basierenden Therapie bei vielzähligen Indikationen eine sehr gute Wirksamkeit bescheinigen. Dennoch scheint weiterhin eine gewisse Form von Stigmatisierung an der Tagesordnung, da selbst Ärzte noch zu häufig Cannabis als Droge betrachten. Zusätzlich können auch Ängste vor Regress bei einer Verschreibung zu Hemmungen aufseiten der Mediziner führen.
Visionen für die Zukunft
Da bald die Beendigung der Pilotphase und damit auch ein Ende der Begleiterhebungen bevorsteht, sollten eigentlich viele Bedenken auf den Seiten aller Beteiligten der Vergangenheit angehören. Doch bislang gibt es keine bemerkbaren Tendenzen, die eine Aussicht auf Verbesserungen der regulatorischen Rahmenbedingungen versprechen. Dabei wäre es mehr als nur wünschenswert, wenn die Akzeptanz der Medizinalhanftherapie für alle Erkrankungen zunehmen würde, wenn die entsprechende Datenlage bei den unterschiedlichen Indikationen angemessene Vorteile verspricht.
Beispielsweise bei chronischen oder neuropathischen Schmerzen, Spastiken und ähnlichen Leiden, über die es schon berichtenswerte Auswertungen gibt. In diesen Fällen müsste eine wesentlich unbürokratischere Herangehensweise den Zugang zur Naturarznei Cannabis für alle Patienten ermöglichen. Dies würde auch die Therapiehoheit des Arztes wiederherstellen, der schließlich im Gegensatz zu den Krankenkassen direkt mit dem jeweiligen Krankheitsbild konfrontiert ist.
Wichtig wäre zudem, dass die Wissenschaft nach weiteren Indikationsfeldern forscht und so für eine Verbesserung der Evidenz bezüglich der Wirksamkeit von medizinischem Cannabis sorgt. Auf lange Sicht erscheinen dann auch spezielle Fertigarzneimittel sinnvoll, die gegen die verschiedensten Symptome einer Krankheit nutzbringend eingesetzt werden können.
Medizinalhanf bleibt wichtig
Auch wenn die Regierung der Bundesrepublik Deutschland sich zum Ziel gesetzt hat, Cannabis für den Genussgebrauch in dieser Legislaturperiode zu legalisieren, dürfen die Bedürfnisse der Cannabis-Patienten deshalb nicht unberücksichtigt bleiben. Genussmittel für den Freizeitgebrauch ersetzten schließlich keine Arzneimittel und eine angemessene ärztliche Betreuung im Therapiefall.
Wie hilfreich der Einsatz von Cannabisblüten im medizinischen Sinne ist, beschreibt beispielsweise eine Patientin mit chronischer Migräne. Für sie ist die Wirkung des pflanzlichen Heilmittels mit einem „Urlaub für das Gehirn“ vergleichbar, da sie sich aufgrund der Effektivität von den Schmerzen distanzieren konnte. Sie habe massiv an Lebensqualität zurückgewonnen und kann seitdem wieder ihrem Beruf nachgehen. Selbst Weiterbildungen und sportliche Aktivitäten sind dank des Einsatzes von Medizinalhanfblüten wieder im Bereich des Machbaren.
Es gibt also genügend gute Gründe, die Verschreibungsfähigkeit und den Gebrauch von medizinischem Cannabis erheblich zu erleichtern. Dafür wäre es hilfreich, den bürokratischen Aufwand für Therapien mit dem natürlichen Heilmittel stark zu verringern. Die Überregulierung von medizinischem Cannabis gehört beendet – für Kassen, Ärzte und Patienten.