Wir kennen alle die Stammtisch Zeitungsleser, die mit ganz einfachen Strategien die Welt in 48 Stunden retten können. Alkoholtote sind dabei so alltäglich, dass man nur die Traueranzeige druckt. Bei geschätzten 74.000 Todesfällen in Deutschland interessiert der Einzelfall einfach nicht mehr. Bei weniger als 2000 Drogentoten im Jahr (1226 laut BKA in 2015, 1333 in 2016) ist das was anderes.
Die tragischen Einzelschicksale sind überschaubarer, dabei handelt es sich jedoch um viele „gemachte“ Vorfälle. Wenn es dazu noch junge oder sogar minderjährige Menschen trifft, ist das schon eine Schlagzeile in der „Bildzeitung“ wert. Hätte ein härteres Drogenverbot das nicht verhindern können?
Verfolgung treibt uns in den Tod
Wie lautet damit die einfache Lösung der Stammtischsäufer und der besorgten Mütter? Repression, viel mehr Repression! Man muss die Dealer festsetzen, die Drogenszenen bekämpfen, denen mal das Leben so richtig schwer machen und für hohe Preise durch Marktverknappung sorgen.
- Dass ein beträchtlicher Teil der Konsumenten auch wegen der Preise einfach selber zum Kleindealer wird, um bessere Kurse zu erhalten oder sich selber besser finanzieren zu können, interessiert unsere sogenannten „Weltretter“ dabei nicht.
- Dass es sich eben dann lohnt, es den Leuten aggressiv zu verkaufen, wenn es teuer ist, weil deswegen damit Geld gemacht werden kann, hat sich statistisch in der Drogenverbotsgeschichte bereits mehrfach abgezeichnet.
- Dass gerade gegen die weniger bedenklichen Drogen wie Cannabis vorgegangen wird und den Konsumenten bei Versorgungsengpässen gerne mal „was anderes angeboten wird, die das dann mal ausprobieren“ passt ebenfalls nicht in das biblische Weltbild der flachen Erde.
- Dass aus ein paar vorlauten Schuljungs nach einigen Jahren richtige schwere Jungs herangezüchtet werden, kann der Verbotsriege nicht verständlich erklärt werden. Wenn diese schweren Jungs mit Vorstrafen und Haftstrafen keine Perspektive aber „die richtigen Kontakte“ haben und deswegen nur noch weiter machen können, ist auch das eine nicht nachvollziehbare Schlussfolgerung.
Die einzige Lösung kann nur lauten, dass man mit härterem Drogenverbot und noch mehr Polizisten einfach all das „kriminelle Pack“ für immer wegsperrt. Über Jahrzehnte wurde nur auf Repression gesetzt, über Jahrzehnte wurden nicht weniger sondern mehr verbotene Substanzen konsumiert?
Ein Drogentoter – mehr Repression – mehr Drogentote
Es ist eigentlich nichts Neues und lässt sich aus bisherigen Statistiken bei genauerer Betrachtung auch sehr gut ablesen, dass Repression tötet. In der Schweiz ging man in den 90er-Jahren massiv gegen die offenen Drogenszenen vor, die man auch verdrängen konnte. Das führte jedoch wegen des Stresses und der folgenden schlechten Stimmung unter den Konsumenten zu ca. 30 % mehr Drogentoten.
Mit der Beendigung dieser zugespitzten Repression und der Substitution konnte diese Zahl der Drogentoten schnell halbiert werden. Das Drogenverbot mit Repression macht die Situation für die Betroffenen also nicht besser sondern schlechter. Drogentote sind dabei nur die Spitze vom Eisberg. Die meisten Konsumenten harter Drogen sterben natürlich nicht an einer Überdosis. Aber doch vielleicht an ihren schmutzigen Nadeln und dem folgenden HIV oder Hepatitis C?
Viele fangen mit dem Heroin doch erst an, wenn der Dealer kein Cannabis hat oder sie wegen Cannabis im Knast sitzen. Viele fangen mit den harten Drogen doch an, da sie auf dem Schwarzmarkt automatisch mit anderen Leuten in Kontakt kommen, die das alles bereits konsumieren. Dabei kann jeder Streckmittel verwenden, die häufig weit schädlicher als die eigentlichen Drogen sind. Dann hat man wieder die „verkommenen Subjekte“ und kann noch mehr Repression rechtfertigten.
Es ist doch eine ganz leicht nachvollziehbare Todesspirale: Es stirbt ein Jugendlicher oder junger Erwachsener an Drogen, die Zeitungen berichten, Stammtischsäufer und Mütter sind empört. Die Polizei muss also gegen die „Drogenflut“ vorgehen und produziert mit der Repression das Drogenelend und noch mehr Drogentote. Die Prohibition macht die Drogen so schlimm, dass sie sich mit den dahin siechenden Konsumenten rechtfertigen kann, um noch mehr Repression für noch mehr Drogenelend aufzubauen. Sie ist der Feuerwehrmann, der das Haus ansteckt, um nach dem Löschen ganz wichtig und toll zu sein.
Das Drogenverbot schützt nicht
Das Drogenverbot führt doch nicht dazu, dass weniger Menschen „Wirkstoffe“ konsumieren. Sie konsumieren jedoch anders und leider auch gefährlicher. Mit der Repression werden die Leute auch nicht zurück in das bürgerliche Leben geführt, sondern radikalisiert. Nicht nur Polizeibeamte laufen bewaffnet herum, und das hat Gründe. Das Drogenverbot ist doch das, was es bekämpfen soll: der offene und unkontrollierte Drogenmarkt – der Schwarzmarkt.
Nur durch eine Regulierung der Drogen kann es einen Jugendschutz, Qualitätskontrollen, eine kontrollierte Abgabe und auch eine effektive Trennung der Substanzen geben. In der Regulierung und der kontrollierten Abgabe sollte man die Messlatten für die harten Drogen weit höher als für Cannabis, MDMA oder Zauberpilze ansetzen, das ist klar. Aber nur durch diese Regulierung kann der bereits bestehende offene und unkontrollierte Drogenmarkt, der keinen Jugendschutz und keine Qualitätskontrolle aber Pumpguns kennt, eingedämmt werden.
In Portugal waren die Heroinprobleme am Ausufern. Was hat man gemacht? Auf intelligente Weise wurde 2001 der Konsum aller Drogen entkriminalisiert. Was passierte? Alles wurde besser. Mit Verboten nehmen sie also sehr gefährlich Drogen, mit einer intelligenten Entkriminalisierung nehmen sie gefährlich Drogen. Ein Unterschied, den man an den Statistiken ablesen kann. Ein Problem, welches sich nicht lösen lässt, kann immer noch gelindert werden. Wie das geht, zeigen Statistiken oder die sogenannten empirischen Erhebungen schon jetzt.