Das wird schmutzig: Noch vor dem Inkrafttreten des neuen Cannabisgesetzes der Ampelregierung am 1. April hat die CSU ernsthaft die Forderung erhoben, künftig im Abwasser nach Spuren von Hanfkonsumenten und möglichen Verstößen zu fahnden! Bekommen wir demnach bald öfter an Kläranlagen herumlungernde Christsoziale mit Messkellen statt Bier in der Hand zu sehen, ja vielleicht sogar einen durch Münchens Kanäle kriechenden Markus Söder?
Wahrscheinlich nicht, denn sogar die selbstbewusste Regierungspartei von Bayern hat Wind von modernen Prüfmethoden im Labor bekommen. Auf Kosten der Steuerzahler wollen diese Politiker zwar keine faire Überprüfung vom THC beim Autofahren, wohl aber unter wie üblich ziemlich absurden Begründungen in den Ausscheidungen der Bürger spionieren. Worum geht es beim Abwassermonitoring generell, das es in Europa mancherorts bereits gibt, wenn auch längst nicht immer aus den gleichen Gründen wie durch die CSU gefordert.
Cannabis, Chemikalien und Covid-19
Zu diesen offenbar alle drei gleich gefährlichen Inhalten wird Abwasser häufig analysiert und man möchte herausfinden, ob es etwa riskante Überschreitungen der Rückstände von Medikamenten gibt. Zwar trinkt in der Regel niemand direkt aus dem Klo oder gar Abflussrohr, doch neben Mutter Natur selbst können Belastungen für im Kanal spielende Kinder auftreten, für bewässerte Felder und all jene Bereiche, in denen verbrauchte Abwässer nach einer gewissen Aufbereitung und Klärung sich im Kreislauf der Wasserversorgung bewegen.
Ein entsprechendes Monitoring rund um giftige Chemie, Viren und sonstige Pathogene scheint also erst mal ein sehr normaler Vorgang, der laut Cannabis-Schreck Klaus Holetschek von der CSU jedoch zusätzlich zur Kontrolle und möglichst auch zur Gängelei der Hanfkonsumenten dienen kann. Verhindern soll das sprichwörtliche Wühlen in der Sch… nichts weniger als die „Kiffernation Deutschland“, vor der sich ein bayrischer Gesundheitsminister mindestens so sehr ängstigt wie die verbandelten Bierbrauer! Bayern war ja auch beim Analysieren der heimischen Abwässer auf Covid-19 sehr aktiv und vielleicht steckt hinter den geschwärzten Stellen vom Bericht der Corona-Maßnahmen ein Hinweis, dass die CSU noch lieber den Aufpasser spielt als andere Parteien?
Ist die Überwachung vom Hanfkonsum bis ins Klo hinein wichtig für Aufklärung und Prävention?
Sicher haben im Medienbericht zu CSU und Abwasser erwähnte „Gesundheitsexperten“ Recht, dass der Staat mehr Übersicht zum legalen Cannabiskonsum braucht als während der endlich abgeschafften, ohnehin willkürlich begründeten Verbote. Ein eher unwahrscheinlicher Anstieg um Millionen Prozent erfordert im Zweifelsfall ähnliche Gegenmaßnahmen wie das Auftauchen von pflanzlichen Rückständen mit dem Potenzial zur Biowaffe. Doch ob Haschisch und Marihuana im Umlauf mehr Schaden anrichten als frühere Bundesdrogenbeauftragte von der CSU, scheint eher zweifelhaft – außer man will das glauben und glauben machen.
Wie die erwähnten Experten zwischen Volumina etwa aus einem im politischen Elfenbeinturm nicht erwarteten, in der Realität aber legalen Eigenanbau und unerlaubter Handel durch Dealer trennen wollen und daraus dann auch noch auf die wirklichen Verhältnisse beim THC schließen, wird leider mal wieder nicht erklärt. Immerhin bleibt diese Überwachungsmethode des 21. Jahrhunderts anonym. Es gibt auch keinen Nachweis zum Reinheitsgrad der Hanfprodukte und zu den Usern selbst. Außer, die CSU schickt Polizisten zur Almhütte hoch, von der mit Cannabis belastetes Abwasser ins Tal läuft oder deren Sickergrube die saftig-grünen Wiesen samt Kuh darauf potenziell für Jahrtausende verseucht.
Bayern als vorbildliches Bundesland beim respektvollen Umgang mit der Cannabis-Legalisierung?
Das klingt zunächst ähnlich lachhaft wie die Anti-THC Storys des Klaus Holetschek, könnte aber passieren – unvermeidlich und unausweichlich wie damals, als das Rad erfunden wurde! Aktuell nämlich führen progressiv regierte Städte wie Lissabon und Kopenhagen solche Analysen vom Abwasser durch und vor Ort gelten allgemein eher liberale Regeln für Cannabinoide. Das wirkt sich auch auf die Formen der Überwachung aus und auf die Verwendung dabei gewonnener Daten. Neben den Wirkstoffen in Hanfpflanzen schauen Behörden nach vielen weiteren Substanzen, von MDMA und Kokain bis Methamphetamin und was sonst noch mit Strafverfolgung rechnen muss. Schon gibt es Überlegungen, künftige Wege der Entkriminalisierung für mehr als nur THC auf Basis solcher Datenanalysen zu entwickeln.
Portugal ist bei mehr Fairness in der Drogenpolitik Europas Vorreiter und befindet sich bei den Argumenten für solche Methoden in wissenschaftlich betrachtet ganz guter Gesellschaft mit Ländern wie Kanada und USA. Auch die recht lockeren Tschechen machen mit und liefern wertvolle Erkenntnisse für die Forschung, ohne daraus gleich wieder Forderungen nach „mehr Polizei“ abzuleiten, sondern bessere Aufklärung mit realen Fakten.
Steht der heute so schießwütigen CSU trotz schlechter Absichten beim Cannabis also im besten Falle ein Heureka-Erlebnis bevor und wird man in Zukunft Daten über THC sammeln, um zu verstehen und zu bewerten, was im Lande so passiert – statt mündige Bürger im demokratischen Rechtsstaat zu verfolgen wie die Heilige Römische Inquisition sündige Ketzer im Mittelalter?