In einer aktuellen Stunde debattierte der Bundestag kürzlich einen Antrag der Union zur Aufhebung der Cannabis-Legalisierung. Die Konservativen wollen nach Neuwahlen und Regierungsübernahme den Konsum, Besitz und Anbau von Hanf für Erwachsene bekanntlich wieder verbieten und griffen das von der gescheiterten Ampel-Koalition Freigabeprojekt auch im Parlament scharf an. War das ein sinnvoller Beitrag zum Wahlkampf oder kann das weg?
Gewohnt unsachlich: CDU/CSU setzt bei THC weiter auf Desinformation
Seit Beginn der Cannabis-Legalisierung beschimpfen Unionspolitiker wie Generalsekretär Carsten Linnemann das neue Gesetz ohne Unterlass als falsch und schlimm für die deutsche Bevölkerung. Unwichtig sei das Thema Gras ohnehin und man darf sich wundern, warum diese Partei trotzdem ständig über Cannabinoide herzieht. Interessanterweise waren über Jahrzehnte hinweg im Bund Drogenbeauftragte der CSU verantwortlich, denen außer Verbot und Schikane beim Thema THC lediglich absurde Vergleiche mit Brokkoli einfielen.
Zur aktuellen Stunde trug die Abgeordnete Silke Launert dann auch erwartungsgemäß drastisch garnierte Storys vor und versuchte die Ampelregierung als eine Art Gehilfe von Drogendealern abzustempeln. Was ein erhofftes Verbot durch eine künftige Union an der Macht am faktischen THC-Konsum ändern soll, konnte und wollte die Dame natürlich nicht sagen. Als waschechte Phrasendrescherin ohne Sinn für bundesdeutsche Realitäten wurde Frau Saunert lustigerweise dann von der eigentlich viel weiter rechts befindlichen AfD entlarvt, dazu gleich noch mehr.
Der Konsum unter Minderjährigen stieg stetig an, der Einsatz von Streckmitteln auf dem Gras-Schwarzmarkt ebenfalls, und so ist es verständlich, wenn man als Opposition im Bundestag diese miese Bilanz vertuschen will. Statt Schweigen und Verharmlosung wie zur eigenen Rolle während der Coronakrise setzt man bei Gras auf rücksichtslose Attacke. Nach Meinung der CDU/CSU sorgten früher angeblich unvermeidliche „Kiffer-Psychosen“ für Verwüstungen in der Bundesrepublik, heute sind es zahllose Banden aus Holland – droht morgen vielleicht das wegen Weed vorgezogene jüngste Gericht?
Klar und deutlich: Ampel-Parteien betonen überfällige Wende in der Drogenpolitik
Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) hingegen brachte es gleich auf den Punkt: Dealer-Banden sind nicht das Resultat der Legalisierung, sondern der auf ganzer Linie gescheiterten Hanfverbote! Ein „Paradigmenwechsel“ war lange nötig und blieb nur wegen der untätigen Union jahrelang liegen. Cannabis-User zu strafen, Kinder und Jugendliche zu gefährden – für den Minister zu Recht unakzeptabel und an der Wirklichkeit vollkommen vorbei.
Lauterbach empfahl den Fraktionen von CDU/CSU einen Realitätscheck: „Sie können es sehen und riechen“, rief der SPD-Mann durchs Plenum und unterstrich seinen Standpunkt mit dem Verweis auf jede Menge wissenschaftliche Studien zu Vorteilen einer Gras-Freigabe.
Forschung und Expertise halten auch die FDP für aussagekräftiger als Schauergeschichten. Deren Rednerin Kristine Lüdke kritisierte, dass es im Bundestag doch aktuell viel wichtigere Anliegen zu besprechen gäbe. Unionspolitiker sollten sich lieber um wirtschaftliche Herausforderungen kümmern und den Abschluss der Untersuchungen zur Cannabis-Legalisierung im kommenden Jahr abwarten. Die Liberalen setzen sich darüber hinaus für eine rasche Umsetzung der zweiten Säule vom Cannabisgesetz ein, das in Zukunft auch für Erwachsene verfügbare Fachgeschäfte zum THC kaufen vorsieht.
Fast identisch argumentierten die Grünen im Parlament. Bei der Union sei man „obsessiv“ besessen vom Thema Haschisch und Marihuana. Heute könnten mündige Bürger ihr Gras endlich selbst anbauen, während früher ausschließlich der Schwarzmarkt abkassierte – Grünen-Politikerin Dr. Kirsten Kappert-Gonther nennt die Freigabe einen klaren Erfolg der kürzlich zerbrochenen Ampel-Koalition. Cannabinoide sollten nie wieder verboten werden, weil jene frühere Prohibition zahllose Existenzen ohne wissenschaftliche Grundlage zerstört hat. Was derzeit noch schwierig sei, werde laut Frau Kappert-Gonther durch die erwähnten Fachläden eines Tages zum Guten aufgelöst.
Überraschend fair: Für die AfD gibt es wichtigere Probleme als legale Hanfprodukte
Wer denkt, die medial gerne zum Staatsfeind Nummer 1 aufgeblasene „Alternative für Deutschland“ fordere für Cannabis die Todesstrafe oder Schlimmeres, war vom Auftritt von AfD-Redner Martin Sichert wahrscheinlich ziemlich baff. Der Politiker erklärte, Schwierigkeiten gäbe es höchstens durch das wenig durchdachte Modell der Legalisierung, nicht aber durch erlaubtes THC an sich! Viel wichtiger sei endlich ein hartes Vorgehen gegen kriminelle Ausländer und Clans.
Die innere Sicherheit der BRD bedroht laut AfD garantiert keine Hanfpflanzen oder deren passionierter Anbau, sondern eine völlig unkontrollierte Migration samt aller Verwerfungen in den Kommunen.
Organisiertes Verbrechen macht schließlich mit allen möglichen Drogen Geschäfte und ist beispielsweise in Nordrhein-Westfalen besonders aktiv, wo die CDU/CSU eine Kuschelkoalition mit den Grünen führt. Anstatt staatliche Ressourcen zur echten Verbrecherjagd einsetzen zu können, würde Gras sanktionieren wieder nur zur Diskriminierung der braven Bürger mit Joint im Gepäck führen – wird die AfD mit solch einem Standpunkt vielleicht auch für Kiffer wählbar?