Aus der Perspektive unserer Heimat, egal ob Deutschland, Österreich oder Schweiz, scheint es so, als ob auf der anderen Seite des Atlantik die Sache mit der Legalisierung von Cannabis irgendwie einfacher läuft. In Kanada hat die Regierung das relativ konsequent hinbekommen, in den USA wälzen hauptsächlich die Volksentscheide in den Einzelstaaten die Cannabispolitik sukzessive um, ebenso schreiten die Prozesse in Mexiko, der Karibik und Teilen Südamerikas voran. Doch wie sieht es bei uns aus?
Deutschland hat ein junges, aber in der Praxis aus unterschiedlichsten Gründen sich problematisch zeigendes Cannabis als Medizin Gesetz. Weiterhin wurde eine neue Ausrichtung im rechtlichen Umgang mit Cannabis in der Folge der Regierungsbildung nach der letzten Bundestagswahl allein durch die Besetzung der Schlüsselpositionen erfolgreich verhindert. Weder die zweite Amtszeit einer Marlene Mortler als Bundesdrogenbeauftragte, noch das Gesundheitsministerium in den Händen eines Jens Spahn sprechen für Liberalisierung in der Cannabis Frage. In Österreich ist es gar noch schlimmer. Nach dem politischen Rechtsruck, den das Land bei der Wahl ihrer aktuellen Regierung vollzog, soll im Bezug auf Hanf der Rückwärtsgang eingelegt, und der Handel mit Samen und Stecklingen verboten werden. Unterdessen geht es in der Schweiz ganz allmählich voran.
Zwei Schritte vor, einer zurück…
Schritte in die falsche Richtung sind auch den Schweizer Hanf-Freunden nicht unbekannt, vor allem den etwas älteren unter ihnen. Nachdem einige Jahre Cannabis als Duftsäckli in Headshops verkauft wurde, hat die Regierung den blühenden Blütenhandel wieder unterbunden, und Cannabis stärker verfolgt. Irgendwann wurden dann die sogenannten Konsum-nahen Delikte zu Ordnungswidrigkeiten herabgestuft, sodass der ertappte Delinquent anstelle einer Strafanzeige lediglich einen Strafzettel zu befürchten hatte. Beim Thema Medizinalhanf gab es zwar zeitweilig einige Probleme mit dem zuständigen Bundesamt, doch grundsätzlich funktioniert die Patientenversorgung, es wird gar über Export gesprochen. Nun endlich könnte auch im Bereich Freizeitgebrauch Bewegung ins Spiel kommen.
Gute Aussichten für Modellprojekte in der Schweiz
Der Bundesrat der Schweiz hat Pläne zur Genehmigung von Pilotprojekten, für die wissenschaftlich begleitete und kontrollierte Abgabe von Cannabis ins Parlament eingebracht. Diese scheinen in den meisten Parteien auf Zustimmung zu stoßen. Der Entwurf für die Änderungen im Betäubungsmittelgesetz wurde in einer Kooperation von Parteien und Suchtverbänden gestaltet und im Sommer vom Bundesrat zur sogenannten Vernehmlassung eingebracht. So erhofft man sich Erkenntnisse, die den zukünftigen politischen Umgang mit Cannabis beeinflussen sollen. Dafür soll es Städten oder Kantonen möglich sein, den legalen Verkauf und Konsum wissenschaftlich begleitet in Modellprojekten zu untersuchen. Mittlerweile haben die Parteien ihre Stellungnahmen dazu abgegeben, und diese sind mit Ausnahme derer der SVP und der CVP durchweg positiv. Im Gegensatz zu den deutschen Parteien wird in der Schweiz weitgehend anerkannt, dass die repressive Cannabispolitik gescheitert ist. Insbesondere die Grünen und die FDP sehen die Regulierung von Cannabis in ähnlicher Form wie Alkohol als langfristiges Ziel.
Sind Modellprojekte noch sinnvoll?
Sollten die angekündigten Pilotprojekte in der Schweiz Realität werden, wird dadurch natürlich eine grundsätzliche Legalisierung zeitlich erst mal aufgeschoben. Erst nach fünf Jahren soll evaluiert werden. Ein ähnlicher Verlauf ist in Deutschland zu befürchten, sollte die Regierung, um dem Druck zu entweichen, der durch die Partei-Initiativen der Grünen, der FDP und der Linken, durch die Petition des DHV, und weitere öffentlichkeitswirksame Aktionen von Verbänden erzeugt wurde, sich auf das für sie geringere Übel einlassen, und das wäre der Antrag der Liberalen, der lediglich die Genehmigung von Modellprojekten fordert.
Durch diesen Kompromiss wird die überfällige Entkriminalisierung der Konsumenten um Jahre verschleppt. Auch argumentativ machen Modellprojekte wenig Sinn, lenken sie ja von der Tatsache ab, dass mündigen Bürgern nach aktuellem Gesetz der Umgang mit einem natürlichen Gewächs vorenthalten wird, was viel mehr unter Aspekten der menschlichen Grundrechte diskutiert werden müsste, oder dass der Bürger bei genauerer Überlegung doch von dem von seinen Steuern finanzierten Regierungs- und Strafverfolgungs-Apparat erwartet, dass dieser ihn vor anderen schützt, und nicht Menschen verfolgt, die durch den Konsum einer Nutzpflanze maximal sich selbst schaden. Insofern gehen Modellprojekte ziemlich am eigentlichen Thema vorbei, da sie das Unrecht hinter dem Cannabis-Verbot nicht reflektieren.
Angst vor dem Fortschritt
Wie man es dreht und wendet, die Regierungen der drei deutschsprachigen Länder scheinen sich schwer damit zu tun, progressiv und mutig auf offensichtliche Veränderungen in der Gesellschaft zu reagieren, und die Gesellschaft scheint zu ängstlich und Protest-faul zu sein, um sich durchzusetzen. Wenn man weiß, dass ein signifikanter Teil der eigenen Bevölkerung Cannabis gebraucht, dann muss man als Regierung dazu in der Lage sein, sich einzugestehen, dass eine Strafverfolgung an dieser Stelle absolut falsch ist. Dazu benötigt Hanf keine Mehrheit in der allgemeinen Bevölkerung, denn welcher Mensch ohne Erfahrung oder Bezug zu der Pflanze kann schon eine qualifizierte Meinung dazu haben.
Warum in der vermeintlich modernen Demokratie die Sachkenntnis und fachliche Qualifikation eine solch geringe Rolle beim Besetzen von Ämtern und der Entscheidungsfindung in Fragen politischer Themenbereiche spielt, kann nicht nachvollzogen werden. Genauso wenig verständlich ist aber, dass selbst angesichts der weltweiten Entwicklung Nationen wie Deutschland, Österreich und die Schweiz allesamt darauf verzichten wollen, auf dem neuen Weltmarkt um Cannabis eine führende Rolle spielen zu können und Pioniere zu sein. Man verpasst den ersten Hype und bringt sich in eine Situation, in der man, wenn die unausweichliche Legalisierung dann auch bei uns unter dem Druck einer bis dahin gigantischen industriellen Cannabis-Lobby durchgesetzt wird, nur mehr als Importeur und Abnehmer agieren kann, und in der eigenen Herstellung und Entwicklung völlig im Hintertreffen sein wird.