Das Gesetz zur Freigabe von Cannabis als Medizin ist nun knapp ein Jahr alt. Und schon stellt sich die brennende Frage: Wie glaubwürdig ist das eigentlich?
Es ist so weit, mit dem deutschen Rapper Herzog hat nun der erste Gangster- und selbst ernannte Drogen-Rapper sein Cannabisrezept bekommen. Bedeutet: Herzog kann nicht mehr Kiffen, was allen Anscheins nach nicht so schlimm ist. Dafür darf Herr Herzog jetzt endlich seine Medizin zu sich nehmen. Sieht man einen Unterschied zwischen „kiffender Rapper“ und „kranker Patient“? Auf den ersten Blick nicht, auf den zweiten schon: Wenn man legal kiffen darf und die richtige Zielgruppe hat, dann lässt sich damit definitiv sehr gut Promo machen. Und tatsächlich ließ das erste „Ich-kauf-mir-mein-Gras-in-der-Apotheke“-Video nicht lange auf sich warten. Inhalt: Herzog kauft Gras in der Apotheke, lyrische Glanzleistungen wie „was wollt ihr Wixers?“ oder der Satz „Ich hab mein Otti…aus der Apotheke!(…) Jetzt wird erst mal einer geheizt!“ lassen definitiv an der Ernsthaftigkeit der Thematik zweifeln. Klar ist: Herzog ist mit dem Cannabisgesetz definitiv zufrieden! Für welche Krankheit er das Medikament bekommt kann ich nicht sagen, darüber will ich auch hier nicht sprechen. Der eigentliche Grund für die Einnahme des Medikaments wird in dem Video nämlich auch genannt: „Ich für meinen Teil mache das natürlich, um legal kiffen zu können.“
Legal kiffender Beifahrer
Und wenn man einen kleinen Blick hinter die Kulissen des deutschen Cannabusiness (sorry, aber ich mag den Ausdruck!) wirft, sieht man sehr schnell: Herzog ist definitiv keine Ausnahme! Gefühlt hat die ganze Cannabisbranche sich ein Rezept geholt und kifft seitdem fröhlich legal vor sich hin. Der Vorteil: Man darf endlich echtes Gras zeigen und muss nicht mehr behaupten man sei für das Video oder die Fotos nach Holland gefahren! Im besten Fall wird man sogar noch von der Polizei auf der Autobahn kontrolliert, während aus Zufall ein Kamerateam im Auto sitzt UND der gesamte Vorfall wird zusätzlich noch von „Abenteuer Leben“ (Kabel 1) gefilmt.
Manchmal muss man einfach Glück haben! Und auch hier zeigt sich: legales kiffen ist medienwirksam! Es entstanden in kürzester Zeit zwei Videos (weil zwei Kamerateams) und diese wurden auch schon als Aufhänger für Online-Artikel genutzt. Die Überschrift von FOCUS fasst den Trubel kurz und knapp zusammen: „Drogenpolizei kontrolliert Pkw – plötzlich zündet Beifahrer sich einen Joint an“. Auch der ein oder andere Redakteur hat natürlich ein Rezept.
Alles chillig? Negativ!
Das klingt ja alles ganz locker und fröhlich! Endlich dürfen alle legal kiffen, zeig mir einen Arzt, der mir Weed verschreibt und losgeht das Ding! Ein bisschen „Krank“ sind wir ja alle, eine Krankheit wird sich schon finden, wenn nicht, wird sich in unserer Kassenlandschaft bestimmt ein Privatarzt finden, der eine Krankheit findet. Und so oder ähnlich läuft das auch ab. Aber so richtig zugeben wollen dies irgendwie nur wenige. Auf der Webseite „Cannabis-Rausch“ wurde jüngst eine Liste von Ärzten veröffentlicht, die dem Thema Cannabis offen gegenüberstehen und dies den Privatpatienten auch sehr unkompliziert verschreiben. Innerhalb kürzester Zeit wurde die Seite jedoch genötigt, diese Liste wieder offline zu nehmen.
Der Witz: Der Chefredakteur der Seite ist selbst Cannabispatient. Auch hier ist das Statement recht eindeutig: „Vielmehr wollte ich ein normales Leben, ohne Paranoia für den Cannabiskonsum bestraft zu werden, ohne die ständige Angst von der Polizei angehalten zu werden“. Und wenn Patienten von Ärzten bedrängt werden, eine Liste wieder offline zu nehmen, wenn anscheinend Medikamente an Bedürftige abgegeben werden, dann sollte das zu denken geben. Vor allem, wenn die Ärzte auf ihren eigenen Webseiten auch sehr offen mit dem Thema umgehen. Die Erklärung ist leicht: Bei Google gefunden werden, wenn eine Person nach „Cannabis Arzt“ sucht: Sehr gerne!
Als Arzt in einer Liste von Ärzten auftauchen, die Cannabis gewissermaßen aus Spaß verschreiben, plus einen erklärenden Artikel, wie leicht das geht: Nun, lieber doch nicht! Man hat ja noch einen Ruf.
Fakt: Gutes Gras ist nicht nur auf dem Schwarzmarkt Mangelware!
Patienten wissen es ganz genau, wer sich mit dem Thema Cannabis als Medizin auch nur oberflächlich beschäftigt, hat es schon mitbekommen: Gutes medizinisches Cannabis ist Mangelware! Viele Apotheken haben Lieferengpässe, manche Sorten sind monatelang ausverkauft und manche Patienten müssen aufgrund der schlechten Versorgungslage ihr Cannabis auf dem Schwarzmarkt kaufen. Klar kann man jetzt sagen „Da hat der Staat wieder nicht richtig nachgerechnet“. Aber mit so einem Ansturm an „kranken“ Menschen konnte auch niemand rechnen.
Und die wichtigste Frage, die sich nun noch stellt: Wenn Cannabis Medizin ist, ist Herzog dann noch Drogen-Rapper? Oder wäre damit dann das neue Genre „Pharma-Rapper“ gegründet? Ich warte auf jeden Fall gespannt auf das nächste Album. Genug Gras für eine kreative Schaffensphase aus der Apotheke gibt es ja. Aber bitte nicht vergessen: Nur solange der Vorrat reicht.