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Nein, der Titel stimmt so. Wobei er sicherlich mehr mit „Konfusion“ und vor allem mit der konfusen Situation von Cannabis heutzutage zu tun hat. Neben all den Diskussionen über den großen Profit, das Potenzial der Branche und Pharmakonzerne muss ich immer wieder feststellen, dass bei Ärzten, Patienten, Apothekern, aber auch Wissenschaftlern, Aufsichtsbehörden und Politikern beim Thema Cannabis Verwirrung herrscht.
Durch den Imagewandel und Aufstieg von Cannabis versucht jeder ein Ticket für die Reise zu ergattern, die die Entwicklung von Cannabis gerade weltweit erlebt. Schlimmer noch ist aber, dass nun plötzlich jeder eine Meinung über Cannabis hat. Auf den zahlreichen Konferenzen und Messen, die es mittlerweile zu diesem Thema gibt, stoße ich leider auch immer wieder auf unvollständige, falsche und mit Sicherheit keine patientenorientierten Informationen.
Ich arbeite seit 1992 in der Cannabis-Szene. 16 Jahre nachdem mein Landsmann Harm Dost in Kleve (als Tourist) verhaftet wurde. Es war bekannt, dass Harn Dost in der Nähe von Arnhem Cannabis verkaufte. Das wussten auch Deutsche, die er damals als Patienten behandelte. Er sah sich als Pflegekraft und Bezugsperson. Nach 18 Jahren in einem deutschen Gefängnis wurde er 1977 an die Niederlande ausgeliefert. 1986 wurde er in Deutschland noch einmal zu einer zehnjährigen Haftstrafe verurteilt. Nach der erfolgreich Revision 1987 entließ man ihn umgehend aus dem Gefängnis. 20 Jahre später (2008) importierte Deutschland das erste medizinische Cannabis aus den Niederlanden. Der Startschuss für den Verkauf der Pflanze in Apotheken, wo sie auf Rezept von einem Arzt, erhältlich ist.
Man kann sagen, dass ich die Entwicklung der Cannabis-Szene von einer komplett illegalen Industrie ohne wissenschaftliche Kenntnisse hin zu einem Zweig miterlebt habe, in der Wissenschaft, Industrie, Aufsichtsbehörden und Politiker allmählich das zusätzliche (medizinische) Potenzial von Cannabis zu begreifen beginnen. Das bedeutet nicht, dass jetzt alles gut und schön ist. Wie zu Beginn bereits erwähnt, herrscht bei vielen Beteiligten immer noch jede Menge Verwirrung. Selbst heutzutage machen viele Politiker und Juristen beim medizinischen Gebrauch und dem Konsum als Freizeitdroge keinen Unterschied. Zumindest müssen sie sich dem Thema stellen und obwohl es mittlerweile immer mehr wissenschaftliche Belege gibt, ist die Akzeptanz von Cannabis als Medizin stark geprägt von Emotionen und (Kontra-)Aktivismus.
Fehlender Konsens unter Wissenschaftlern, mangelnde Kohärenz und Harmonisierung der Vorschriften sowie die uneinheitliche Industrie behindern die Entwicklung geeigneter Medikamente auf Cannabis-Basis, geschweige denn die Garantie eines einfachen und angemessenen Zugangs für Patienten weltweit. Um dieses relativ komplexe Problem zu lösen, müssen wir mit einer grundlegenden Frage beginnen: „Was ist Cannabis? Noch bis vor 5 Jahren lautete die allgemeine Antwort: „Eine Pflanze, die für ihre heilende, wenn auch psychoaktive Wirkung aufgrund des Hauptwirkstoffs THC bekannt ist. Wenn man dieselbe Frage heutzutage stellt, wird die Mehrheit darauf antworten: Eine Pflanze mit heilender und nicht psychoaktiver Wirkung aufgrund des Hauptwirkstoffs CBD. Dann gibt es noch diejenigen, die von Terpenen, weiteren Cannabinoide, Flavonoiden oder dem Entourage-Effekt sprechen. Aber schlussendlich ist niemand in der Lage, alle richtigen Antworten zu geben. Das Einzige, was wir wissen, ist, dass Cannabis bei vielen Menschen zur Linderung aller möglichen Leiden und Beschwerden beitragen kann. Allerdings sind wir ab diesem Zeitpunkt in einem Sumpf aus sogenannten Expertenmeinungen, Zeitzeugen, n=1 Studien und sogar Gerüchten stecken geblieben.
Die Lösung des Problems lässt sich nicht auf die Schultern von Industrie, Forschungsabteilungen oder nicht staatlichen Organisationen übertragen. Die Konsequenzen aus mehr als 60 Jahren Prohibition müssen von den Politikern getragen werden, die diese Entscheidung in den 70ern zu verantworten haben. Technisch gesehen bedeutet das, wir alle, die von unseren Politikern repräsentiert werden. Wenn wir richtige Forschung, hochwertige Produkte und anständigen Zugang für Patienten wollen, wodurch Cannabis zu der Medizin wird, die es in unseren Augen ist, dann ist das für die Industrie auf dem traditionellen pharmazeutischen Weg eine Spur zu groß, als dass man sie dafür verantwortlich machen könnte. So etwas hätte vor 60 Jahren funktioniert, wie es zum Beispiel mit anderen Pflanzen geklappt hat, die kontrollierte Substanzen produzieren (hauptsächlich Mohn und Koka). Es gibt Stimmen, die jeglichen Gebrauch von Cannabis legalisieren wollen, wobei Freizeitkonsumenten dennoch zur Entwicklung von Medizin auf Cannabis-Basis beitragen sollen. So etwas nenne ich: Äpfel mit Birnen mischen. Die 60 Jahre andauernde Prohibition wurde weder von den Freizeitkonsumenten noch von Patienten oder Aktivisten verursacht.
Regierungen versuchen, der sich entwickelnden Cannabis-Industrie, den altbekannten Weg der Entwicklung pharmazeutischer Medikamente vorzugeben. Grob gesagt, bedeute dies: entwickle Dein Produkt, führe (klinische) Studien durch, registriere Dein Produkt, erhalte die Zulassung und versorge Patienten mit Deinem Produkt, wobei die Kosten dafür hoffentlich ganz oder teilweise erstattet werden. Dieser Weg beinhaltet eine Wartezeit von weiteren 10 bis 12 Jahren, denn so ist es nun mal auf dem herkömmlichen Weg vorgesehen. Allerdings haben wir nicht mehr so viel Zeit. Cannabis und auf cannabisbasierte Produkte sind bereits auf dem Markt erhältlich (legal oder illegal); Effizienz zeigt sich durch die Anzahl der Erfahrungen. Erhält man 100.000 oder mehr positive N=1 (Forschung an einer Person) Ergebnisse, lässt sich das Resultat nicht mehr ignorieren.
Schlussendlich bedeutet das, dass der herkömmliche Weg keine Option ist. Ganz einfach deshalb, weil dieser Punkt bereits überschritten wurde. Die Kombination aus der Zulassung von Cannabis ohne anständige oder manchmal ziemlich kreative Regulierungen ist weder gut für Patienten noch Pflegekräfte. Für Aufsichtsbehörden wird es jetzt auf einer globalen oder zumindest multinationalen Ebene Zeit, zusammenzukommen und einheitliche Regelungen auf Basis von Sicherheit und Effizienz sowie anständigem und sicherem Zugang zu formulieren. Deutschland ist (obwohl wir alle um die Schwierigkeiten wissen) ein anschauliches Beispiel für die Einführung und Regulierung von zumindest dieser Kombination der Faktoren. Vielleicht sollte sich die Szene anstatt auf Business Konferenzen vermehrt auf Konferenzen über die Regulierung konzentrieren. Lasst uns „2019 zum Jahr der Regularien“ machen.