Hanf ist facettenreich
Du willst diesen Beitrag hören statt lesen?
Klicke dazu auf den unteren Button, um den Inhalt von Soundcloud zu laden.
Es liegt in unserer Natur Dinge miteinander zu vergleichen und jeder hat seine persönlichen Vorlieben. Immer wieder wird beim Thema Hanf betont, wie vielfältig doch diese Pflanze ist. Die unendlich vielen verschiedenen Sortennamen, Bezeichnungen und Begriffe wie Indica, Sativa, Ruderalis, oder Hybride werden den ein oder anderen wohl schnell verwirren.
Selbst ein erfahrener Grower muss sich bei einem ständig wachsenden Angebot an neuen Sorten akribisch informieren, damit er auch genau das bekommt, was er sich von der Genetik erhofft. Bisher gibt es nur bei der Züchtung von Nutzhanf ein, wie bei anderen Kulturpflanzen, mehr oder weniger streng geregeltes Sortenprüfwesen. Bei den Angaben zu Cannabisvariationen, egal ob für Freizeit oder medizinischen Gebrauch, bleibt dem Konsumenten nur die Möglichkeit sich auf den eigenen Instinkt, Erfahrungswerte oder die Angaben des Herstellers sowie der Verkaufsstellen zu verlassen. In letzter Zeit gibt es zwar auch immer mehr verlässliche Testergebnisse zu Wirkstoffgehalten, genetischer Herkunft und Aromenprofilen, allgemein gültige Aussagen zu charakteristischen Sorteneigenschaften lassen sich dadurch aber bisher leider nur bedingt treffen. Anbaubedingungen und die phänotypische Ausprägung haben einen sehr starken Einfluss auf die Qualitätseigenschaften von Cannabis, doch die Hersteller von Cannabisprodukten für einen regulierten Markt sollen möglichst standarisierte Ware liefern.
Wie ist es möglich gleichbleibende Qualitäten und sichere Produkte herzustellen, wenn die gesamte Züchtungshistorie von Hanf im Vergleich zu anderen Kulturpflanzen weit in ihrer Entwicklung zurückliegt? Mit der wachsendenden Professionalisierung auch auf dem Gebiet von Hanf, welcher nicht bloß für die Faserproduktion gedacht ist, sollten wir uns Gedanken über ein funktionierendes Klassifizierungssystem von Cannabissorten machen.
Warum gibt es so viele „Strains“ und was ist überhaupt eine Sorte?
Seit Jahrzehnten floriert das Business mit Hanfsaatgut, es gibt massenhaft „Seedbanks“ und unendlich viele Sorten sind auf dem Markt, jeder von uns kennt Sortenbezeichnung wie „Jack Herer“, „Skunk #1“ oder die diversen „Haze“ und „Kush“ Varianten. Der eine schwört auf „Indicas“, der andere bevorzugt eher „sativalastige“ Sorten. Dabei ist eine Unterscheidung zwischen einzelnen Varianten, die spezielle Charakterisierung der diversen Sorten und natürlich auch, die mit der Anbaumethode und dem Phänotyp verbundene Qualität einer Charge elementar.
Für die weltweit zahlreichen Freizeitkonsumenten wie auch die medizinischen Nutzer ist es sehr wichtig, Sorten einwandfrei unterscheiden zu können und die bekannten Sortenbezeichnungen sind nicht mehr wegzudenken. Unzählige Brands und Namen, mit denen Cannabissorten als Saatgut oder fertiges Produkt auf dem Markt angeboten werden, stehen unmittelbar in Verbindung mit den ihnen nachgesagten, vielfach erprobten und teilweise auch durch professionelle Testmethoden erwiesenen Qualitätseigenschaften. Um persönliche Vorlieben und Unterschiede in der Wirkung oder dem Geschmack überhaupt erst zu erkennen und differenzieren zu können, werden logischerweise Labels und Systeme zur Klassifizierung der unterschiedlichen Varianten von Cannabis benötigt.
Wie ist der Begriff „Sorte“ definiert und wie ist die Vielzahl an diversen „Strains“ aus pflanzenzüchterischer Sicht zu beurteilen?
Das deutsche Sortenschutzgesetz nennt 5 Anforderungen an eine Sorte:
Eine Sorte muss…
- unterscheidbar
- homogen
- beständig
- neu
- durch „eine eintragbare Sortenbezeichnung bezeichnet“ sein
Da sich die Hanfkultur in den letzten Jahren rasend schnell entwickelt und in manchen Teilen der Welt eine prohibitionsfreie Atmosphäre mit völlig neuen Möglichkeiten herrscht, kann sich die Szene auch immer stärker professionalisieren und es ist schon lange alles andere als ein Geheimnis, dass die Hanfpflanze für Wirtschaft, Medizin und Wissenschaft immer interessanter wird. Es werden Anbau- und Testmethoden verbessert und für eine immer breitere Masse verfügbar. Liberale Umstände bedeuten für Züchter größere Anbauflächen, wachsende Möglichkeiten und Fortschritt in jeder Hinsicht. Wenn eine Pflanzenzucht nicht mehr vor den Ordnungshütern geheim gehalten werden muss, kann die Kultur der Pflanze so optimiert werden, dass das genetische Potenzial einer Sorte voll ausgeschöpft wird. Nach einer Jahrzehnte andauernden Phase der Prohibition kann die facettenreiche Pflanze Hanf nun, zumindest in einigen Teilen der Welt, unter professionellen Umständen züchterisch bearbeitet und die entwickelte Genetik unter optimalen Bedingungen angebaut werden.
Der bisherige Fortschritt in der Verbesserung der uns heute bekannten Sorten ist keinesfalls kleinzureden, doch wenn man Hanf mit anderen Kulturpflanzen vergleicht, ist das Potenzial der Sortenzüchtung bei Hanf und insbesondere Hanf welcher nicht für die Faserproduktion gedacht ist, natürlich noch lange nicht ausgereizt. Wir sehen derzeit nur die Spitze eines Eisbergs und es gibt in vielerlei Hinsicht noch jede Menge zu tun. Betrachtet man im Vergleich allein die Zeitspanne in der die Kulturart Weizen züchterisch bearbeitet und dabei die Erträge stetig gesteigert werden konnten, wird schnell deutlich was bei der Pflanze Hanf in Zukunft noch an Erfolgen möglich sein kann. Selbst die züchterische Bearbeitung von Nutzhanf wurde seit je her stark vernachlässigt.
Weizenerträge werden schon lange durch Züchtung stetig verbessert und konnten in den letzten 200 Jahren enorm gesteigert werden. Hanf dagegen wurde im Vergleich größtenteils nur zum Zwecke der Fasergewinnung auf professionellem Level züchterisch weiterentwickelt. Steht uns nun also eine glorreiche Zukunft in der Hanfzüchtung bevor?
Neue Zuchtziele und Standardverfahren – Terpene werden mehr beachtet
Der Boom von CBD-Strains eröffnet derzeit völlig neue Perspektiven, ein Genuss von qualitativ hochwertigem Cannabis ohne die psychoaktive Wirkung von THC ist nun für immer mehr Menschen Realität. Ein völlig neuer Markt und eine Grundlage für professionelle Unternehmen entwickelt sich rasant. Die Qualitätseigenschaft „hoher THC-Gehalt“ ist nun plötzlich, im völligen Gegensatz zu bisherigen Zuchtzielen, teilweise eher kontraproduktiv. THC-reiche Sorten werden rückgezüchtet und Nutzhanfsorten so verbessert, dass sie den Ansprüchen der Konsumenten genügen. Neben THC und CBD gewinnen nun auch die übrigen Bestandteile von Cannabis immer mehr an Bedeutung.
Der Bedarf für Systeme zur Einordnung und Klassifizierung von Cannabis wird stetig größer. Ein vielversprechender Ansatz ist eine Unterteilung auf Basis der chemischen Zusammensetzung. Aromen und die Stoffzusammensetzung von Sorten spielen bei der Wirksamkeit von Hanf, besonders im Hinblick auf eine medizinisch-therapeutische Wirkung eine tragende Rolle, daher sollte die Unterscheidung der einzelnen Sorten aus Konsumentensicht wohl stärker von Faktoren wie dem Terpenprofil abhängig sein. Die grobe Unterscheidung zwischen Sativa und Indica ist wissenschaftlich schwer nachvollziehbar und die Erkenntnisse von Ethan Russo oder Jack Raber, sowie eine Studie der University of British Columbia< und der Dalhousie University/a> zeigen, wie kompliziert die Thematik einer Klassifizierung von Cannabis wirklich ist. „Es ist wahrscheinlich, dass Sorten durch ihre verschiedenen Aromen klassifiziert werden, und nicht anhand ihrer genetischen Herkunft.“
Für den allgemeinen Zuchtfortschritt sollte ein Ziel der Zukunft sein, dass klar definierte und allgemein gültige Pflanzenmerkmale formuliert und weiter erforscht werden. Auch auf dem Gebiet der Analytik und der verlässlichen Beschreibung von „Produkteigenschaften“ wäre es wünschenswert, sich weltweit auf ein wissenschaftlich fundiertes Klassifizierungssystem zu einigen, welches durch genaue Qualitätskriterien und Standards geregelt ist. Es muss ja keine DIN-Norm für Gras sein, doch eine alltagstaugliche Orientierungshilfe auf die man sich verlassen kann, ist wohl für uns alle längst überfällig. Das veröffentlichen von Terpenprofilen und Wirkstoffgehalten ist ein sinnvoller Ansatz, jedoch für eine Sortenbeschreibung wohl ein wenig unpraktikabel.