RUA Bioscience lebt Social Entrepreneurship in Neuseeland
Man sollte meinen, dass Landwirtschaft eine grundsätzliche Nähe zur Umgebung, zur Natur und zur Region bedeutet, dass Pflanze und Tier gleichermaßen genutzt, aber auch geschützt werden. Leider fallen solche ideologischen Gedanken in vielen Fällen wirtschaftlichen Interessen zum Opfer. In vielen Regionen weltweit betreiben große Konzerne riesige Betriebe, die gigantische Produktmengen in die Märkte bringen, oft zum Nachteil von Mensch, Tier und Umwelt. Wenn es um große Zahlen geht, bleibt die Rücksicht gern im Hintergrund. Geschäftsbereiche, die sich mit Cannabis beschäftigen, sind sicher nicht vollständig von solchen Verhaltensweisen ausgenommen, doch erstaunlich viele Hanf- und Cannabisunternehmen machen doch einen in vielen Belangen bewussteren Eindruck.
Viele Hersteller von Cannabisprodukten achten auf umweltschonende und nachhaltige Ressourcen, Verfahren und Verpackungen, und egal, ob sie dies tun, weil es sich gut verkauft oder ob die Liebe zum Planeten die treibende Kraft dahinter ist, die Natur profitiert davon. Ein Aspekt wurde aber leider in vielen legalen Cannabismärkten vernachlässigt, der soziale. Nachdem die Strafverfolgung von Cannabis in vielen Regionen besonders Angehörige von Minderheiten geschädigt hatte, sollten sie auch die Chance erhalten, vom legalen beruflichen Umgang mit der Pflanze zu profitieren.
Das ist aber nur selten der Fall, umso schöner ist es, wenn man einen Hersteller für medizinisches Cannabis findet, der rund um die Gemeinschaft seiner Heimatregion aufgebaut ist und für den das Wohl dieser Gemeinschaft im Vordergrund ihres Handelns steht. RUA Bioscience ist ein solches Unternehmen. Es wurde in einer Region im Osten Neuseelands gegründet, deren Einwohner von Erwerbslosigkeit bedroht in weit weg gelegene Städte zieht, und die sich dadurch wirtschaftlich in den vergangenen Jahrzehnten kaum entwickeln konnte. Mit RUA Bioscience siedelte sich dort ein modernes Unternehmen an, welches soziales Engagement mit den Werten der Nachhaltigkeit verbindet.
In Deutschland arbeitet RUA Bioscience mit Nimbus Health, einem Vertrieb für medizinisches Cannabis, zusammen. Durch die Kooperation beider Unternehmen sollen die hiesigen Patienten langfristig mit Cannabismedikamenten von RUA versorgt werden. Genauso wichtig ist aber, dass die ganze Region um RUA in Neuseeland dadurch wirtschaftlich gestärkt werden kann, indem dort anständig bezahlte Arbeitsplätze mit gleichermaßen guten Arbeitsbedingungen für Männer, Frauen, die dort heimischen Maori und alle anderen gesichert werden. Um mehr über RUA Bioscience, ihre nun auch in Deutschland erhältlichen Cannabismedikamente, aber auch das soziale Engagement dahinter zu erfahren, konnten wir unsere Fragen gleich an ein ganzes Team von RUA Mitarbeitern richten. Zu einem ausführlichen Gespräch kamen einer der Gründer Panapa Ehau, Managing Director Anna Stove, Technical Director Jessika Nowak, Chief Commercial Officer Paul Naske, Communication Manager Kerry Donovan und der Manager von Nimbus Health / RUA Deutschland Daniel Bürge zusammen.
Hanf Magazin: Warum sind soziales Unternehmertum und Werte wie Female Leadership für RUA Bioscience so wichtig und wie sieht Euer Engagement in diesen Bereichen aus?
Panapa Ehau: Das Unternehmen RUA Bioscience wurde schon von Beginn an mit der Absicht gegründet, eine nachhaltige wirtschaftliche Umgebung zu schaffen. Es ging immer um das Wohlbefinden und den Wohlstand von Mensch und Natur. Unser Ursprung liegt in einem sehr ländlichen Umfeld an der Ostküste von Neuseeland, wo viele Māori leben und wo für Jahrzehnte kaum Wirtschaftswachstum stattfand. Wir Gründer wollten eine Trendumkehr bewirken und vermeiden, dass die Menschen die Region verlassen, um in den großen Städten besser bezahlte Jobs zu finden. Wir wollten die Leute zurück nach Hause bringen. Viele von ihnen haben diesen Wunsch, doch um das zu realisieren, muss es auch bei uns gute Jobs geben.
Die nächste Generation wollen wir inspirieren und verhindern, dass sie die Region überhaupt verlassen müssen. Wir wollten die Grundlagen dafür schaffen, dass die Menschen hier in ihrer Heimat bleiben und sie in einem Umfeld arbeiten können, das gut für sie und das Land ist, auf dem sie leben. Wir haben uns damals auch aktiv in den Prozess der Gesetzgebung für medizinisches Cannabis in Neuseeland eingebracht, sodass das Gesetz mit dem Fokus auf gesellschaftliche Verträglichkeit gestaltet wurde und weniger für den Profit. Es sollten nicht nur eine Handvoll große industrielle Player die Möglichkeit haben, sich an dem neuen Markt zu beteiligen, sondern alle in der Branche. Vor allem die lokale Community sollte sich an dem Geschäft beteiligen können.
Anna Stove: Ich war in eine Organisation involviert, die von der ersten weiblichen Premierministerin Neuseelands geführt wurde, und deren Ziel es war, Diversität im Land zu fördern und zu unterstützen. Das ist etwas, an das ich absolut glaube und wofür ich mich uneingeschränkt engagieren möchte. Es geht auch nicht darum, Frauen mehr in die Branche zu integrieren, weil es sich gut macht und für einige auch gut ist. Es geht ebenso um die Vorteile für die Industrie. Frauen bringen andere Fähigkeiten und Talente mit in das Geschäft, aber insbesondere bringen sie auch andere Perspektiven mit. Ein Betrieb mit viel Diversität im Personal läuft einfach besser und erfolgreicher. Mit weiblichen Mitarbeitern in der Führungsebene des Unternehmens wollen wir den Anspruch an Chancengleichheit am Arbeitsplatz auch anderen vorleben. Das ist einfach zeitgemäß und das zieht wiederum auch junge Talente an, die wir für die Zukunft des Unternehmens wollen und brauchen.
Natürlich betrifft die Diversität nicht nur Geschlechter. Ein großer Teil unserer Mitarbeiter hat einen Māori Background und wir wollen, dass die lokale Community in allen Facetten ein Teil des Unternehmens ist und unsere Werte von den Mitarbeitern gelebt werden.
Daniel Bürge: Darf ich hier kurz nachhaken? Es ging in der Unternehmensgeschichte von RUA Bioscience also zunächst nicht darum, ein profitables Cannabisunternehmen zu gründen, im Vordergrund stand das soziale Unternehmertum und das Eruieren von Möglichkeiten, die die Region dafür zu bieten hat, richtig?
Panapa Ehau: Die wichtigsten regionalen Industrien sind Schafe und Rinder, und auch ein paar pflanzliche Landwirtschaftserzeugnisse. Und das wird alles in einer Dimension betrieben, die man als „High Volume, Low Value“ bezeichnen kann. Das entspricht einem großindustriellen Maßstab, unter welchem sowohl das Wohl der Mitarbeiter als auch die Natur stark zu leiden hat. Hier wollten wir ansetzen und eine Veränderung herbeiführen. Wir wollten also gewissermaßen das gegenteilige Prinzip umsetzen: „High Value, Low Volume“, welches wesentlich verträglicher ist für Mensch und Umwelt. Um das umzusetzen, haben wir uns also mit Überlegungen auseinandergesetzt, ob wir mit Tieren, Pflanzen oder sonstigen Substanzen arbeiten wollen. Wir schauten uns verschiedene Möglichkeiten an, auch pharmazeutische Produkte. Dabei stießen wir auf Hanf, und zu der Zeit entwickelte sich auch global gerade der „Green Rush“, da medizinisches Cannabis international schnell an Bedeutung gewann. Cannabis hatte einen großen Wert, genau den „High Value“, den wir wollten und brauchten, auch wenn wir nicht von Anfang an gezielt nach dieser einen Pflanze gesucht hatten. Wir haben uns mit einigen Gewächsen beschäftigt, die hier heimisch sind, um Nahrungsergänzung daraus zu gewinnen. Cannabis ist nicht heimisch bei uns, doch viele Leute hier sind hervorragende Grower und haben viel Erfahrung im Anbau.
Hanf Magazin: Meine nächste Frage richtet sich an Technical Director Jessika Nowak. Vielleicht kannst Du uns hier einige Anhaltspunkte liefern. Wie interpretiert man ein Cannabinoidprofil richtig?
Jessika Nowak: Wie wir alle wissen, enthält Cannabis eine große Vielfalt an Substanzen, Cannabinoiden, Terpenen, Flavonoiden und vielen weiteren Stoffen. Die bekanntesten Cannabinoide sind selbstverständlich THC und CBD, die auch als pharmazeutische Wirkstoffe eingesetzt werden. Auch ist geläufig, dass Terpene das Aroma einer Cannabissorte ausmachen, darüber hinaus beeinflussen sie aber auch die Wirkung der Cannabinoide, das nennen wir den Entourage Effekt. Es gibt unglaublich viele verschiedene Cannabissorten und sie alle besitzen ihre ganz eigenen Terpenprofile. Es hängt also sowohl von der jeweiligen Erkrankung oder den Symptomen ab, die mit Cannabis behandelt werden sollen, als auch von der individuellen Verfassung der Patienten, welches Cannabismedikament mit welchem Terpenprofil für sie passend ist. In der Praxis bedeutet das für Arzt und Patient, dass sie einfach verschiedene Medikamente probieren müssen, um das richtige zu finden.
Hanf Magazin: Wie finde ich als Patient die richtige Dosierung für mein Cannabismedikament?
Jessika Nowak: Nun, das ist relativ einfach. Jemandem ohne Erfahrung, der eine Cannabistherapie beginnt, würde ich zunächst einmal zu einem Produkt mit niedrigerer THC-Konzentration raten. Dann sollte man sich langsam sozusagen von unten an die richtige Dosis herantasten. Das Prinzip sollte also heißen „Start low and go slow!“. Hilfreich ist zu Beginn sicher auch, die ersten Einnahmen abends zu tätigen, wenn man danach keinen Verpflichtungen mehr nachzugehen hat. So kann man sich ausruhen und gegebenenfalls auftretende Nebenwirkungen können einfach im Schlaf vorübergehen. Auf diese Art und Weise kann man seine Systeme langsam mit den Wirkstoffen von Cannabis vertraut machen.
Hanf Magazin: Manche Patienten benötigen Medikamente mit einer hohen THC-Potenz, sodass gewisse Nebenwirkungen beinahe unausweichlich sind. Wie würdest Du hier vorgehen in der Dosisfindung?
Jessika Nowak: Im Grunde kann ich hier nur das gleiche Prinzip anführen und dazu raten, sich von einem Minimum aus der richtigen Dosis zu nähern. Unser Körper gewöhnt sich auch nach einer Zeit an die Wirkstoffe und die Nebenwirkungen werden milder.
Hanf Magazin: Bezüglich der Therapiemöglichkeiten mit anderen psychoaktiven Substanzen wie Magic Mushrooms oder LSD fällt des Öfteren der Begriff Microdosing. Das bedeutet eine Dosierung des Wirkstoffs unterhalb der Wahrnehmungsgrenze, die dennoch einen therapeutischen Nutzen hat. Spielt Microdosing auch im Zusammenhang mit Cannabis eine Rolle?
Jessika Nowak: Im Grunde sollten Arzt und Patient bei einer Cannabistherapie genau danach streben, vielleicht sogar bei jedem Medikament. Man sollte die geringstmögliche Dosis finden, die die gewünschte Wirkung bietet.
Hanf Magazin: Welche Darreichungsform für Cannabismedikamente kann die bestmögliche bzw. eine standardisierte Dosierung liefern, der Vaporizer, Extrakte oder andere Mittel?
Jessika Nowak: Für gewöhnlich ist es im Rahmen einer medikamentösen Behandlung notwendig, dass ein Patient zu regelmäßigen Zeiten eine regelmäßige Dosis eines Medikaments einnimmt. Dafür wiederum muss die jeweilige Arznei standardisiert sein hinsichtlich der Wirkstoffzusammensetzung. Das ist bei Cannabisblüten natürlich nicht ganz einfach, weil es sich um ein Naturprodukt mit natürlichen Abweichungen handelt. Dennoch gibt es hier helfende Richtlinien, so dürfen die Wirkstoffkonzentrationen nicht mehr als zehn Prozent von den Angaben auf der Verpackung abweichen. So hat man doch die Sicherheit, dass man bei einer gleichmäßigen Dosierung auch eine in etwa stimmige Menge Wirkstoff zu sich nimmt.
Hanf Magazin: Wie sehen die Zukunftspläne von RUA Bioscience aus?
Anna Stove: Erst einmal muss ich feststellen, dass in der Cannabisindustrie eigentlich alles länger dauert, als man zunächst angenommen hat, doch letztlich hatten wir ein wirklich gutes Jahr 2022. Wir sind eine langfristige Geschäftsbeziehung mit Cann Group Australien eingegangen, die uns eine bessere Skalierbarkeit weitaus schneller verschafft, als es in Neuseeland möglich wäre. Wir haben in diesem Jahr unser erstes Produkt auf den neuseeländischen Markt gebracht, was ein bedeutungsvoller Schritt für uns war. Den deutschen Markt beliefern wir bereits mit Cannabis, und wir konnten in diesem Jahr auch unsere Bemühungen verstärken, uns an weiteren europäischen Märkten für medizinisches Cannabis zu beteiligen. Insofern sind wir mit dem Ablauf des letzten Jahres mehr als zufrieden.
Für 2023 sind wir sehr darauf bedacht, den Bedürfnissen der Patienten in Deutschland gerecht zu werden. Wir wollen eine beständige und nachhaltige Versorgung der Patienten mit RUA Medikamenten gewährleisten. Dafür arbeiten wir seit 2020 mit dem Vertrieb Nimbus Health in Deutschland zusammen, und gemeinsam sorgen Nimbus und unser Commercial Team dafür, dass der Produktlaunch in Deutschland ein Erfolg sein wird. Daneben wollen wir uns auch auf den anderen Medizinalcannabis Märkten Europas weiterentwickeln. Auch im Sinne unserer Aufgabe der lokalen Gemeinschaft etwas zurückzugeben, ist die globale Ausrichtung für uns von großer Bedeutung.
Panapa Ehau: Mit dem Produktlaunch in Deutschland geht viel Hoffnung einher. Ein paar Leute in einer kleinen Stadt in einer ländlichen Region haben es geschafft, ein lokales Unternehmen zu gründen, dessen Wert nun im Bereich um einhundert Millionen Dollar liegt. Wir sehen nun dabei zu, wie die Erzeugnisse dieses regionalen Herstellers ans andere Ende der Welt zu den Patienten nach Deutschland gelangt. Das ist wirklich spannend und besitzt schon fast einen größeren Wert als die wirtschaftlichen Erträge, die dabei generiert werden.