Ein Besuch bei Demecan
Zugegeben, ein wenig aufgeregt war ich schon auf dem Weg zum ersten legalen Grow in Deutschland. Seltsamerweise aufgeregter als beim Besuch eines Illegalen Guerilla Grows, den ich in den vergangenen 20 Jahren regelmäßig ins mediale Rampenlicht gerückt habe.
Aber nicht nur die innere Unruhe, auch das Anmelden und Vorzeigen des Personalausweises waren beim Ablichten von Cannabispflanzen ein Novum. Ebenso waren mir die Sicherheitsvorkehrungen, die ich nur mithilfe eines sehr zuvorkommenden Demecan-Mitarbeiters (BigUp an Franz) überwinden konnte, in diesem Ausmaß nicht mal in Kanada beim Besuch meines ersten legalen Grows begegnet.
Bevor der Kameramann und ich in den Anbaubereich vordringen konnten, mussten wir mehrere Sicherheitsschleusen, Bewegungsmelder und Stahltüren passieren sowie mehrmals die Kleider und das Schuhwerk wechseln. Sogar die Kameras und Stative galt es zu desinfizieren, um bloß keine Organismen einzuschleppen, die den Hanfpflanzen das Leben erschweren könnten.
Nach gefühlten 30 Minuten Laufen, Umziehen und Abwischen werden wir dann vom Chef-Grower und Mitinhaber Adrian zwischen zahlreichen Hanfdamen, die bereits 45 Tage geblüht hatten, empfangen. Adrian ist von Haus aus eigentlich Arzt. Als klar wurde, dass Deutschland Cannabis zu medizinischen Zwecken produzieren wird, hat Adrian zusammen mit seinen Freunden und Partner Cornelius und Konstantin beschlossen, es einfach mal zu versuchen. Die ersten Kontakte nach Kanada waren schnell geknüpft und Adrian konnte sich bei einem kanadischen Produzenten mit den Grundlagen des Cannabisanbaus unter Kunstlicht vertraut machen. Viele, die sich im Rahmen der Vergabe gefragt haben, wie denn ein Bewerber die von BfArM geforderte Erfahrung beim Anbau von Cannabis nachweisen könne, hatten eben nicht daran gedacht, einfach mal in Kanada jobben zu gehen und sich das bescheinigen zu lassen.
In drei Wochen wird die nächste Ernte eingefahren
Als Erstes fallen mir die großen (1000 Watt) Natriumdampf-Strahler auf, von denen sogar eine Reihe über dem Gang hängt. Adrian erklärt mir, dass medizinisches Cannabis absolut homogen wachsen müsse. Nicht nur, damit alle Pflanzen gleich aussehen, sondern auch, um auch bei den Pflanzen am Rand einen stabilen und gleichmäßigen THC-Wert zu garantieren.
Adrian berichtet, es handle sich um die Sorte „Demecan One“. Welcher Strain genau dahintersteckt, möchten die drei Inhaber (noch) auch später in gemütlicher Runde nicht verraten. Immerhin erfahre ich, dass es sich um Indica lastige Kush-Varietät handelt, die gerade in der siebten Blütewoche steht und in 20 Tagen geerntet werden soll.
Die Pflanzen stehen auf großen Steinwollwürfeln und werden aus der Versorgungszentrale, die Adrian mir im Anschluss zeigen will, heraus vollautomatisch bewässert. Mir fallen sofort die groß gewachsenen, fetten Buds ins Auge, von denen an jeder Pflanze fünf oder sechs ihre Köpfe ins Kunstlicht recken. Mir fällt auch auf, dass die Ladys im unteren kahl geschoren sind und erfahre, dass es für den sogenannten „Underbrush“ gleich drei Gründe gibt. Durch die fehlenden Blätter und Äste im unteren Bereich werden die Topbuds besser versorgt, die Schädlingsanfälligkeit sinkt und die Ernte weniger großer Blüten geht leichter von der Hand als das Trimmen kleiner Popcornbuds. Adrian erklärt mir, der Underbrush (deutscher Fachbegriff: Ausgeizen) solle spätestens am 20. Tag des Blütezyklus stattfinden.
Der Sonnenuntergang wird simuliert
Bevor ich mir die Damen noch genauer ansehen kann, wird es leider langsam dunkel. Langsam soll heißen, dass die Lampen in den Growräumen von Demecan nicht Knall auf Fall ausgehen, sondern die Dämmerung simulieren, indem die Beleuchtungsintensität langsam bis auf null sinkt. Sinkt die Temperatur zu abrupt, kann sich das in der Luft Gespeicherte auf den Pflanzen absetzen, weil kalte Luft weniger Wasser als warme speichern kann. So vermeiden pfiffige Gärtner mit der Simulation des Sonnenuntergangs die Kondensation von Feuchtigkeit und beugen Schimmel vor.
Nach den blühenden Pflanzen zeigt mir Adrian die Stecklinge. Die stehen in einem anderen Bereich der Anlage. Ich drücke aus Versehen die Klinke der Tür vor mir runter und löse den Alarm aus. Unbefugte haben hier wirklich keine Chance. Zum Glück bringt Adrian die Sirene mit seiner Magnetkarte und einem Telefonanruf zum Schweigen und wir können uns in Ruhe dem Nachwuchs widmen. Die Stecklinge stehen unter LED-Röhren und haben bereits eine Größe von guten 15 Zentimetern erreicht.
Hier bekomme ich auch den zweiten Strain der Firma, „Demecan Two“ in seiner frühen Entwicklungsphase zu Gesicht. Auch bei der zweiten Sorte erfahre ich die genaue Herkunft nicht, weiß aber jetzt, dass Cannabis-Patienten sich in naher Zukunft auf eine, so Adrian „alte Cali(fornian)“ Varietät freuen können.
Jetzt geht es ins Herz der Anlage geht, erwähnt mein Gastgeber noch den Zellkultur-Raum, wo die selektierte Genetik mithilfe …. vermehrt werden kann. So stellt die Firma sicher, dass die wertvolle Genetik über einen langen Zeitraum hinweg unverändert zur Verfügung steht. Zwar lohne sich die vegetativ Vermehrung aus Zellkulturen nicht, aber falls es mal Probleme mit einem Strain gäbe, ist seine Genetik als Zellkultur gesichert.
Geschlossene Kreisläufe steigern die Energieeffizienz
In der Steuerzentrale angekommen erfahre ich, wie von hieraus alle Parameter der gesamten Anlage kontrolliert werden: Eine bewusst für den Betrieb entwickelte Software steuert die Beleuchtung aller Growräume sowie die Versorgung mit Nährstoffen. Zudem werden Luftfeuchtigkeit, Temperatur, Lichtwellenintensität, Leit- sowie pH-Wert der Nährstofflösung hier überwacht und angezeigt. Jeder Raum ist einzeln ansteuerbar, lediglich die Nährlösung muss für die einzelnen Räume mithilfe eines großen Rührgerätes von den Mitarbeitenden nach einem streng vorgegeben Ablauf und Rezeptur angemischt werden. Den Rest erledigen eine überdimensionale Osmoseanlage, Beleuchtungs- und Düngesoftware, eine futuristische Klimasteuerung und sogar eine Wärmerückgewinnungsanlage, mit deren Hilfe die Büroräume des Unternehmens mit der Abwärme ihrer Growräume heizt. Auch beim Wasserkreislauf wird jeder Tropfen rückgewonnen, selbst das in der Luft gebundene Wasser aus den Growräumen wird über die Klimasteuerung zurückgeführt und so wieder verwendet, um die Pflanzen damit zu versorgen. Obwohl ich schon viele, legale wie illegale Growräume von innen gesehen habe, muss ich gestehen, dass Cannabis „Grown in Germany“ vom Perfektionsgrad alles bislang Gesehene übertrifft.
Die Nützlinge verhungern wohl
Bevor wir zu den Mutterpflanzen dürfen, müssen wir noch mal Klamotten und Schuhe wechseln. Demecans Basis der Zucht wird noch besser gegen Eindringlinge von außen geschützt als der Rest der Anlage. Denn wenn hier irgendwas schiefgehen sollte, liegt der ganze Grow erst mal auf Eis.
Die Mütter stehen unter den gleichen LED-Lampen wie ihre Töchter im Raum nebenan. Adrian und sein Team schneiden alle zwei Wochen 500–600 Stecklinge, wobei sie für den Nachwuchs nur die oberen Triebe benutzen. Genau wie in jedem anderen Raum hängen auch hier kleine Beutel mit Nützlingen, die gegen eventuell eingeschleppte Schädlinge patrouillieren. Doch dank der peniblen Sauberkeit und mehrfach gefilterter Luft verhungern die Nützlinge regelmäßig, weil sie in Adrians Räumen keine Nahrung finden.
Nach der nächsten Umkleidekabine darf ich den Ernteraum betreten. Leider ist hier mangels Erntetätigkeit am heutigen Tage niemand zugange und alle Erntegeräte sind natürlich penibel gereinigt. Die Demecan-Blüten werden per Hand geerntet und von Stängeln und großen Blättern befreit, bevor sie im Trimmer den Feinschnitt erhalten und als fertige, aber noch feuchte Blüten von der Erntemaschine ausgespuckt werden. Die Trimmreste werden nicht wie alle anderen übrig gebliebenen Pflanzenteile vernichtet, sondern sollen zukünftig aufgrund ihres immer noch hohen Wirkstoffgehalts als Grundlage der Extrakt-Produktion dienen.
In nur vier Tagen trocken
Zum Trocknen geht es in eine mit riesigen Schiebetüren aus Stahl gesicherten Raum. Weil der gesamte Ernte- und Trocknungsbereich den strengen GMP (Good Manufacturing Practice) Regularien der Arzneimittelproduktion unterliegt, dürfen wir den Raum, in dem die fertigen Blüten liegen, leider gar nicht betreten. Mich interessiert, wie lange die Blüten nach der Ernte dort trocknen. Ich höre erstaunt, dass die Buds dank einer Entfeuchtungsanlage und guter Belüftung bei einer Temperatur von 24–25 Grad nur zwei Tage zum Vortrocknen und zwei weitere Tage brauchen, bevor sie in den Endbehältern gelagert werden können.
Bevor die Führung zu Ende ist, stelle ich Adrian noch die Gretchenfrage des Cannabisanbaus: Ich möchte wissen, wie viel Gramm pro eingesetztem Watt Demecan her ergärtnert, also wie effizient die erste Deutsche Cannabisproduktion arbeitet. Genau möchte mir das der Senior Grower nicht verraten, aber ich erfahre wenigstens, dass Demecan bereits bei der ersten Ernte die inoffizielle Schallgrenze von einem Gramm/ Watt übertroffen hat. Das glaube ich angesichts der gewichtigen Buds, die mir im Laufe des Rundgangs begegnet sind, locker.
Nach dem Verlassen des Anbaubereichs habe ich mich insgesamt neunmal an- und ausgekleidet und brauche dringend einen Kaffee. Den gibt es im Verwaltungsgebäude, wo Cornelius, Konstantin und Adrian schon auf mich warten. Während ich das THC-freie Heißgetränk schlürfe, zeigen mir die drei Gründer noch die Früchte ihrer bisherigen Selektionen. Denn bevor die eigentliche Produktion losgehen konnte, durfte die Firma in Jahr lang Strains kreuzen und selektieren, um die optimalen Sorten zu finden. Dabei spielten nicht nur der THC- und CBD-Gehalt, sondern auch Dinge wie das Terpenprofil, die Wuchsform, Größe, Blütezeit und eine Menge anderer Kleinigkeiten eine Rolle.
Bevor ich aufbreche, darf ich noch an zwei Strains, die während dieser Forschungsphase entstanden sind, schnuppern. Die erste Dose enthält geschätzte 50 Gramm „Amnesia Haze“, das duftet wie die guten alten Zeiten in Amsterdams Coffeeshops und mich mit glänzenden THC-Kristallen anfunkelt. Die zweite Dose verströmt ein zartes Erdbeeraroma, das die zart-rosa Blüten eines Strawberry-Phänos aus der Demecan Forschung verströmen. Adrian erinnert mich noch einmal daran, dass Cannabis aus der Forschungsabteilung nur im Labor getestet werden darf, bevor Demecan es unter behördlicher Aufsicht vernichten lassen muss. Zu Deutsch: Die Buds aus der Forschung sind nur was fürs Auge und dürfen nicht von Patienten unter Realbedingungen getestet werden. Doch sobald die erste Ernte im Sommer 2022 in die Apotheken kommt, werden Cannabis-Patienten wissen, wie das Demecan-Cannabis wirkt und schmeckt.