Welche Länder in Europa werden als führend im Umgang mit Cannabis, Hanf und CBD wahrgenommen? Natürlich hängt eine potenzielle Antwort auf diese Frage zum Teil davon ab, wo der gefragte lebt, doch es gibt im europäischen Raum eine Handvoll Länder, denen sehr viele Menschen allgemein einen fortschrittlichen Bezug zu Cannabis nachsagen würden. Dazu würde man wahrscheinlich Nationen wie die Niederlande, Spanien, Portugal und insbesondere in Sachen CBD auch die Schweiz und Österreich zählen.
Deutschland wäre vermutlich nicht unter den ersten Assoziationen, da die Politik der Bundesrepublik sich schwer damit tut, einen zeitgemäßen, wissenschaftlich fundierten Zugang zur Materie zu finden und die Praxis der Behörden dementsprechend zu gestalten. Dass man hierzulande aber dennoch dazu im Stande ist, Innovationen im Bereich hanfbasierter Produkte hervorzubringen, zeigt uns eindrucksvoll das niederländisch-deutsche Unternehmen Becanex.
Der neue Goldstandard der Hanf-Extraktion
Für die Gewinnung von Hanfextrakten gibt es verschiedene Methoden. Sehr geläufig sind zum Beispiel die Extraktion mittels Alkohol als Lösungsmittel oder auch die superkritische CO2-Extraktion. Die Endresultate, die die jeweiligen Extraktionsverfahren hervorbringen, unterscheiden sich in vielen Eigenschaften. Die Extraktion mit Alkohol macht leider weitere Arbeitsschritte notwendig, da unerwünschte Substanzen mitextrahiert werden. Außerdem sind durch die erhöhten Verdampfungstemperaturen im Prozess wichtige Stoffe verloren gegangen, die zum einen für ein schönes Aroma und zum anderen auch für den begehrten Entourage-Effekt notwendig gewesen wären.
Die Nachteile bei der CO2-Methode sind zum Beispiel hohe Kosten und auch dieses Verfahren zieht spätere Filtervorgänge nach sich. Zudem werden dabei empfindliche Mono- und Diterpene abgebaut, was Geruch, Geschmack und Farbe negativ beeinflusst. Becanex hat Mitte 2019 begonnen, die Herstellung der eigenen Produkte mit einem selbst entwickelten Extraktionsverfahren zu bewerkstelligen. Im Unternehmen freut man sich mit dieser Methode „den natürlichen goldenen Standard der Cannabinoid-Extraktion entwickelt zu haben“, wie CEO Sebastian Kamphorst es treffend formulierte.
Das radikal vereinfachte Produktionsverfahren extrahiert in nur einem Arbeitsschritt die gewünschten Wirkstoffe aus der Biomasse. Eine anschließende Säuberung des Extrakts braucht es nicht. Das ganze Cannabinoidspektrum der Pflanze bleibt erhalten und man erhält ein natürliches Produkt, das ein mildes und angenehmes Hanfaroma aufweist. Im folgenden Interview mit Janika Takats von Becanex konnten wir unsere Neugier hinsichtlich dieser innovativen Extraktionsmethode befriedigen und auch einige andere Fragen stellen zum Unternehmen Becanex.
Hanf Magazin: Becanex ist in Deutschland, genauer gesagt in Berlin, zu Hause. Wenn man Eure Seite im Internet besucht, findet man eine Homepage vor, die komplett in Englisch kommuniziert. Liegt das daran, dass Becanex auch Großhandel macht und hier verstärkt ins Ausland gehandelt wird, weil man da progressiver mit Hanf umgeht?
Janika Takats: Becanex wurde erst in den Niederlanden, genauer in Wageningen und dann in Deutschland gegründet. In Berlin steht unsere Produktionsanlage und am Campus der Universität Wageningen, der weltweit renommiertesten Universität in der Lebensmittelbranche, forschen wir und arbeiten an der Weiterentwicklung unserer Technologie. Vier unserer Mitarbeiter arbeiten permanent vor Ort. So können wir die Forschung der Experten optimal mit dem Marktverständnis, das Berlin uns ermöglicht, verbinden. Wir sind ein internationales Team mit Kollegen aus vielen verschiedenen Ländern. Unsere Unternehmenssprache ist Englisch. Die Webseite wird es jedoch auch bald auf Deutsch geben. Das Update ist bereits in Planung.
Hanf Magazin: Wie ist Becanex allgemein international aufgestellt? Wo liegen Eure Schwerpunkte, wo seid ihr geografisch am stärksten vertreten?
Janika Takats: Aktuell liegt unser Schwerpunkt auf dem deutschsprachigen Raum sowie den Niederlanden, unseren beiden Heimatmärkten. Hier beliefern wir die meisten Unternehmen mit unseren CBD-Extrakten. Wir haben aber auch Kunden in elf weiteren europäischen Ländern sowie Australien und Südafrika. Durch Corona sind viele Messen ausgefallen und reisen wurde erschwert. Zukünftig erwarten wir deutlich mehr zu exportieren, als wir in Deutschland absetzen. Wir sind wohlgemerkt ein Großhändler. Wir liefern Private oder White Label Produkte an Großkunden, jedoch nicht an Endverbraucher.
Wir haben gerade einen Novel Food-Antrag in Großbritannien eingereicht, um dort zukünftig CBD-Marken mit verschiedenen Produkten beliefern zu können. Es ist unser Ziel, Europas führender CBD-Extrakteur zu werden. Die meisten unserer Kunden schätzen die Qualität und den Geschmack unserer Extrakte und bestellen immer wieder bei uns. Daher sind wir zuversichtlich, auch in Zukunft national und international immer mehr Abnehmer überzeugen zu können.
Hanf Magazin: Kannst Du dem Leser vielleicht ein wenig einen Eindruck über die Tätigkeitsbereiche von Becanex geben? Mit welchen Produktbereichen beschäftigt Ihr Euch? Welche Schritte der Wertschöpfungskette finden unter dem eigenen Dach von Becanex statt?
Janika Takats: Becanex hat sich auf die Extraktion von Cannabinoiden und Terpenen aus Industriehanf spezialisiert. Deutschlandweit waren wir die ersten, die das taten und eine entsprechende Produktionsanlage aufgebaut haben. Wir bekommen den Pflanzenschnitt – unser Rohmaterial – von unseren Vertragsbauern geliefert. Mit ihnen pflegen wir ein enges Verhältnis. Gleichzeitig kontrollieren wir in regelmäßigen Abständen die Qualität des Pflanzenmaterials. Stimmt alles, kommt dieses in unsere Extraktionsmaschine hier in Berlin. Dort werden CBD sowie weitere Cannabinoide und Terpene extrahiert und am Ende erhalten wir ein reines Extrakt mit bis zu 70 Prozent CBD. Dieses wird dann je nach gewünschtem Produkt unserer Kunden mit einem Trägeröl gemischt und ist dann bereit für die Anwendung.
Hanf Magazin: Für die Gewinnung eines Hanfextrakts verwendet Becanex eine sehr spezielle Extraktionsmethode, deren Prozess nur einen Schritt ausmacht und die mit sehr niedrigem Druck funktioniert. Erzähl uns etwas mehr! Wie funktioniert das?
Janika Takats:Wir haben unser Extraktionsverfahren selbst entwickelt und patentieren lassen. Das besondere an unserer One Step Extraktion ist, dass wir mit nur einem Arbeitsschritt ein fertiges Produkt erhalten, das ist ein Meilenstein in der Extraktionstechnik: Biomasse in Behälter füllen, Knopf drücken und das verkaufsfertige Extrakt kommt aus der Maschine. Dabei wird das Pflanzenmaterial mit einen unter Druck verflüssigten Gas gemischt. Das flüssige Gas nimmt die gewünschten Inhaltsstoffe auf und wird in der Maschine in einen separaten Behälter geleitet, während das übrige Pflanzenmaterial zurückbleibt. Durch die Verringerung des Drucks wird die Flüssigkeit wieder zu Gas und kann abgesaugt werden, während das Extrakt im Tank zurückbleibt und abgefüllt werden kann.
Hanf Magazin: Sicher habt Ihr diese Methode aus einem bestimmten Grund gewählt. Was sind die Vorteile dieser oder die Nachteile anderer Extraktionsprozesse?
Janika Takats: Unsere Ingenieure haben das Verfahren entwickelt, um den Extraktionsprozess schonender und gleichzeitig effektiver zu gestalten. Bei herkömmlichen Verfahren wie der CO²- oder der Alkoholextraktion werden oft zur Nachreinigung des Extrakts toxische Lösungsmittel verwendet, die in weiteren Schritten wieder vom Extrakt getrennt werden müssen. Bei dieser Nachbearbeitung gehen viele wertvolle Inhaltsstoffe wie Terpene und Cannabinoide verloren.
Sämtliche Postextraktionsschritte fallen bei uns weg, wie gesagt: Es ist eine One Step Extraktion. Gleichzeitig ist bei unserer Technik die Verwendung von toxischen Lösungsmitteln nicht notwendig. Durch den niedrigen Druck und die niedrige Temperatur können wir die meisten Cannabinoide und Terpene erhalten, wovon nicht zuletzt die Anwender durch den Entourage-Effekt profitieren. Ein besonderes Lob in diesem Zusammenhang an unser Forschungsteam rund um unseren technischen Direktor Eral Osmanoglou, die Entwicklung der Extraktionstechnologie zur Marktreife hat fünf Jahre gedauert.
Der einzige Schritt, der bei uns unter Umständen noch nach der Extraktion anfällt, ist die Entfernung von THC. Wir bieten neben einem Vollspektrum-Extrakt auch ein Broadspektrum-Extrakt an, welches nicht mehr als 0,01 Prozent THC enthält, also als THC-frei vermarktet werden kann. Dieses wird von immer mehr Anbietern gewünscht, entweder weil es die Regularien im jeweiligen Land so vorgeben oder weil sie einfach auf Nummer sicher gehen und ihren Kunden die eher unbegründete Angst nehmen wollen, vielleicht doch high zu werden oder in einer Verkehrskontrolle aufzufallen.
Hanf Magazin: Als Resultat des Becanex Extraktionsverfahrens soll unter anderem auch der Geschmack des Endprodukts sehr angenehm sein. Woran liegt das?
Janika Takats: Das hat zwei Gründe. Da wir mit unserem Verfahren so viele Cannabinoide, aber auch Terpene erhalten, sorgen diese für den charakteristischen Cannabisgeschmack. Zum anderen werden bei unserer Methode keine ungewünschten Stoffe wie Wachs und Chlorophyll mit extrahiert. Letzteres lässt das Öl dunkelgrün erscheinen. Der größere Nachteil an Chlorophyll im Extrakt ist jedoch, dass es das Öl bitter schmecken lässt. Chlorophyll zerfällt recht schnell, wobei Bitterstoffe entstehen. Diese sind wiederum der Grund, warum viele Anwender den Geschmack von CBD-Öl nicht mögen. Unser Öl ist hingegen honiggelb und schmeckt mild nussig bis fruchtig, denn es enthält nur die Stoffe, die es braucht, um ein gutes CBD-Öl zu sein.
Hanf Magazin: Welches sind die Ziele von Becanex für 2021? Was erwartet Ihr von diesem Jahr? Wird es neue Projekte und Produkte geben oder wollt ihr Euch eher um neue Märkte kümmern, oder ist beides möglich?
Janika Takats: Wir arbeiten fortlaufend daran, unseren Kundenstamm auszubauen, sowohl national als auch international. 2021 wollen wir unsere Produktion erweitern. Aktuell sind wir auf der Suche nach einer neuen Produktionshalle und werden eine weitere Extraktionsmaschine entwickeln, um unsere Kapazitäten zu verzwanzigfachen. Außerdem konzentrieren wir uns aktuell darauf, unser Verfahren zur THC-Entfernung in den Extraktionsprozess zu integrieren.
Was die Produktentwicklung angeht, so werden aktuell von immer mehr CBD-Marken Öle mit Zusätzen wie Vitaminen oder Aromen (z. B. Vanille) angefragt. Wir mischen die jeweiligen Zusätze unserem Öl bei und feilen solange an der Rezeptur, bis unsere Kunden zufrieden sind. Auch Kosmetika mit CBD werden immer beliebter. Wir freuen uns über derartige Anfragen, weil wir dadurch Neues ausprobieren und unser Portfolio erweitern können.
Hanf Magazin: Welche Entwicklungen prognostizierst Du für die Hanf- und CBD-Branche in der näheren Zukunft? Und glaubst Du, dass sich auch politisch/regulatorisch etwas tut?
JJanika Takats: Ich hoffe, dass der Markt bald „durchreguliert“ sein wird, damit es keine Einschränkungen mehr bei der Produktentwicklung gibt und Konsumenten sich auf das, was auf der Packung steht (wieder) voll verlassen können. Die Nachfrage ist aktuell so groß, dass die Verbraucher den aktuellen Zustand hinnehmen, weil es ihnen wichtiger ist, weiter CBD-Präparate zu erhalten. Längerfristig ist das jedoch keine Lösung. Wir verstehen uns als Unternehmen der Lebensmittelbranche. In dem Bereich ist man es gewohnt, mit hohen Qualitäts- und Sicherheitsanforderungen zu agieren und entsprechende Zertifikate vorweisen zu können. Wir produzieren beispielsweise nach FSSC 22.000 Norm, das ist der höchste Standard in der Lebensmittelproduktion. Letztendlich sollten die Endverbraucher auch genau das erwarten können, wenn sie ein Produkt erwerben.
An dem Hin und Her der letzten Jahre und Monate merkt man, wie wenig Wissen es bei den Entscheidungsträgern über CBD gibt. Hier heißt es weiter: aufklären und den Austausch suchen. Unserer Erfahrung nach ist das Interesse der Behörden an CBD groß hier in Berlin. Wir hatten auch stets das Gefühl, dass unser Produkt positiv gesehen wird. Die Branche muss schlichtweg ihre Hausaufgaben bzgl. Produktsicherheit machen. Für uns wäre es hilfreich, wenn die EU Extrakte mit einem natürlichen CBD-Gehalt nicht mehr als Novel Food betrachtet. Am wichtigsten ist jedoch, dass die Regulierungen innerhalb der EU einheitlich sind und gleichbleiben. Auch muss sichergestellt werden, dass sich alle Marktteilnehmer an die Spielregeln halten.
In der letzten Zeit hat es viele positive Entwicklungen gegeben. CBD wird von der EU nicht als Betäubungsmittel behandelt werden, die Branche professionalisiert sich zunehmend und organisiert sich, um ihre Anliegen geschlossen zu vertreten. Solche Prozesse brauchen Zeit, zumal das alles Aktivitäten sind, die neben der „normalen“ Arbeit im Unternehmen passieren. Ich denke, dass wir alles in allem auf einem guten Weg sind und CBD sich weiter in den Läden und in den Schränken der Verbraucher etabliert.