Verliert Cannabis an Wirkung, bevor es in unseren Apotheken ankommt? Wie wird es geprüft? Wer ist verantwortlich, falls es zu Problemen in der Lieferkette kommt? Falls Ihnen keine Antwort auf diese Fragen einfällt, dann lesen Sie weiter, denn Hanf Magazin hatte das Glück auf der Mary Jane 2021 ein Interview mit Stefan Lange, dem Gründer von Bavaria Cannaceuticals und David Surjo, dem CEO, zu führen, in welchem all diese Fragen beantwortet werden.
Falls sie aber die Antworten auf diese Fragen schon kennen, dann verliert das Interview trotzdem nicht an Wirkung, denn in diesem Gespräch gehen wir nicht nur auf Bavaria selbst ein, sondern besprechen auch die Höhen und Tiefen des pharmazeutischen Cannabishandels, den strukturellen Aufbau des sichersten Cannabis Bunkers Europas, nachhaltige Cannabis Haltung und die Suche nach passionierten Partnern in einer jungen, wilden und komplizierten Branche, welche immer noch ihren eigenen Weg sucht. Anmerkung: Zurzeit des Interviews hieß Bavaria Cannaceuticals noch Bavaria Weed.
Hanf Magazin: Freut mich euch beide hier zu haben, aber könntet ihr euch für die Leser noch einmal vorstellen?
Stefan Langer: Ich bin Stefan Lange, Gründer von Bavaria Weed.
David Surjo: David Surjo, der CEO.
Stefan Langer: Im Endeffekt bin ich derjenige, der sich mit den Pflanzen seit über 20 Jahren beschäftigt und David hat lange als Dienstleister für Pharma und Lifesciences im Bereich der Arzneimittelentwicklung gearbeitet. Von daher ergänzen wir uns sehr gut und vereinen die beiden Welten Cannabis & Pharma.
Hanf Magazin: Cool. Dann kann man ja sagen, ihr seid ein echtes Dream-Team.
Stefan Langer: Ja, wir sind auch sehr zufrieden mit unserer Arbeitssymbiose.
Hanf Magazin: Was macht Bavaria Weed?
Stefan Langer: Wir überwachen den ganzen Prozess vom kontrollierten Anbau bis zum freigegebenen Produkt für den Markt. Unsere eigentliche Arbeit beginnt mit dem Import, Warenempfang mit Eingangskontrolle, gefolgt von der Verpackung, Marktfreigabe und Versendung an unsere Partner. In erster Linie füllen wir Cannabisblüten in Dosen ab, das klingt banal und ist keine Rocket Science. Die Herausforderungen fangen bei uns schon viel früher an, wenn wir die Hersteller vor Ort überprüfen und anschließend genau spezifizieren, wie die zukünftige Zusammenarbeit erfolgen soll mit Bezug auf Sorten, Anbaumethoden, Trocknung, Trimmung, Versendung sowie der begleitenden Dokumentation und dem erforderlichen Qualitätsmanagementsystem.
Man kann es sich am besten vergleichen mit Hipp-Babykost. Claus Hipp füllt auch “bloß“ Brei in Gläser ab, aber die hohe Qualität der Produkte wird dadurch erreicht, dass die gesamten Produktionsprozesse und die Teilaspekte überwacht werden. Das schafft er, indem er die Böden kontrolliert, auf Pestizide verzichtet und auf die Nachhaltigkeit schaut und das seit Jahrzehnten. Deshalb stehen er und sein Sohn jetzt vor der Kamera und sagen „Dafür stehe ich mit meinem Namen.“ Warum? Weil er den Gesamtprozess kontrolliert und beherrscht.
Das haben wir uns auch zum Vorbild genommen. Bevor das Cannabis bei uns verarbeitet wird, erfolgt eine Eingangsanalytik ergänzend zu der Analytik unserer Zulieferer, danach erfolgt die Verarbeitung in unseren Reinräumen anschließend kommt es in die Quarantäne, bis die Ausgangsanalytik abgeschlossen ist und erst dann wird es für den Markt freigegeben.
David Surjo: Das unterscheidet uns auch ein bisschen von den Mitbewerbern, die zum Teil eben nur eine Großhandelserlaubnis haben. Wir haben zum einen die Großhandelserlaubnis, um den Handel betreiben zu können, aber wir haben eben auch die Herstellungserlaubnis, das ist die sogenannte GMP Lizenz, um auch wirklich die kritischen Prozesse der Herstellung hier in Deutschland in unseren eigenen Räumlichkeiten abzubilden zu können. Wenn man die gesamte Lieferkette überwacht und die letzten Schritte hier in Deutschland erledigt, kann man eine ganz andere Qualität abbilden, als wenn man Ware aus dem Ausland kauft und dann darauf vertrauen muss, dass das Produkt den Anforderungen entspricht.
Stefan Langer: Wir mussten schon vieles ablehnen, weil natürlich kriegst du irgendwelche COAs (Laborwerte mit Analysenbescheinigung) aus dem Ausland, wo dann angeblich die Spezifikationen passen. Dann schickst du es selber in das hauseigene Labor und dann bekommst du die Ergebnisse und du glaubst es nicht. Du schickst es noch mal ins Labor, erhältst wieder dieselben Ergebnisse, dann schickst du es zu einem dritten Labor, weil du denkst, dass dein eigenes Labor, das nicht richtig macht, aber die kommen auch auf dasselbe Ergebnis. Bei uns fällt so etwas auf, aber wir sehen halt auch, was leider sonst so auf dem Markt passiert.
Hanf Magazin: Wow, ich dachte nicht, dass Menschen auch bei etwas so Wichtigen betrügen. Damit kann ein Unternehmen seine Lizenz verlieren und die Schwerkranken kriegen nicht die Medizin, die sie benötigen. Echt gut, dass Ihr dann solche Analysen macht.
Stefan Langer: Es gibt Regeln, die müssen eingehalten werden. Man muss den Freizeitmarkt und Medizinmarkt klar trennen können. Der medizinische Markt besteht ja nicht aus topgesunden Menschen, sondern Menschen mit eventuell schweren Vorerkrankungen und da muss ich halt schauen, dass ein 100 % sicheres Produkt bei dem Patienten ankommt, denn du rauchst es ja auch noch. Es gibt ja keine Barriere, die das Cannabis noch mal aufhält.
Du ziehst es ja direkt in den Körper rein und von daher muss man da schon klare Grenzen ziehen. Was jetzt nicht gegen den Recreational sprechen soll. Da sind wir genauso Fans davon, aber wir müssen das schon voneinander trennen können. Ein herkömmlicher Raucher benutzt es ja auch eher als Ergänzung für einen Lifestyle. Da geht es ja eher um Spaß als um Gesundheit.
David Surjo: Aber die Qualität sollte halt stimmen. Das ist halt eben im Moment ein Problem, denn die Regularien werden nicht gleich umgesetzt und die Ansicht der jeweiligen Landesbehörden unterscheiden sich schon. Das wird noch ein bisschen Aufbauarbeit benötigen sowie Aufklärung aufseiten der Konsumenten und Patienten, was sie da eigentlich zu sich nehmen.
Stefan Langer: Ist auch ein riesiger Prozess. Da steckt ja alles noch in den Kinderschuhen. Für uns in der Branche ist das ja auch unser tägliches Brot. Wenn man mal über die Grenzen hinausschaut, dann ist alles immer noch unter der großen Überschrift „Aufklärungsarbeit“ und das in allen Richtungen: Aufklärung bei Ärzten, Aufklärung bei Patienten, Aufklärung bei Behörden und so weiter. Wie gesagt, es ist eine sehr junge Branche, auch wenn es in Kanada seit ganzen 6 Jahren top läuft. Wir in Deutschland mit unserem Medizingesetz, waren jetzt die Vorreiter in Europa. Jetzt geht’s überall erst los.
Hanf Magazin: Interessant. Seit wann gibt es Euch eigentlich?
Stefan Langer: Wir haben die Firma noch im März 2017 gegründet. Waren dann relativ schnell drüben in Kanada zur ersten Messe in Toronto und hatten dann 2018 angefangen, unsere Großhandelslizenz zu beantragen. Ende 2018 hatten wir die Großhandelserlaubnis und konnten erste Produkte handeln. Dann haben wir unseren Bunker gekauft und haben relativ schnell die Baugenehmigung bekommen.
Innerhalb von 7 Monaten haben wir den Kern komplett umgebaut und dann einen Pharmabetrieb daraus gemacht. Mit einem Reinraum der Klasse “D“ und ein Qualitätsmanagement aufgebaut, die Maschinen qualifiziert und die Prozesse validiert, genau wie in einer traditionellen Pharmafirma und haben dann 2020 die Lizenz bekommen für API’s (aktive pharmazeutische Wirkstoffe) und Ende 2020 die Herstellungserlaubnis für alle Produkte.
Hanf Magazin: Man will ja überall auch abgesichert sein, auf jeder Ecke, was alles angeht. Wow, ist ja ein ganz schöner Prozess. Das meiste davon fällt wohl eher in Davids Bereich.
David Surjo: Ja, ich bin dafür da, die regulatorische Strategie weiter auszubauen und eben, wie Stefan schon gesagt hat, mich darum zu kümmern, das wir das Thema der Wissensgenerierung mit klinischen Studien erweitern, weil das ist im Moment ja noch ein ziemlich unbestelltes Feld. Natürlich gibt es Publikationen zum Thema Cannabis, aber die sind halt nicht Strain spezifisch und von daher ist es sehr schwierig, diese Daten zu interpretieren.
Um aus dieser unklaren Situation rauszukommen, haben wir überlegt, dass wir für die Produkte eine eigene Entwicklung aufsetzen, um die Wirkungsweise besser zu verstehen und entsprechende pharmakologische und pharmakodynamische Daten sammeln. Das Ziel ist es, Patienten und Ärzten eine bessere Behandlungsempfehlung zu geben, indem wir die optimalen Strains für bestimmte Erkrankungen identifizieren und ein angepasstes Therapieschema entwickeln. Das ist definitiv eines unserer Ziele für die nächsten Jahre.
Hanf Magazin: Ah ok. Also erst mal Respekt, dass Ihr wirklich auch was für die Aufklärung tut. Ich glaube, das unterscheidet euch auch von einem simplen Importer-Exporter was das angeht. Die nächste Frage, welche ihr schon teilweise beantwortet habt: Was für Produkte stellt Ihr genau her?
David Surjo: Im Moment fokussieren wir uns auf die Cannabisblüte als Rezepturarzneimittel, weitere Produkt sind bereits in der Planung. Wir wollen unter anderem auch in den Bereich der Extraktion gehen und wir haben noch viele weitere Ideen, wie wir die Potenziale von Cannabis nutzen und neue Darreichungsformen schaffen.
Sehr gut. Ihr lagert und untersucht das Cannabis ja in Eurem berühmten Bunker, aber wie sicher ist so ein NATO-Bunker überhaupt?
Stefan Langer: Das ist nicht nur ein NATO-Bunker. Die NATO hat den Bunker als Atomschutzbunker geplant und als Spionage und Abhöranlage Richtung DDR und Russland. Das war ein Riesenproblem, weil so einen Bunker kann man nicht einfach kaufen. Wir mussten durch ein Gremium von allen angrenzenden Gemeinden und Städten. Da hat jeder eine Abordnung geschickt, mit Bürgermeister und 3 Vertretern des Gemeinderats. Insgesamt waren 16 Leute da. Ich musste pitchen und die mussten dann entscheiden, geben sie mir den Bunker oder nicht. Ich habe die Abstimmung dann 15:1 gewonnen und ich durfte noch am selben Tag den Schlüssel mitnehmen, obwohl der Notartermin erst in 3 Monaten war.
Stefan Langer: Ich stehe auch im Grundbuch drinnen. Die einzige Bedingung war der Bunker muss die nächsten Jahre mir gehören, ansonsten fällt er wieder an die Gemeinden zurück. Es ist brutal. Also sogar für die Sicherungsmaßnahmen, die man beim Cannabis braucht, ist der Bunker so weit drüber. Die Außenwände sind 1.35 Meter dick. Die erste Tür ist eine 30 Tonnen schwere, elektrisch fahrende Schiebetür aus reinem Panzerstahl. Dahinter ist die erste Druck-Tür, welche so groß ist wie die Frachttür eines LKW’s und 7 Bar Luftdruck aushält. Damit du eine bessere Vorstellung hast: in einem Autoreifen sind nur 2 Bar drinnen.
Hanf Magazin: Das ist ja sicherer als Dagoberts Geldspeicher. Kleine Frage: Warst du überrascht, dass es so wenig push-back von der Gemeinde gab? Du hast ja gesagt, das Votum war 15:1.
Stefan Langer: Da muss ich ganz ehrlich sagen: Immer noch. Also nicht speziell wegen der Gemeinde, sondern generell. Man hat ja die ganze Stigmatisierung auch mitgemacht und jetzt, wo ich angefangen habe, damit… ich meine, viele wussten es natürlich, dass ich mich ein wenig damit auskenne, und ich muss ehrlich sagen, bei meinem ersten Anruf, wo es um den Bunker ging, war bei einem Herrn Doktor Zimmerman, das war der Leiter von diesem Gelände. Ich ruf ihn an und frage „ist der Bunker noch zu haben?“ „Warum? Was haben sie den vor?“ Dann sag ich „Wie stehen sie denn zu dem Thema Cannabis?“ Und dann war so eine Sekunde Ruhe, zwei Sekunden Ruhe, drei Sekunden Ruhe und dann fragt er mich „legal?“
Dann haben wir beide herzhaft gelacht und da war schon das Eis gebrochen. Der war schon mal aufgeschlossen und bei der ganzen Abstimmung, da waren der komplette Durchschnitt der Gesellschaft anwesend. Wer letztendlich dagegen gestimmt hat, weiß ich nicht. Ich wurde da auch ordentlich gelöchert und ich muss dazu sagen, es ging hier nie nur um die reine Blüte oder den reinen Blütenhandel, sondern es ging auch darum, was kann ich aus dieser Blüte noch machen? Also sprich, Extrakte. Was kann ich mit der Blüte noch machen um sie besser einzusetzen?
Wenn ich mich mit dem Cannabis auskenne, dann kann ich Cannabis wesentlich besser einsetzen. Ich rede dann immer von einem Skalpell. David hat schon angefangen mit den Studien. Man kann die Sorten so einteilen, dass du bei bestimmten Symptomen oder bestimmte Krankheiten nichts Besseres auf dem Medizinmarkt finden würdest. Zum Beispiel: Schlaf. Cannabis ist seit 10.000 Jahren bekannt dafür, dass es, mit der richtigen Sorte, ein tolles Schlafmittel ist. Es gibt Sorten da wirst du auf keinen Fall einschlafen, aber bei bestimmten Sorten, die extrem gut bei schlaf sind, kannst du den kompletten Schlaftablettenmarkt austrocknen. Das ist auch unser Problem, denn das ist genau die Lobby, welche seit Jahrzehnten gegen uns kämpft.
Unser Ziel ist es zu versuchen, die Sorten so zu beschreiben, dass der Arzt und der Patient verstehen, in welche Richtung ein bestimmter Strain wirkt. Im Moment haben wir zwei Angebote: Das sind die Kultivare Sirius und Mango. Sirius ist eher für tagsüber. Es ist sehr gut gegen Schmerzen, chronische Schmerzen, Migräne aber macht einen nicht platt. Im Gegenteil, es gibt sogar ein Stück weit Konzentration und Fokussierung. Mango ist eher für die Abendstunden, es wirkt beruhigend und dann schlaffördernd.
Also wir wollen schon versuchen, den Leuten eine Gebrauchsanweisung an die Hand zu geben und werden das dann mit Studien untermalen, wo wir dann wirklich valide Daten haben und dann sagen können „Jawohl, jetzt haben wir noch mal 2000 gefragt und die haben bestätigt, es ist so oder so oder im Verhältnis wirkt es so besser oder so besser.“ Da geht es jetzt nicht nur um unsere eigenen Sorten, weil da bin ich eher Überzeugungstäter und Passionist. Ich hoffe eigentlich eher, dass sich viele Leute der Branche noch anschließen, weil je umfangreicher die Datenlage ist, desto fundierter können wir die Strain-spezifischen Effekte beschreiben.
David Surjo: Deshalb haben wir auch beschlossen, Teil der European Cannabis Association (ECA) zu werden. Die ECA ist ein wissenschaftlicher Fachverband, der durch eine Regulierung des Marktes Transparenz schaffen und Standards entwickeln will. Da suchen wir jetzt auch nach anderen Passionisten, welche auch diesen Weg gehen wollen, damit man sich in Arbeitsgruppen gemeinsam den verschiedenen Themen nähern kann.
Zum Beispiel: Wie kann man die Spezifikation noch besser aufsetzen? Wie können wir die Guidelines verbessern? Wie können wir die Arztkommunikation erhöhen, damit die Ärzte eine bessere Handlungsanweisung haben? Es gibt eigentlich genug Baustellen auf der wissenschaftlichen als auch der Herstellungsseite, an denen man sich vielfältig für die nächsten 20 Jahre austoben kann.
Hanf Magazin: Das Ihr Teil der ECA seit wusste ich gar nicht. Vielleicht kann man ja bald noch mehr neue Mitglieder begeistern. Ihr habt die Frage zwar schon zum Teil beantwortet, aber was sind eurer Meinung nach die medizinischen Vorteile von Cannabis?
David Surjo: Diese medizinische Pflanze hat so viele verschiedene sekundäre Pflanzenstoffe, die in sich eine Wirkung haben, die halt diese Komplexität ausmachen. Darum sagen wir auch, wir müssen jeden einzelnen Strain erforschen mit seiner individuellen Wirkstoffkombination, da jeder Strain völlig unterschiedliche Effekte haben kann. Das wird uns auch die nächsten paar Jahre beschäftigen, besser zu verstehen wie die Terpene und Cannabinoide wie THC, CBD, CBG und die anderen Bestandteile interagieren bzw. wie die Interaktion der ganzen Komponenten letztendlich beim Menschen eine Wirkung hervorrufen, die so vielfältig sein kann.
Stefan Langer: Es geht leider nicht so kurz, ich versuche mich in 3 Sätzen zusammenzufassen: Erst mal allgemein. Warum wirkt Cannabis generell so gut bei uns? Das ist ganz einfach, das Endocannabinoid System existiert bereits seit den frühen Phasen der Evolution und ist ein zentraler Bestandteil der Säugetiere, der sich über den ganzen Körper erstreckt. Jetzt nehmen wir Cannabinoide zu uns. Sehr allgemein und unwissenschaftlich gesprochen, ist das der Grund, warum der Körper Cannabis so gut aufnimmt und so gut verarbeitet. Der zweite Grund ist das, was in Cannabis wirkt, sind nicht nur THC und CBD. Das sind Stoffe, die sich gegenseitig aktivieren. Du benötigst sie, um die Terpene zu verstärken.
In der Cannabispflanze passieren so viele chemische Vorgänge, dass jeder Wissenschaftler noch eine Stufe tiefergehen möchte, aber dann wird es noch komplizierter für ihn. Die Wissenschaftler reden seit 50 Jahren von einem Entourageeffekt, den sie bis heute nicht erklären können. Das, was die verschiedenen Wirkungen ausmacht, sind im Endeffekt die Terpene. Terpene muss man sich vorstellen wie ätherische Öle. Wie Kamillenumschläge von der Mutter, das ist auch ein Terpen und zwar sind das die Caryophyllene.
Wenn man Muskelkater hat, dann reibt man sich mit Franzwein ein. Hier wirkt nicht der Alkohol, der hilft nur beim Einziehen. Was hilft, sind die Alphapinene, das ist das Extrakt der Kieferlatschennadel, das ist aber auch nur eins. Deshalb ist Cannabis für die Medizin so interessant, denn Cannabis hat alle Terpene, die in der Natur vorkommen, in sich vereint. Je nach Sorte sind immer 2-3 Terpene dominant und von daher hast du eine Wirkung von Focus gebend, schmerzlindernd, konzentrationsfördernd, kreativ machend bis hin zu Lachflash, sedieren und/oder schlafen. So, kürzer ging es jetzt wirklich nicht.
Hanf Magazin: Alles gut. Das sind eine Menge Infos, von denen manche Leser noch nicht so viel wissen, aber machen wir weiter. Wie schafft ihr es, Cannabis so schnell und ohne Qualitätsverlust von Übersee zu transportieren?
Stefan Langer: Man muss es nicht schnell transportieren, das ist ein Irrglaube. Nach dem Ernten, wenn es perfekt getrocknet ist, was auch ein längerer Vorgang ist, denn man will es so langsam wie möglich trocknen und dann machst du noch dein Rocking Verfahren, das auch noch mal 3 bis 4 Tage dauert, und dann legt es sich der Recreational Anwender eigentlich in sein Weckglas und rührt es erst mal für 4-6 Monate gar nicht an. Wieso? Weil du es wie einen Wein oder einen Käse reifen lassen musst.
Wir haben auf dem Markt einen Teilnehmer, der erntet und trocknet in 5 Tagen in einem Schnellverfahren. Dann haut er es hier auf den Markt, mit einer Haltbarkeit von 2-3 Monate und danach muss er das, was übrig geblieben ist, wegschmeißen, weil die mikrobiologische Belastung dann einfach zu hoch ist. Vielen sagen ja auch das THC im Cannabis baut sich jeden Monat um 0.1 % ab, aber das beschreibt nur eine kurze Phase. Cannabis, wenn es ausgereift ist, alle Prozesse abgeschlossen sind und die Zeit hatte zu fermentieren ist nach ca. 3-4 Monaten relativ stabil. Das bedeutet der THC Wert ändert sich nicht mehr. Das Terpenprofil ändert sich nicht und im Endeffekt ist es dann auch dementsprechend haltbar. Woher weiß ich’s? Weil wir schon länger Stabilitätsdaten ermitteln und seit über 1,5 Jahren regelmäßig nachmessen und der THC Wert, wenn er sich eingependelt hat nach diesem Reifeprozess, bleibt stabil.
Hanf Magazin: Also kann man Cannabis jetzt auch als den grünen Wein bezeichnen.
David Surjo: Wenn man ihn gut lagert.
Stefan Langer: Aber zum Transport: Wir kontrollieren selbstverständlich den Transport sowohl von Kanada als auch von Portugal, von überall her mit Temperaturlogger, da gibt es ganz klare Vorgaben. Cannabis darf nicht unter 15 Grad und nicht über 25 Grad gelagert oder verschifft werden. Wenn bei uns die Lieferung ankommt, lesen wir alle Temperaturlogger aus. Wenn Temperaturabweichungen aufgetreten sind, entscheiden wir, ob wir es überhaupt annehmen oder die Ware vernichten. Es gibt ganz klare Regeln, die wir denen Vorgeben und da machen wir auch keine Ausnahme.
Hanf Magazin: Ihr baut auch nachhaltig an, steht ja auf eurer Website drauf, was unterscheidet Euch da von anderen Firmen, die das nicht machen? Kann man überhaupt nicht nachhaltig anbauen?
Stefan Langer: Das bezieht sich nicht nur auf den Anbau. Natürlich, wenn du was anbaust, ist Nachhaltigkeit in einer komplett künstlichen Umgebung sehr schwer. Ich muss auch ehrlich sagen, wenn du im Arzneimittelbereich bist, dann ist Kunststoffverbrauch hoch zehn. Alles muss steril eingepackt werden, Plastik ohne Ende. Deswegen versuchen wir auf andere Arten, das wieder aufzufangen. Beim Anbau verwenden wir nur natürliche Produkte wie Kokos, das lässt sich genauso wie Glaswolle sterilisieren und ist außerdem kompostierbar. Wenn CO2 gefüttert wird, dann kaufen wir das nicht zu, sondern das wird in den Facilities vom Blockheizkraftwerk abgeschieden und dann zur Pflanzenfütterung verwendet, um unseren Beitrag zur CO2-Vermeidung beizutragen. Es gibt halt keine Pflanze, die so viel CO2 zum Leben braucht wie Cannabis. Es würde am besten entlang der Autobahn wachsen, da hätte man mehr im Herbst, wenn dann alles reif ist, enorm viel Stau.
David Surjo: Wir evaluieren im Moment, ob es möglich wäre, unter GMP PET aus Recyclingmaterial einzusetzen. Man muss aber auch sagen, das pharmazeutische Umfeld ist so hart reguliert, dass man sehr genau die Prozesse prüfen muss, bevor man so was etabliert und da braucht man einen langen Atem. Das ist eben auch Teil unserer Strategie, dass wir systematisch den Markt durchforsten, um die besten Supplier zu finden, damit wir innovative Lösung finden, die sich konform zu den Arzneimittelrichtlinien qualifizieren lassen, die auch dem Gedanken der Nachhaltigkeit unterstützen. Darum suchen wir auch Partner, die bereit sind, eine gesellschaftliche Unternehmensverantwortung zu übernehmen.
Stefan Langer: Ganz kleines Beispiel: Man überlegt „Hey las uns doch Glasdosen nehmen und dann können die diese wieder zurückgeben, und wir füllen sie neu.“ Geile Idee oder?
Jetzt kriegen wir die Gläser zurück, dann müssen wir dafür sorgen, dass sie in einem sterilen Umfeld gereinigt werden, im sterilen Umfeld verpackt werden und das muss natürlich in einem reinen Raum passieren, ansonsten kannst du nicht irgendwas Steriles ausliefern, weil es gibt nur eine Definition von steril: Da darf nichts drauf sein. Das ist so eine Umstellung, dass ich eine zweite Facility bräuchte, nur um die Gläser noch mal neu zu waschen.
David Surjo: Alleine die Etablierung des Reinigungsprozesses ist hoch komplex, da ich ja nicht weiß, was in den Gläsern vorher gelagert worden ist. Wenn irgendwelche Substanzen darin gelagert waren, die harzig oder klebrig waren, muss ich in der Waschvalidierung beweisen, dass keine Rückstände nach der Reinigung vorliegen, damit es erneut verwendet werden darf. Das führt halt dazu, dass man überwiegend nur Einwegmaterialien verwendet, weil die Prozessvalidierung einfacher abgebildet werden kann.
Stefan Langer: Willst du vielleicht jetzt auf andere Materialien gehen, wie z. B. Kaffeekapseln, die nicht mehr in Alu gepresst werden, sondern in organische Stoffe, dann musst du aber erst mal über 6-8 Monate nachweisen, dass dieses Material weder irgendwelche Düfte und Cannabis aufnimmt und gleichzeitig in dieser Zeit auch nichts von sich abgibt. Ob es der Kleber ist, ob es Eigenprodukte sind oder Eigengeruch. Das, was eigentlich beim Wein oder Bier toll ist, weil es im Fass gereift ist, kann für uns tödlich sein. Also kannst du schon wieder nach Materialien suchen, die eventuell schon geprüft sind, ansonsten kostet es dich viel und dauert Monate, bis du überhaupt eine Chance hast, darüber nachzudenken, ob du es machen kannst oder nicht. Bis dahin ist aber auch noch nichts produziert, aber das ist der Unterschied. Recreational ist da schon wesentlich einfacher. Recreational kann ich im Endeffekt auch in Tofubeuteln einwickeln und den Leuten in die Hand drücken.
Hanf Magazin: Klingt ja vor allem für jüngere Unternehmen extrem aufwendig, aber machen wir mal weiter. In drei Worten, wie würde jeder von euch den Cannabis Markt beschreiben?
David Surjo: Die müssen gut ausgesucht werden… Im Moment unreguliert, weil zu viele auf dem Markt sind und die Behörde kommt nicht mit den Prüfungen der Arzneimittelrichtlinien hinterher. Das ist bedauerlich, aber ich glaube, das wird sich jetzt ändern.
Stefan Langer: Meine wären gewesen: Jung, chaotisch und Weg-suchend, weil das, was dem Markt fehlt, ist Aufklärung. Wir haben, da arbeiten wir auch mit der ECA dran, einen großen Fehler gemacht. Während Kanada ein eigenständiges Cannabis Gesetz entworfen hat, haben wir in Deutschland und Europa versucht, das ganze ins bestehende Arzneimittelrecht reinzupressen. Jetzt hast du aber hier eine besondere Form. Du kannst es nicht mit regulärer Medizin vergleichen, du kannst es nicht mit klassischer Naturmedizin wie z. B. Kamille vergleichen, weil es dafür viel zu potent ist. Am geschicktesten wäre es, wenn wir einen eigenen Strang Cannabismedizin hätten.
Warum? Weil bei dieser schnellen Entwicklung in so einem jungen Markt, bei dem du auch mal schnell nachregulieren musst, wäre eine eigenständige Gesetzgebung der sinnvollste Weg. Weil wenn du das außerhalb des Arzneimittelrechts machst, kannst du dieses Gesetz schneller anpassen und auch mal schnell und kurzfristig irgendwas entscheiden, ohne das tolle, in sich stimmige Qualitätsarzneimittelrecht, das in ganz Europa funktioniert, zu kontrahieren oder irgendwelche Lücken zu schaffen. So könnte man z. B. innerhalb eines Cannabis Gesetzes unterschiedliche Klassen entsprechend der Verwendung schaffen für Medizin, Kosmetik und/oder Lifestyle. Anschließend kannst dann in diesem Gesetz mit verschiedenen Spezifikationen für die Anwendungsbereich definieren. So lang das aber alles entweder unter Novel Food oder Arzneimittelrecht/BTM läuft, werden wir hier ein Kompetenzgerangel zwischen den Behörden haben und auf keinen grünen Zweig kommen.
Hanf Magazin: Gutes Wortspiel
Stefan Langer: In einer florierenden Branche
Hanf Magazin: In einer florierenden Branche, auch nicht schlecht. Also hat Bavaria Weed nicht nur gesunde Blüten, sondern auch gute Wortspiele.
Stefan Langer: Der Halbe Tag besteht daraus.
Hanf Magazin: Gut machen wir mal weiter. Vor welchen Problemen steht der medizinische Cannabis Markt derzeitig? Ihr habt ja schon gesagt, unreguliert und sehr chaotisch.
David Surjo: Wir haben zu viele Produkte auf dem Markt und es ist für den Patienten und den Arzt im Moment sehr schwierig zu verstehen; welches Produkt für eine bestimmte Erkrankung sinnvoll ist und dafür ist es ganz wichtig, dass wir in klinische Studien investieren, in Patientenaufklärung, in Ärzteaufklärung, damit es zukünftig mehr Handlungssicherheit gibt.
Hanf Magazin: Was würdet ihr jemanden auf dem Weg geben, der gerne in medizinisches Cannabis investieren würde? Jemand, der selber dem Import und Export Markt von medizinischen Cannabis beitreten will?
David Surjo: Der kommt zu spät.
Hanf Magazin: Kommt zu spät? Ich dachte die Branche ist jung.
David Surjo: Die Branche ist jung, aber es gibt schon sehr viele Mitbewerber und man muss einfach in diesem Bereich, der so hochreguliert ist, einen langen Atem haben. Wenn man zum Beispiel noch 2 Jahre braucht, um in den Markt einzusteigen, dann kommt man in einen Markt, der dann schon sehr gefestigt ist und da muss man schon was echt Innovatives haben, damit man seine Nische findet.
Stefan Langer: Also lieber jetzt schauen, welche Firmen ein ordentliches Konzept haben und wissen, welche Richtung die Industrie jetzt läuft. An die sollte man sich dranhängen, bevor man jetzt was komplett Neues aus dem Boden stampft.
Also braucht man definitiv gewisse USP’s wenn man jetzt neu reingehen würde. Etwas, was einen unterscheidet.
David Surjo: Es ist wichtig, über Partnerschaften zu arbeiten. Ich glaube, was wir in den nächsten Jahren sehen werden, ist stärkere Partnerschaften zwischen Unternehmen, die ihre Kompetenzen bündeln und damit eben die gesamte Supply Chain stärken. Im Moment ist genau das eine sehr große Frage: Wie kann man über die gesamte Supply Chain Produktsicherheit darstellen?
Stefan Langer: Das ist eine Branche, die ganz anders funktioniert als andere Branchen, weil hier die Community entscheidet. Ich versuche mal einen Vergleich noch zu finden. Es ist eher wie die Gamebranche, weil die Leute schauen, wer ist authentisch? Wem kann ich glauben? Wer will nur mein Geld? Wie schaut es aus? Wer kümmert sich wirklich um mich? Ich versuch schon seit Jahren, mittlerweile sind wir auch schon genug, eine Allianz aus Passionisten zu schmieden, die nicht nur gekommen sind, um möglichst schnell hier eine schnelle Mark zu verdienen, sondern die genau checken: Pass auf das wird nie wieder zurückgedreht.
Cannabis wird in Zukunft immer weniger stigmatisiert werden und wir sind hier gekommen, um zu bleiben. Also nicht irgendwie 2 Jahre jetzt schnell Taschen vollmachen, dann Hawaii und nix mehr tun. Wir haben hier eine Chance, dass man eine ordentliche Basis schafft, die über Jahrzehnte hinaus weltweit Fuß fassen wird. Also jetzt nicht wir persönlich, aber in einem Verbund. Denn du wirst es nur in einem Verbund schaffen, der ehrlich und seriös arbeitet und wo die Community auch akzeptiert, dass wir für sie arbeiten. Also so wie es jetzt läuft, dass nur irgendwelche Leute Geld geben und dann irgendwelche Sachen diktieren, fallen der Community auch auf und die sieht einfach: „Ok, da hat sich noch keiner darum gekümmert, welche Sorten für mich toll wären oder welche Preise für mich gut wären.“
Hanf Magazin: Also braucht die Branche Firmen mit Herz.
Stefan Langer: Passionisten und money always follows passion.
Hanf Magazin: Also gut super, machen wir mal weiter. Im Februar habt ihr mit der Süddeutschen Zeitung über die Herstellung von Extrakten gesprochen. Gibt es da schon gewisse Fortschritte, über die man was sagen kann?
Stefan Langer: Mit der Eigenproduktion sind wir immer noch in Planung. Es ist sehr fortgeschritten. Im Moment verhandeln wir gerade mit ein paar Leute wegen Lohnextraktion und unser Ziel ist schon, das wir im Laufe des nächsten Jahres, Quartal 1-2, da dann auch die ersten Extrakte von uns auf den Markt bringen.
Hanf Magazin: Also in naher Zukunft. Ihr hießt ja mal Bavaria Weed, aber es soll einen Namen und Logowechsel geben. Was könnt Ihr uns dazu sagen?
Stefan Langer: Bavaria Weed war natürlich der Beginn von allem. Es war ja klar, dass der Markt sich nicht nur auf Medizin beschränken wird, sondern sich auch aufteilt in Recreational-lifestyle etc. Uns war auch klar das Bavaria Weed natürlich in der seriösen Pharmabranche erst mal etwas anecken wird. Der Name wurde in Europa als anstößig und sittenwidrig empfunden. Ich gehe davon aus, das kam wahrscheinlich aus Ungarn. Die haben auch Probleme mit bunten Fähnchen. Nichtsdestotrotz, wir hatten schon im Vorfeld eine Erweiterung geplant auf Bavaria Cannaceuticals. Ist zwar ein recht langer Name, aber er passt natürlich in unser Firmenportfolio.
Geht aber natürlich alles nicht von heute auf morgen. Auch da ist es leider so, dass wir schon seit 4 Monaten daran arbeiten. Wenn wir aufs Knöpfchen zur offiziellen Namensänderung drücken, müssen wir dann auch sämtliche Lizenzen vorher umgeschrieben haben. Die Produkte müssen anders genannt werden, es muss umgelabelt werden, also es zieht einen großen Aktenschrank mit sich, aber wir können zumindest ankündigen, dass sich demnächst Bavaria Cannaceuticals um die Patienten kümmern wird, aber das werden wir dann auch noch mal offiziell bekannt geben
Hanf Magazin: Wenn Ihr etwas der Cannabis Community durch das Hanf Magazin noch mitteilen könntet, was wäre das?
Stefan Langer: Wir werden in 4 bis 5 Wochen eine Aktion launchen und wir brauchen Studienteilnehmer. Da werden wir uns auf eine besondere Aktion einlassen, weil wir im Endeffekt die Hilfe der Patienten brauchen, aber wir gehen davon aus, das wird ihnen zur Weihnachtszeit auch gut gefallen.
David Surjo: Genau. Es wird ein Weihnachtsspezial und alles andere wird später verraten, wenn wir es fertig haben.
Hanf Magazin: Dann bedanke ich mich erst mal für das Interview, freue mich schon auf das Bavaria Cannaceuticals Weihnachtsspecial und ich hoffe, wir hören bald wieder von Euch!