Bananen werden oft noch grün geerntet und bekommen erst im Supermarkt ihre typisch gelbe Farbe. Denn Bananen reifen nach, auch wenn sie bereits geerntet wurden. Bei Cannabis geht das leider nicht so einfach: Der optimale Erntezeitpunkt ist ein relativ kleines Zeitfenster, in dem der THC-Gehalt so hoch wie möglich ist. Doch wie erkennt man diesen Zeitpunkt?
Exkurs: Wann ist eine Pflanze „reif“?
„Reif“ hat für die meisten Grower genau eine Bedeutung: Ein Maximum an Cannabinoiden, im besten Fall THC. Die THC-Produktion in der Pflanze setzt erst in den letzten Wochen der Blütephase so richtig ein. Der THC-Gehalt der Blüten steigt dann immer weiter an. Durch Umwelteinflüsse (UV-Licht) und chemische Reaktionen zerfällt das THC aber wieder. Genau genommen zerfällt es sogar dauerhaft, die Pflanze produziert aber genügend nach. Nur irgendwann ist der Punkt erreicht, an dem die Pflanze keinerlei neues THC mehr produziert und der THC-Gehalt durch die oben beschriebenen Faktoren wieder sinken würde. Ganz genau an diesem Punkt hat man den maximalen THC-Gehalt erreicht und sollte die Pflanze direkt ernten. Aber kein Stress: Ihr habt dabei ein Zeitfenster von circa einer Woche.
Ernten für Anfänger
Für Anfänger gibt es folgende Faustregel: „Wenn 50–75 % der Härchen an den Blüten braun werden, ist die Pflanze reif zur Ernte!“
Tatsächlich spielen die Blütenkelche (Calyxe) eine große Rolle. In der Natur, wenn die weiblichen Pflanzen von männlichen bestäubt wurden, wachsen in den Blütenkelchen der weiblichen Pflanzen die Samen heran. Riesiger Nachteil: Wenn Samen produziert werden, hat die Pflanze viel weniger THC, außerdem ist das Endergebnis un(b)rauchbar. Doch auch wenn die Pflanzen unbestäubt sind, schwellen die Blütenkelche zum Ende der Blütephase hin stark an und geben den Blüten erst das typische knubbelige Aussehen. Die Blütenkelche werden dann immer runder und sehen insgesamt aus wie ein harzüberzogener, grüner Wassertropfen mit zwei Härchen an der Spitze. Die Härchen werden übrigens korrekt als „Stigmen“ bezeichnet.
Allein an der Form der Blütenkelche kann man aber den richtigen Erntezeitpunkt nicht bestimmen. Fakt ist aber: Wenn die Blütenkelche noch nicht angeschwollen sind, muss man gar nicht erst nach anderen Reife-Indizien suchen.
Je reifer die Pflanze wird, desto mehr Stigmen sterben langsam ab, verfärben sich dann erst gelblich und dann braun. Tatsächlich kann man an den Stigmen den Erntezeitpunkt schon relativ gut bestimmen. Wie oben erwähnt: Wenn sich 50–75 % der Stigmen braun verfärbt haben, ist die Pflanze bereit zur Ernte. Hier muss man aber dazu sagen, dass jede Sorte sich da ein bisschen anders verhält. Den wirklich optimalen Erntezeitpunkt bekommt ihr so nicht raus.
Und, ganz wichtig: Schaut euch nicht nur einzelne Blüten an, sondern betrachtet die Pflanze im Gesamten! Und hier fällt, zumindest Anfängern, sehr schnell auf: „Hoppla, die unteren Blüten sind ja noch lange nicht reif, die oben schon bereit zur Ernte.“
Da der Reifeprozess 1:1 von dem erhaltenen Licht abhängt, werden die Blüten mit direkter Lichteinstrahlung tatsächlich viel schneller reif als die Blüten, die auf unteren Etagen im Schatten schlummern. Genau das ist übrigens auch der Grund, warum ihr die Pflanzen vor der Blütephase noch mal ordentlich von unten her ausdünnen solltet. So wird die Energie von Anfang an in die Hauptblüten gesteckt und am Ende gibt es zum Glück keine „Schatten-Buds“, welche die Erntephase nur unnötig verzögern.
Ernten für Fortgeschrittene
Lasst euch nicht abschrecken. Mithilfe eines kleinen Taschenmikroskops kann jeder ganz einfach den richtigen Erntezeitpunkt selbst bestimmen, dafür muss man kein Vollprofi sein.
Sobald ca. 50 % der Stigmen braun geworden sind, sollte man einen Blick auf das Harz an sich werfen. Unter dem Mikroskop sieht man an den Blüten dann die Trichome. Kleine, zunächst durchsichtige Stäbchen mit einer durchsichtigen Kugel oben an der Spitze. Jeder Kiffer sollte wissen: Hier, in den kleinen Kugeln, steckt am meisten THC drin. Und genau diese Kugeln sollte man sich jetzt genau anschauen. Vor dem optimalen Reifezustand sind die Kugeln durchsichtig wie Glas. Je reifer die Pflanze wird, desto milchiger wirken die Kugeln. Wenn sich einzelne Kugeln (10-20 %) braun/gelblich verfärben und die restlichen Kugeln milchig sind, ist der optimale Erntezeitpunkt gekommen.
Nun muss aber ganz ehrlich dazu gesagt werden: Hier scheiden sich die Geister. Manche behaupten, dass nur die milchigen Trichome optimal sind, die gelblich verfärbten bereits „abgebaut“ seien und keine Wirkung hätten. Das Problem ist nur: Es werden einfach nicht alle Trichome gleichzeitig milchig. Teilweise sind einzelne sogar schon gelblich verfärbt, andere noch durchsichtig. Hier muss man als Grower tatsächlich ein bisschen selbst abschätzen, ob man eher ein paar durchsichtige Trichome (mit zu wenig THC) oder bereits verfärbte Trichome (mit wieder sinkendem THC-Anteil) haben möchte.
Von einem versetzten Ernten von Hanf halte ich relativ wenig. Manche Grower schneiden aber die Hauptblüten ab und geben den restlichen Blüten, die in deren Schatten lagen, noch ein paar Tage Zeit, um zu reifen. Mein Tipp wäre auch hier: Lieber vor der Blütephase so weit ausdünnen, sodass erst gar keine Blüten in Schatten landen.
Das Ding mit dem Spülen
Ein ganz typisches Problem: Die Pflanzen werden zu früh gespült. Eigentlich ist das ja kein großes Problem, nur verzögert es den Erntezeitpunkt. Wenn man mit einer Genetik zum ersten Mal arbeitet, sollte man aber lieber eine Woche zu früh als zu spät mit dem Spülen beginnen. Wenn die Blätter schon gelb werden, die Pflanze aber noch komplett voll mit milchigen Trichomen ist, habt ihr zu früh gespült, die Pflanze hätte die Nährstoffe noch gut gebrauchen können, kann jetzt aber, da die Blätter ohnehin bereits tot sind, nicht mehr viel mit Dünger anfangen.
Wenn ihr hingegen zu spät mit dem Spülen beginnt, ist die Pflanze zwar irgendwann komplett reif, steckt aber noch voller Düngersalze. Eine Tatsache, die spätestens beim Verkosten zu einigem Hustenreiz führen wird.
Insofern muss man für die Bestimmung des optimalen Erntezeitpunktes auch immer den ungefähren Nährstoffgehalt des Substrates/der Pflanze im Hinterkopf behalten.
Fazit
Der optimale Erntezeitpunkt ist eigentlich sehr einfach zu bestimmen. Ein Taschenmikroskop mit 20–50 -facher Vergrößerung reicht vollkommen aus und kostet nicht mehr als 10 €. Ohne Mikroskop kann man den Erntezeitpunkt nur relativ ungenau bestimmen, besonders wenn man mit einer neuen Genetik arbeitet, die man noch nicht kennt.