Die Möglichkeit, seine Nutzpflanzen mit einfachen Mitteln bis zu einem gewissen Grad verändern zu können und somit vitalere und ertragreichere Pflanzen zu schaffen, ist so alt wie die Menschheit selbst. Fast alle Sorten von Gemüse, Getreide und auch Hanf, sind nicht mehr die unveränderte Originalsorte aus der Natur, sondern vor allem Kreuzungen und Veredelungen von natürlichen Sorten, um so neue und bessere Züchtungen zu erschaffen.
Man geht davon aus, dass es aktuell ungefähr 18.000 verschiedene Sorten von Hanf gibt. Abseits der normalen Kreuzungen unterschiedlicher Sorten, entwickelt sich auch die Methodik immer weiter, um neue Hochleistungspflanzen zu schaffen. Eine sehr effektive Methode, höchst ertragreiche Pflanzen zu erhalten, sind die sogenannten F1-Hybride. Was im Gemüseanbau schon seit Längerem erfolgreich praktiziert wird, findet nun auch in der Hanfzucht zunehmend Einzug. Immer mehr Anbieter haben Samen von F1-Hybriden in ihrem Sortiment.
Grundprinzip der F1-Hybridisierung
Bei der Herstellung von F1-Hybriden macht man sich eine Technik zunutze, die man ansonsten absolut vermeiden möchte, nämlich die Inzucht. Vereinfacht gesagt, ist ein F1-Hybrid die Kreuzung aus 2 Inzuchtlinien, die dazu dient, die Vorteile beider Linien und somit Sorten, zu vereinen. Bei einer Inzucht kommt es dazu, dass bestimmte Merkmale, die für diese Sorte typisch sind, von Generation zu Generation immer stärker betont werden. Das ist grundsätzlich erst mal ein Nachteil, weil hier insbesondere auch negative Eigenschaften oder genetische Defekte immer mehr zum Vorschein treten, weshalb man Inzucht im Normalfall völlig vermeiden möchte.
Jedoch werden auch positive Eigenschaften, wie Wirkstoffgehalt oder Schädlingsresistenz, welche die jeweilige Sorte auszeichnen, punktuell stärker betont. Man erzeugt hier eine große Anzahl an Pflanzen einer Inzuchtgeneration und wählt dann jene aus, bei denen die positiven, erwünschten Eigenschaften möglichst stark ausgeprägt sind. Diesen Vorgang nennt man auch Selektion. Diese Pflanze kreuzt man dann mit einer Pflanze einer anderen Inzuchtlinie, bei der ebenfalls der gewünschte Effekt der jeweiligen Sorte möglichst ausgeprägt ist. Der Samen, der daraus entsteht, ist dann ein F1-Hybrid. Die Pflanze, die daraus wächst, wird das Maximum an Vorteilen der beiden Sorten vereinen.
Feminisierung als wichtiges Werkzeug
Möchte man beispielsweise zwei Hanfsorten kreuzen, bei denen sich Sorte A durch ihren hohen THC-Gehalt auszeichnet und Sorte B besonders schädlingsresistent ist, dann geht man so vor, dass man von beiden Sorten zunächst eine weibliche Pflanze auswählt und von dieser 2 Stecklinge schneidet. Diese Stecklinge lässt man in der Erde bewurzeln und wachsen. Nun müssen diese beiden Stecklinge der gleichen Pflanze untereinander bestäubt werden. Hier ergibt sich zunächst noch das Problem, dass beide weiblich sind. In der Hanfzucht bedient man sich hierbei einem Trick, indem man eine der beiden weiblichen Pflanzen mit Silberthiosulfat besprüht. Das führt dazu, dass die Pflanze, obwohl sie weiblich ist, männliche Pollensäcke ausbildet. Nun kann eine weibliche Pflanze eine andere weibliche Pflanze bestäuben. Der Samen, der daraus entsteht, ist dann die 1. Inzuchtgeneration. Samen die auf diese Weise gewonnen werden, bringen mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit eine weibliche Pflanze hervor, weshalb sie auch als feminisierte Samen bezeichnet werden. Diesen Vorgang wiederholt man mit einer grossen Anzahl an Stecklingen, über mehrere Generationen hinweg so lange, bis man in dieser Inzuchtlinie eine weibliche Pflanze hat, die das gewünschte Merkmal von Sorte A maximal ausgebildet hat. Das hier nicht nur die gewünschten Eigenschaften immer stärker in den Vordergrund treten, sondern auch die unerwünschten, nimmt man zunächst in Kauf, da am Ende mit einem Trick diese Auswirkungen einer Inzucht, bis zu einem gewissen Grad wieder rückgängig gemacht werden können. Die fortschreitende Ausprägung von Defekten und negativen Eigenschaften in einer Inzuchtlinie, bezeichnet man auch als Inzuchtdepression. Parallel dazu führt man den eben beschriebenen Vorgang mit einer Inzuchtlinie der Sorte B durch. Am Ende hat man 2 weibliche Pflanzen selektiert, die jeweils das bevorzugte Merkmal der Sorte maximal ausgeprägt haben. Nun sprüht man wieder eine der beiden Pflanzen mit Silberthiosulfat ein um männliche Pollensäcke zu erhalten und bestäubt damit die andere weibliche Pflanze. Der Samen der nun entsteht, ist der Samen eines F1-Hybrids. Da hier am Ende 2 verschiedene Zuchtlinien gekreuzt werden, heben sich auch die degenerativen Probleme die ansonsten von Inzucht ausgehen, wieder auf. Es findet eine Art genetische Reinigung statt, die Gendefekte aufhebt. Dieser Effekt ist auch als Heterosis bekannt. Diese Sorte vereint nun die Merkmale der beiden Sorten, ohne den degenerativen Nachteilen einer Inzucht. In diesem Fall wäre das eine Sorte, die einen hohen THC-Gehalt aufweist und sich gleichzeitig durch ihre Schädlingsresistenz auszeichnet. F1-Hybride sind auch in ihren weiteren Merkmalen absolut identisch. Das bringt weitere Vorteile mit sich, wie eine konstante relativ genau planbare Ernte, aufgrund der absolut einheitlichen Größe und Blütezeit. Durch die Resistenz gegen Schädlinge und Pilze, die in kommerzielle Sorten auf F1-Basis in der Regel hinein gezüchtet werden, ist auch das Risiko für Ausfälle in der Ernte erheblich geringer. In Summe ist eine Zucht mit F1-Hybriden eine sichere Möglichkeit, seine Ernte in Menge und Qualität erheblich zu steigern. Aufgrund der erheblich höheren Erträge, sind F1-Hybride heutzutage auch aus der Landwirtschaft nicht mehr wegzudenken.
Nachteile
Ein entscheidender Nachteil dieser Technik ist, dass Samen, die nun von diesen F1-Hybridpflanzen gebildet werden, die Eigenschaften nicht zuverlässig an die nächste Generation weiter vererben. Die ersten Nachkommen einer F1-Generation werden folglich F2-Hybride genannt und weisen die rekombinierten Merkmale immer seltener auf. Diese ganz besondere genetische Kombination von Eigenschaften, zerfällt sozusagen wieder innerhalb weniger Generationen. Das führt dazu, dass man immer von neuen Samen abhängig ist. Man muss entweder für jede Saison mit dem beschriebenen Verfahren in einer relativ aufwändigen Weise die nächsten F1-Samen herstellen, oder man ist permanent von einem Lieferanten abhängig.