Ende der 1950er / Anfang der 1960er-Jahre wurden, durch ein nicht ausreichend getestetes Medikament, das schwangeren Frauen verschrieben wurde, viele Kinder mit Defekten an den Gliedmaßen geboren. Der als „Contergan-Skandal“ bekannte Vorfall, war Auslöser für die Erstellung von Regelwerken, die die Qualität und Sicherheit von Medikamenten, Kosmetika und Lebensmitteln gewährleisten sollen.
GMP, also eine gute Herstellungspraxis oder unter Insidern auch scherzhaft als „Große Mengen Papier“ beschrieben, ist ein Qualitäts-Standard, der in einer kommerziellen Produktion ein gutes und sicheres Endprodukt sicherstellen soll. Um eine Zulassung für ein neues Medikament zu erlangen, muss der Hersteller Nachweise zu sämtlichen relevanten Daten erbringen, zum Beispiel: Inhaltsstoffe, Herstellungsablauf, Stabilitätsstudien bei verschiedenen Temperaturen, Abbauprodukte, Verunreinigungen, Mikrobiologische Tests und schließlich klinische Studien in denen Wirksamkeit und Verträglichkeit getestet werden.
Sehr wichtig und unerlässlich ist der Nachweis der Wiederholbarkeit. Eine gleichbleibende Qualität ist Voraussetzung für die Anwendungssicherheit. Nur nachweislich erfolgreich geschultes Personal darf die Herstellung durchführen, dabei wird jeder Arbeitsschritt dokumentiert und bei Bedarf auch von einer zweiten Person kontrolliert, das vier Augen Prinzip. Je direkter die Art der Verabreichung eines Medikaments, eine Infusion direkt in die Vene im Gegensatz zu einer Salbe, aufgetragen auf die Haut, desto höher ist der geforderte Standard der Maßnahmen.
Was hat das Ganze mit Cannabis zu tun?
Im Anbau von medizinischem Cannabis gilt: Good Agricultural and Collection Practice (GACP) for Starting Materials of Herbal Origin. Es gibt also für die Herstellung von medizinisch genutzten Pflanzen auch ein Regelwerk, das eingehalten werden muss, um die Sicherheit der Produkte für Patienten zu gewährleisten.
Natürlich sind die Vorgaben hier nicht ganz so streng wie in einer pharmazeutischen Produktion, aber die Behörde muss auch in der Produktion von medizinischem Cannabis mittels sogenannter Audits überprüfen, ob die Standards tatsächlich eingehalten werden. So muss ab der Ernte der Blüten darauf geachtet werden, dass die Räumlichkeiten sauber sind, der Luftwechsel, die Luftfeuchtigkeit und die Temperatur innerhalb der Grenzwerte liegen und all das auch noch dokumentiert wurde.
Auch während der vegetativen und der Blütephase ist es sehr sinnvoll, alle Parameter, wie Beleuchtung, Temperatur und Luftfeuchtigkeit zu dokumentieren. Am einfachsten über eine Software, die alle Werte über Sonden misst, eventuell auch steuern kann und aufzeichnet. Über Analysen des fertigen Produktes werden der Gehalt der verschiedenen Cannabinoide, die Restfeuchte und die mikrobiologische Belastung gemessen. Liegen alle Parameter innerhalb der geforderten Grenzwerte, kann das Produkt für die Weitergabe freigegeben werden.
Auch hier gilt es, den Prozess so wiederholbar wie möglich zu machen, weshalb zumeist Stecklinge (idente Klone der Mutterpflanze) für diese Blütenproduktion verwendet werden. Tausende Pflanzen mit demselben genetischen Profil werden über Jahre hinweg kultiviert. Arbeitsvorschriften, gut geschultes Personal und eine lückenlose Dokumentation sind in der Produktion von medizinischen Produkten unerlässlich. Kann eine abgeschwächte Form dieses Qualitätsmanagements auch für Anbauvereinigungen sinnvoll sein? Ja, in jedem Fall ist es hilfreich, die eigenen Prozesse bestmöglich zu kennen und daher auch so viel wie möglich zu dokumentieren.
Dazu gehören: Schulungsunterlagen für alle Clubmitglieder, die sich aktiv am sogenannten Grow beteiligen wollen, Dokumentation der erledigten Arbeiten und vor allem, von wem sie durchgeführt wurden. Vorgaben und Dokumentation zu Wasser und Düngermenge (EC- und pH-Wert), Temperatur und Luftfeuchtigkeit. Die Vergabe von Chargennummern ist sinnvoll, um die Nachverfolgbarkeit und eindeutige Zuordnung zu gewährleisten.
Auch im Hinblick auf die Wirtschaftlichkeit einer Produktion ist ein gewisses Maß an Qualitätsmanagement sinnvoll. Gehen die Gärtner mit schmutzigem Straßengewand und ungewaschenen Händen in die Pflanzenräume, kann das schnell zu einer Kontamination mit Pilzsporen oder Schädlingen führen und im schlimmsten Fall zur Vernichtung der Charge. Die Einhaltung von Arbeits- und Hygienevorschriften trägt in jedem Fall zu einer Reduktion von Problemen und einer erfolgreichen Ernte bei.