Der biologische Pflanzenschutz gewinnt in Deutschland seit 1971, mit der Gründung des „Institut für biologische Schädlingsbekämpfung“ in Darmstadt, an Bedeutung. Der Einsatz von chemischen Pflanzenschutzmitteln rief bereits zunehmend Resistenzen von Pflanzen schädigenden Insekten hervor. In den 50er-Jahren nahm die Produktion von Pflanzen in Gewächshäusern zu. Es wurden immer mehr exotische Pflanzen, primär im Zierpflanzenbereich, importiert. Mit den Pflanzen kamen auch neue Schädlinge mit nach Europa.
Diese stellten die Gärtner vor neue Herausforderungen und man begann auch die passenden Gegenspieler als Nützlinge zu importieren. Die bekanntesten Beispiele hierfür sind die Schlupfwespe Encarsia formosa gegen Weiße Fliegen und die Raubmilbe Phytoseiulus persimilis gegen Spinnmilben (Abb. 03). Eine Reihe von Betrieben der Gemüseproduktion ging sogar dazu über, die benötigten Nützlinge selbst zu vermehren und regelmäßig in ihren Beständen freizulassen. Dieses Verfahren wurde in größeren Betrieben der alten Bundesrepublik, wie auch in volkseigenen Betrieben der ehemaligen DDR angewendet.
Seither sind Anwendungen und Anforderungen auf andere Pflanzenschädlinge ausgeweitet und komplexer geworden. Zu den Gemüsebetrieben sind Zierpflanzenbetriebe, Innenraumbegrünungen mit tropischen Pflanzungen und zahlreiche Verwendungen für Außenbereiche hinzugekommen. Über 60 weitere Nützlinge wurden allein in Europa zur Marktreife gebracht.
Während der Einsatz der Nützlinge im geschützten Anbau unter Glas verhältnismäßig problemlos ist, hat man für die Verwendung im Freiland nur eine geringe Anzahl zur Verfügung. Im Prinzip können hier nur Nützlinge eingesetzt werden, die nicht flugfähig sind und so die Pflanzung auf der Suche nach den besten Wirten wieder verlassen. Des Weiteren spielen Wettereinflüsse und Prädatoren wie Ameisen, Schlupfwespen oder Vögel eine Rolle. Entomopathogene Pilze, Präparate auf Basis von Mikroorganismen (Bacillus thuringiensis), Nematoden und Raubmilben sind Elemente des biologischen Pflanzenschutzes, die im Freiland zum Einsatz kommen.
Neben der Vermeidung von Resistenzen bei den Schadorganismen bietet der Einsatz von Nützlingen weitere Vorteile. Der Einsatz ist für den Anwender in der Regel risikofrei, da keine giftigen Substanzen ausgebracht werden. Für die Pflanze und die Umwelt besteht keine Gefahr der Überdosierung und den damit verbundenen Schäden an Pflanzen oder anderen Organismen. Die Nützlingsausbringung ist sehr anwenderfreundlich, da genaue Berechnungen von Spritzmitteln und eine Schutzausrüstung wegfallen. Einer der größten Vorteile bei der Ausbringung von Nützlingen liegt darin, dass der Einsatz rückstandsfrei ist. Es lagern sich keine unerwünschten oder schädlichen Stoffe an der Pflanze ab. Es ist also möglich, direkt nach der Ausbringung in seiner Kultur weiterzuarbeiten oder sogar zu ernten. Das ist besonders wichtig bei Pflanzen, die als Genuss- und Nahrungsmittel oder in der Medizin Anwendung finden. Die Nützlinge verlassen die geernteten Pflanzenteile meist bei der Ernte, Trocknung oder Weiterverarbeitung.
Beim Einsatz von Nützlingen ist im Vorfeld darauf zu achten, dass die Tiere größtenteils sehr spezialisiert sind und nur eine bestimmte Art von Schädlingen annehmen. Daher ist es in den meisten Fällen wichtig, einen Pflanzenschädling am besten auf Artniveau zu bestimmen. Vor allem Parasitoide haben spezielle Vorstellungen von ihrem Wirt. Zum Beispiel sind Blattlausschlupfwespen (Aphidius spp.) oft nur auf eine Art oder Gattung von Blattläusen spezialisiert und ignorieren andere Arten (Abb. 01).
Die meisten Nützlinge im Pflanzenanbau gehören zu den Insekten oder Spinnentieren und sind somit wechselwarm. Viele Tiere werden erst ab bestimmten Temperaturen aktiv und verbringen Kältephasen in Starre oder anderen Ruhestadien. Daher spielt die Temperatur bei der Planung eines Nützlingseinsatzes eine entscheidende Rolle. Zusätzlich haben die Tiere Ansprüche an Luftfeuchtigkeit und Tageslänge. Diese Faktoren sind von Art zu Art unterschiedlich und sind oft ein wichtiger Aspekt beim erfolgreichen Einsatz von Nützlingen.
Grundsätzlich dienen Pflanzenschädlinge den Nützlingen als Nahrung oder als Wirt, auf jeden Fall aber zur Erhaltung ihrer Art. Bei starker Präferenz für einige Schadinsekten ist eine vorbeugende Freilassung von Nützlingen sinnvoll, jedoch dünnen sich diese Nützlinge nach einiger Zeit erheblich aus und erneute Freilassungen sind nötig. Vor allem räuberische Nutzinsekten verhungern, ohne das passende Nahrungsangebot sehr schnell. Die wiederholte Ausbringung flächenangepasster Mengen von Nützlingen ist als Überschwemmungsverfahren bekannt und für viele Betriebe die bevorzugte Methode. Nützlinge werden mittlerweile in großen Mengen produziert und liegen preislich in einem guten Verhältnis zu konventionellen Anbaumethoden. Seit einigen Jahren haben viele Personen den Einsatz von Nützlingen im Haus- und Kleingarten für sich entdeckt. Selbst kleine Mengen können bei den Produzenten bestellt oder abgeholt werden.
Die biologische Schädlingskontrolle ist auf den ersten Blick vielleicht eine Herausforderung, aber mit ein wenig Übung locker zu beherrschen. Meist geben die Nützlingsproduzenten kostenlose Hilfestellung bei den ersten Einsätzen und bei der Bestimmung der Schädlinge.