Der Cannabispflanze wurde im Laufe der letzten Jahrzehnte vieles nachgesagt, positives wie negatives. Bis vor wenigen Jahren waren von Vorurteilen getriebene Halbwahrheiten noch klar in der Überzahl. Gegner von Cannabis-politischen Liberalisierungen haben die vermeintlichen Tatsachen, die jemand irgendwo herausgefunden haben will, dann ihrem argumentativen Repertoire hinzugefügt. Das Argument hat man dann bei jeder Gelegenheit verwendet, bis jemand mehr oder weniger glaubhaft eine gegenteilige Behauptung veröffentlicht hat.
Das vielleicht prominenteste Beispiel ist die Behauptung, Cannabis sei eine Einstiegsdroge. Bis vor geraumer Zeit war es einmal ein häufig in politischen Debatten verwendetes Argument gegen die Legalisierung. Mittlerweile ist es mehrfach schlüssig widerlegt, sodass es höchstens mal einer Frau Mortler im unüberlegten Redeschwall herausrutscht.
Angst vor dem Suchtpotenzial von Cannabis
Ein weiteres, bis heute umstrittenes Thema ist das Suchtpotenzial, das Cannabis haben soll. Es gab Zeiten, da wurde es mit dem von Heroin vergleichbar dargestellt. Diese Wahrnehmung konnte sich allerdings nicht ewig halten. Da die Welt sich der Cannabisforschung aus medizinischen Gründen geöffnet hat, sind nun vertiefte wissenschaftliche Studien möglich. Und solche Studien sind auch nötig. Denn angesichts der Legalisierungen von Cannabis in Kanada und vielen US-Bundesstaaten waren zum Beispiel vom britischen Centre for Social Justice (CSJ) Befürchtungen geäußert worden, die die Bevölkerung nach der Legalisierung zu Tausenden in die Abhängigkeit gehen sahen.
Die Behauptung, Cannabis macht süchtig, stützt sich nicht auf wissenschaftliche Fakten
Das CSJ hat einen Bericht vorgelegt, der die Behauptung untermauern soll. Dr. MJ Milloy, Professor of Cannabis Science bei Canopy Growth, zweifelt diesen Bericht jedoch an. Es werde darin mit geschätzten Zahlen gearbeitet, die auf Basis einer Meinungsumfrage in Großbritannien entstanden sind. Bei der Umfrage ging es darum, zu ermitteln, wie viele Menschen nach einer Legalisierung Cannabis ausprobieren würden. Dann wurde die Tatsache, dass etwa zehn Prozent aller Cannabiskonsumenten ein problematisches Konsumverhalten entwickeln würden, auf das Ergebnis gestülpt.
Laut Dr. Milloy entbehrt dies jedes wissenschaftlichen Ansatzes. Dem pflichtet auch seine Kollegin Dr. Rielle Capler vom BC Centre for Substance Abuse bei. Sie stellt klar, dass eine körperliche Abhängigkeit von Cannabis nicht möglich sei. Die sogenannte psychische Abhängigkeit ist eine Mischung aus problematischem Konsumverhalten und Gewohnheit. Auch wenn Medien und Politiker diese Unterschiede oft in ihrer Argumentation verschweigen, sind sie dennoch vorhanden. Der richtige Begriff bei Cannabis wäre also Konsumstörung.
Die Cannabis-Konsumstörung
Die Diagnose einer Cannabis-Konsumstörung ist sehr schwierig. Einige der Faktoren, die als Symptom oder Zeichen für eine Cannabis-Konsumstörung gehalten werden können, können individuell bedingt auch unproblematisch und normal sein.
Manches problematisches Konsumverhalten ist auch durch Stigmatisierung und Verbote begründet, sodass dies vor dem Hintergrund einer Legalisierung entweder nicht aufgetreten, oder eben nicht problematisch wäre. Ob der Konsum bei einer Person negative Einflüsse oder Folgen für ihr Leben bedeutet, hängt mit sehr oft mit den Lebensumständen zusammen. Jemand, der in einem Umfeld lebt, in dem der Cannabiskonsum keine Schwierigkeiten mit sich bringt, wird seinen Konsum nicht als problematisch empfinden.
Das Motiv für den Cannabiskonsum ist entscheidend
Es gibt tatsächlich Menschen, die ein Konsumverhalten an den Tag legen, welches für sie und ihr Umfeld die Lebensqualität nachhaltig negativ beeinträchtigt. Dort liegen allerdings die Ursachen nicht im Gebrauch von Cannabis an sich. Vielmehr ist der Konsum eine Strategie des Menschen, mit schwierigen Lebenslagen oder schwierigen Situationen umzugehen.
Sowohl bei Naturvölkern als auch in unseren modernen Gesellschaften kann man immer wieder beobachten, dass Menschen, die psychische Schwierigkeiten haben, unbewusst zu Cannabis greifen. Dies ist also eher ein Zeichen dafür, dass diese Menschen Cannabis instinktiv zur Selbsttherapie einsetzen. Problematisch wird das dann, wenn sie beginnen, ihre psychische Genese allein mit dem Konsum zu assoziieren. Man kann also nicht wirklich abhängig werden von Cannabis. Aber man kann sich und seinen Gemütszustand von Cannabis abhängig machen.
Es gibt keinen Entzug von Cannabis, sondern Entwöhnung
Im Vergleich zur Alkoholabhängigkeit ist die also eher einfach und mit wenigen Symptomen verbunden. Und auch die körperlichen Anzeichen für einen vermeintlichen Entzug sind durch die Psyche bedingt. Der Mensch ist ein Gewohnheitstier. Gewohnheiten abzulegen, ist für einen Menschen stets eine Herausforderung und eine große Umstellung. Dies setzt uns einem bestimmten Stress aus und kann vorübergehend die Lebensroutinen durcheinanderbringen.
Das kann ein Umzug sein, das Umsteigen von Fleisch auf vegetarische Kost oder andere Veränderungen. Solche Dinge fallen uns oft nicht leicht, und viele sind tatsächlich mit einer Art körperlicher Symptome verbunden. Nervosität, Schlafstörungen, Veränderungen in Appetit und Verdauung, dies sind Anzeichen, die wir oft genauso mit Stresssituationen wie mit Entwöhnung von Substanzen verbinden. Und manchmal werden sie nur von unserem Kopf ausgelöst.