Cannabis besitzt beeindruckende medizinische Fähigkeiten und kann als Heilmittel wahre Wunder bewirken. Es gibt aber auch Menschen, bei denen erzielt Cannabis, genauer gesagt der psychoaktive Wirkstoff THC, genau das Gegenteil. Anfällige Individuen klagen nach dem Konsum von Cannabis über Paranoia. Ist der Zusammenhang von Cannabiskonsum und Paranoia überhaupt wissenschaftlich bestätigt?
„I would not feel so alone“, sang Bob Dylan 1966, „everybody must get stoned“. Und es scheint so, als hätten wir uns seine Worte zu Herzen genommen. Cannabis ist eine äußerst beliebte Freizeitdroge. Es gibt offizielle Angaben, dass 1,4 Millionen Menschen in Deutschland im letzten Monat Cannabis konsumiert haben. 13 Millionen Menschen geben an, mindestens einmal in ihrem Leben Gras geraucht zu haben. Das sind nur die Dunkelziffern, reale Werte dürften um ein Vielfaches höher sein.
Cannabis ist längst in der Gesellschaft angekommen und Konsumenten kommen aus allen Schichten der Bevölkerung. Ein Beleg dafür, dass die meisten Konsumenten keine negativen Auswirkungen spüren. Barack Obama räumte gegenüber der Zeitung The New Yorker ein, für ihn sei Cannabis eher eine schlechte Angewohnheit, die er als Kind einmal ausprobiert habe. Cannabis sei nicht gefährlicher als Alkohol, so der ehemalige US-Präsident. Und damit steht er nicht allein dar. Die Pflanze hat jede Menge prominente Befürworter aus Sport, Unterhaltung oder Politik, die sich für eine Legalisierung einsetzen oder Vorurteile aus dem Weg räumen.
Wundermittel Cannabis?
Im Jahr 2017 wurde Cannabis in Deutschland als Medizin zugelassen und viele Menschen benutzen Cannabis für die Behandlung ihrer Beschwerden – mit erstaunlichem Erfolg. Es gibt anekdotische Belege für die Linderung schwerer epileptischer Anfälle bei Kindern. Patienten berichten von der erstaunlichen Wirkung während einer Chemotherapie zur Behandlung von Schmerzen und Steigerung des Appetits. Nicht selten ist Cannabis die einzig wirksame Medizin bei posttraumatischer Belastungsstörung, depressiven Verstimmungen oder Angstgefühlen. Die Liste des medizinischen Potenzials von Marihuana ließe sich endlos weiterführen.
Doch bei allen positiven Eigenschaften sollte die Macht der Pflanze keineswegs unterschätzt werden. Cannabis enthält den psychoaktiven Wirkstoff THC, den manche Menschen nicht vertragen und für die Cannabis alles andere, als ein Wundermittel ist. Obwohl davon nur ein bestimmter Teil der Konsumenten betroffen ist, gibt es wissenschaftliche Belege, die auf einen Zusammenhang von Cannabiskonsum und Paranoia hindeuten.
THC und Paranoia
Jeder kennt diese Gedanken: Wie wirke ich auf andere? Wird da gerade über mich geredet? Ständig müssen wir soziale Interaktionen interpretieren und da man nie genau weiß, was andere Menschen gerade denken, tauchen solche Denkmuster immer wieder auf. Bei manchen Personen sind sie eben viel stärker ausgeprägt als bei anderen. Paranoia ist eine psychische Störung, bei der Betroffene an Wahnvorstellungen leiden. Das Adjektiv paranoid beschreibt Personen mit Verfolgungsängsten oder Verfolgungswahn. Betroffene nehmen ihre Umwelt verzerrt war, fühlen sich verfolgt oder haben das Gefühl, alles dreht sich um sie. Je nach Ausprägung der Paranoia werden anderen Personen böse Absichten unterstellt.
Interessanterweise gibt es Studien, in denen sich ein Zusammenhang zwischen Cannabis und paranoiden Gedanken abzeichnet. In einer Studie über die Bevölkerung Großbritanniens ergab, dass Cannabiskonsumenten im Vergleich zu Nichtkonsumenten dreimal häufiger überzeugt sind, andere Menschen möchten ihnen absichtlich Schaden zufügen. Die Zahl unter Konsumenten, die glaubt, andere Menschen wollen sie ernsthaft verletzen, ist sogar fünfmal so hoch.
Experten sind sich im Allgemeinen darüber einig, dass der regelmäßige Konsum von Cannabis in jungen Jahren, vor allem wenn sich das Gehirn noch in der Entwicklung befindet, später zu ernsthaften psychischen Problemen führen kann. Sind bestimmte Personengruppen unter Cannabis-Konsumenten anfällig für die Entwicklung der psychischen Erkrankung? Vielleicht greifen Menschen mit Paranoia aber auch eher zu Cannabis? Womöglich sind der Konsum von Cannabis und paranoide Gedanken zwei völlig unabhängige Phänomene, die als Folge eines unabhängigen Faktors auftreten.
Genau diese Frage stellten sich Forscher der University of Oxford, des Institute of Psychiatry des King’s College London und der University of Manchester, die im Schizophrenia Bulletin, einer Fachzeitschrift für psychische Störungen, eine Studie darüber veröffentlichten. Die groß angelegte Studie umfasste 121 freiwillige Teilnehmer, die alle mindestens einmal in ihrem Leben Cannabis konsumiert hatten und im letzten Monat paranoide Gedanken erlebten. Keiner davon wurde mit einer psychischen Störung diagnostiziert. Die Studienteilnehmer erhielten zufällig eine intravenöse Dosis von 1,5 mg THC. Um die Auswirkungen zu testen, mussten sich die Teilnehmer in virtuellen und echten sozialen Situationen beweisen, Fragebögen ausfüllen sowie professionelle Gutachten überstehen.
Die Ergebnisse waren eindeutig: Es besteht ein Zusammenhang zwischen THC und Paranoia. Etwa die Hälfte der Teilnehmer, die THC bekamen, erlebten paranoide Gedanken. Im Vergleich dazu waren es bei der Palcebo Gruppe rund 30%. Außerdem erzeugte THC weitere unangenehme Nebenwirkungen wie Angst, Sorgen, gedämpfte Stimmung und negative Gedanken über sich Selbst.
Zusammenfassung
Nicht jeder Cannabis-Konsument leidet an Paranoia. THC wirkt in der Amygdala unseres Gehirns, der Teil, der für unsere Reaktion auf Angst verantwortlich ist. Ein möglicher Grund für das unterschiedliche Empfinden ist ein nicht vollständig ausgebildetes Endocannabinoid-System, das durch Cannabidiol beispielsweise wieder ins Gleichgewicht gebracht werden kann.
Vor allem Jugendliche, die überaus sensibel sind oder vielleicht bereits zu paranoiden Gedanken neigen, sollten mit dem Konsum von Cannabis mit einem sehr hohen THC-Gehalt und bestimmten Wirkungsmustern sehr vorsichtig sein. Sativa-Sorten sind für ihre zerebrale Wirkung bekannt, die bei labilen Konsumenten Paranoia oder Angstgefühle auslösen kann.
Cannabidiol in Form eines Öls ist ein großartiges Mittel, um dennoch das medizinische Potenzial von Cannabis nutzen zu können. Es wirkt nicht psychoaktiv, weshalb man keine Angst vor einem Rausch haben muss. Weiterhin scheint CBD, der psychoaktiven Wirkung von THC sogar entgegenzuwirken, wenn es beim Konsum THC-reicher Sorten zu Paranoia kommen sollte.
Paranoia wird durch Angst verstärkt, weshalb man in einer solchen Situation ruhig und sich auf seine Atmung konzentrieren sollte. Es kann auch helfen, sich bewusst zu machen, dass das Ganze durch THC ausgelöst wurde und die starke Wirkung wieder nachlässt. Auf der anderen Seite ist Paranoia eine Form der Selbstreflexion, die wir durch den Konsum von Cannabis bewältigen müssen. Eine derartig radikale Kur kann uns dabei helfen, uns selbst zu analysieren und Muster zu ändern.