Seit etwa 15 Jahren haben synthetische Cannabinoide einen hohen Stellenwert als legales Ersatzprodukt für Cannabis bekommen. Cannabinoide gehören zu den am häufigsten konsumierten psychoaktiven Stoffgruppen. Bis zum heutigen Tag gibt es in Deutschland, auch nach jahrelanger Diskussion über eine Entkriminalisierung von Cannabis, keine adäquate Regulierung zu Grenzwerten im Straßenverkehr.
Besonders dieser Umstand macht synthetische Cannabinoide interessant, da diese bei einem Drogentest nicht nachweisbar sind. Wer THC konsumiert, setzt potenziell seinen Führerschein und somit seine Existenz auf das Spiel, selbst dann noch, wenn er bereits tagelang nüchtern ist. Auch legale CBD-Produkte können die Existenz kosten, da diese nicht frei von THC sind und ein derart marginaler Wert von 1 ng/ml rasch erreicht ist. Deswegen wird vermehrt auf synthetische Cannabinoide ausgewichen.
Es ist schon fast eine Ironie, dass ausgerechnet in Bayern, jenem Bundesland im welchem Cannabiskonsumenten am strengsten verfolgt werden, es auch die meisten Zwischenfälle mit synthetischen Cannabinoiden gibt. Synthetische Cannabinoide haben aufgrund der enorm hohen Potenz und Bindungsaffinität, nicht nur eine weitaus stärkere Wirkung als THC, sondern auch die Nebenwirkungen sind entsprechend gravierender. Während es von THC bis heute keinen einzigen Todesfall gibt, sind durch synthetische Cannabinoide in Deutschland jährlich mehrere Todesfälle zu verzeichnen. Im Jahr 2020 gab es neun registrierte Todesfälle, die in direktem Zusammenhang mit synthetischen Cannabinoiden standen.
Kreislaufprobleme und akute psychotische Störungen
Die wahrscheinlich unangenehmste Nebenwirkung von synthetischen Cannabinoiden sind Paranoia, die in einer derartigen Stärke auftreten können, dass man sie als temporäre Psychose bezeichnen kann. Diese Nebenwirkung scheint bei synthetischen Cannabinoiden erheblich häufiger aufzutreten als bei natürlichem Cannabis. Bei synthetischen Cannabinoiden kommt neben ihrer hohen Potenz ein weiteres Problem hinzu, nämlich das fehlende CBD. Während natürlicher Hanf ein ausgewogenes Verhältnis aus THC und CBD hat, fehlt bei isolierten hochpotenten synthetischen Cannabinoiden die ausgleichende Wirkung des CBD am CB2-Rezeptor völlig.
Inwiefern die Wahrscheinlichkeit für eine anhaltende Psychose bei synthetischen Cannabinoiden höher ist als bei THC, ist bisher nicht vollständig geklärt. Es ist jedoch davon auszugehen, dass der Konsument eine genetische Veranlagung dazu haben muss. Doch aufgrund der enormen Wirkung und des fehlenden Ausgleichs am CB2-Rezeptor kann selbst bei ansonsten psychisch gesunden Menschen eine vorübergehende schwerste Paranoia die Folge sein. Auch Kreislaufprobleme treten deutlich häufiger auf als bei THC. Starkes Herzrasen, Übelkeit, Erbrechen und ein nachfolgender Kreislaufkollaps infolge eines Blutdruckabfalls, sind eine gängige Nebenwirkung von Produkten wie Spice.
Nierenschäden möglich
Eine weitere fatale Nebenwirkung, die bei THC völlig fehlt, sind Nierenschäden. Viele synthetische Cannabinoide sind entweder selbst sehr toxisch, oder die im Stoffwechsel produzierten Abbauprodukte stellen eine hohe Belastung für die Entgiftungsorgane dar. Auf Pubmed, einem der größten Medizinportale, finden sich mittlerweile über 50 dokumentierte Fälle von Nierenschäden, nach dem Konsum von synthetischen Cannabinoiden. Eine Tendenz, die bei den dokumentierten Fällen zu beobachten ist, dass Nierenschäden umso häufiger auftreten, je neuer das Cannabinoid ist. Durch das NPSG-Gesetz, welches Stoffgruppen verbietet, sind auch immer wieder Cannabinoide, die schon länger bekannt sind, vom Verbot betroffen.
Die Hersteller sind gezwungen, nach immer neueren Abwandlungen zu suchen, die von diesem Stoffgruppenverbot ausgenommen sind. Es scheint, dass vor allem die neueren Cannabinoide der letzten Jahre vielfach nierenschädigend sind, während bei den klassischen Cannabinoiden zu Beginn der Spice-Zeit über solche Fälle kaum berichtet wurde. Exemplarisch wurden auch Todesfälle registriert, die mit hoher Wahrscheinlichkeit infolge eines akuten Nierenversagens durch synthetische Cannabinoide ausgelöst wurde. Inwiefern die auftretenden Nierenschäden reversibel sind, kann nicht eindeutig beantwortet werden, da viele dieser Cannabinoide so neu sind, dass es keinerlei toxikologische Langzeiterfahrung gibt.
Suchtpotenzial deutlich höher als bei THC
Aufgrund der hohen Potenz bilden synthetische Cannabinoide deutlich schneller und stärker eine Toleranz an den Rezeptoren aus. Während bei natürlichem Cannabis selbst bei Dauerkonsum nur mäßig starke Entzugssymptome auftreten, kann es bei einem Entzug von synthetischen Cannabinoiden zu einem ausgeprägten körperlichen Entzugssyndrom kommen.
Eine britische Studie aus dem Jahr 2021 kam zu dem Ergebnis, dass bis zu 80 % der gelegentlichen Konsumenten von synthetischen Cannabinoiden schon einmal Erfahrungen mit einer körperlichen Abhängigkeit von diesen gemacht haben. An all diesen Beispielen lässt sich ein völliges Versagen der sogenannten Drogenpolitik feststellen. Während diese offiziell die Gesundheit der Bürger schützen soll, wurde das genaue Gegenteil davon erreicht. Niemand würde unbekannte und hochtoxische Ersatzprodukte konsumieren, wenn es für ein vergleichsweise harmloses Naturprodukt evidenzbasierte Grenzwerte im Straßenverkehr gäbe.