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Ein Streifzug durch die heimische Heilpflanzen-Flora
Vieles von dem, was unseren Ahnen über Jahrtausende hinweg bekannt war, hat der moderne Zivilisationsmensch fast vollständig vergessen. Zum Beispiel jenes universell feststellbare Phänomen, dass sich Heilpflanzen häufig exakt dort ansiedeln, wo sie besonders benötigt werden – etwa um die Luft- und Bodenqualität zu verbessern oder um der Menschheit bei individuellen und kollektiven Heilungsprozessen zu helfen.
Dass es sich bei dieser Vorstellung, welche die Erde mit all den auf ihr lebenden Wesen als zusammenhängendes und stets auf Selbstheilung „programmiertes“ System versteht, nicht um blanken Aberglauben urtümlicher Zeiten handelt, kann im Grunde genommen jede Person für sich selbst erfahren und letztlich auch nutzbar machen, und wird bisweilen auch gehäuft von wissenschaftlicher Seite bestätigt. Dazu gilt es nur einmal genau zu beobachten, welche Wildpflanzen in der unmittelbaren Umgebung der eigenen Wohnstätte gedeihen. Die anschließend erfolgende Recherche lässt uns dann in vielen Fällen erkennen, dass es genau solche Pflanzen sind, die unserem Leiden Abhilfe oder zumindest eine spürbare Linderung verschaffen können. Als weiteres Beispiel lässt sich in diesem Kontext die Beobachtung anführen, dass vielerorts dort, wo es reichlich sauren Boden gibt, Pflanzen auftauchen – manchmal „wie aus dem Nichts“ -, welche über die besondere Wirkqualität verfügen, den pH-Wert zu neutralisieren. Das Fazit zu diesem wunderbaren und höchst spannenden Phänomen lautet demnach: Mutter Erde schickt, was gebraucht wird. Oder – wie es Albert Hofmann seinerzeit formulierte: Liebe Sucht Dich.
Es sei jedoch betont, dass sämtlicher Umgang mit Heilpflanzen die Einhaltung einiger Grundregeln erfordert. Zum Beispiel muss klar sein, dass nur jene Wildpflanzen gesammelt werden dürfen, die nicht unter Naturschutz stehen und die man in der Lage ist, exakt zu bestimmen. Gleichzeitig muss der Anwender wissen, welche Teile der Pflanze in welcher Dosierung verwendet werden; schließlich können Blätter, Blüten und Wurzeln von ein und derselben Pflanze einer komplett verschiedenartigen Zusammensetzung unterliegen und auf ganz unterschiedliche Weise zur Anwendung gebracht werden. Hinzukommend muss berücksichtigt werden, dass die Selbstmedikation mit Heilpflanzen bei anhaltender Symptomatik nicht den Besuch eines Arztes, Heilpraktikers oder Schamanen ersetzt.
Ein Perspektivwechsel ist notwendig
Offensichtlich sind viele der uns umgebenden Pflanze mehr als nur lästige Unkräuter oder stille „Mitbewohner“. Es sind uralte Kulturfolger und Verbündete des Menschen, die auf mannigfaltige Weise unser Leben bereichern können. Statt dem schwachsinnigen Trend zu folgen und ihnen mit giftigen Bekämpfungsmitteln zu Leibe zu rücken, die uns letztlich selbst mehr Schaden zufügen als den Pflanzen, sollten wir (zum Wohle aller) der Natur mit etwas mehr Respekt und Dankbarkeit begegnen und sie wieder als das erkennen, was sie in Wirklichkeit ist: eine riesengroße Apotheke. Vieles von dem, was zur Erhaltung unserer Gesundheit einen gewichtigen Beitrag leisten kann, wächst direkt vor unserer Haustür.
Ackerschachtelhalm (Equisetum arvens)
Der Ackerschachtelhalm (Syn. Zinnkraut, engl. horsetails) ist eine Sporen bildende, im Jungstadium an einen Pilz erinnernde Urpflanze mit einem Alter von mehreren Millionen Jahren. Wir können davon ausgehen, dass die besondere Heilkraft dieser unscheinbar auf Feldern sowie am Wegesrand gedeihenden Pflanze bereits in der Steinzeit bekannt war. Die grünen Frühjahrs- und Sommertriebe enthalten außergewöhnlich hohe Quantitäten an Kieselsäure (10 %) und Kalium, außerdem Flavonoide, Gerbstoffe und Glykoside u. a. und zeigen ein bindegewebsstärkendes, blutreinigendes, entzündungshemmendes, harntreibendes, stoffwechselanregendes sowie wundheilendes Wirkverhalten. In der traditionellen Volksmedizin wird die Pflanze entsprechend dieser Eigenschaften bei Erkrankungen der Blasen und Nieren sowie bei Durchblutungsstörungen, Hautirritationen, Ödemen, Prostataleiden, Rückenschmerzen, Schwangerschaftsstreifen und Wunden empfohlen. Ackerschachtelhalm eignet sich gleichermaßen für die innere und äußere Anwendung.
Braunelle (Prunella vulgaris)
Die Kleine Braunelle (Syn. Brunelle, engl. heal-all) ist ein unscheinbar auf Wiesen und Waldwegen gedeihender Lippenblütler, der sich gerne auch im Garten ansiedelt. Getreu dem Zeitgeist moderner und von der Natur getrennter Gesellschaften wird die Kleine Braunelle, die nicht selten höher als 20 cm wächst und hübsche bläulich-violette Blüten trägt, oft als unliebsames „Rasenunkraut“ verachtet. Früher hingegen war sie eines der wichtigsten Arzneien zur Behandlung von Diphtherie. Weitere Krankheiten, die zu damaligen Zeiten erfolgreich mit dem, im Sommer geernteten und schonend getrockneten, Kraut behandelt wurden, sind zum Beispiel entzündliche Mund-, Rachen- und Kehlkopfentzündungen, ferner Bluthochdruckstörungen, Magen-Darm-Katarrh und Diabetes. Äußerlich angewendet, in der Darreichung eines Bads, Umschlags oder einer Waschung, hilft die Kleine Braunelle bei Hautentzündungen und Wunden. Das Wirkspektrum reicht von adstringierend, antioxidativ und blutstillend bis hin zu entzündungshemmend und immunstimulierend. Extrakte aus Prunella vulgaris wirken außerdem antimikrobiell und antiviral.
Holunder (Sambucus nigra)
Der in Europa weitverbreitete Holunder (Syn. Holder, engl. elder) ist gleichermaßen als Heil- sowie als magische Ritual- und Zauberpflanze von Relevanz. Zahlreiche Mythen und Legenden ranken sich um dieses Moschuskrautgewächs, das – davon waren unsere Vorfahren überzeugt – der Wohnsitz der guten Hausgeister ist. Naheliegend, dass zu früherer Zeit in fast jedem Hof ein Holunder wuchs. Als Hausmittel bei Erkältung und Grippe erfreut sich die Pflanze seit der Antike bis hinein in die Gegenwart einer konstanten Beliebtheit. Verwendet werden können zu diesem Zweck sowohl die weißen Blüten wie auch die schwarzen, vitaminreichen Beeren. Ebenso gilt der Holunder seit alters her als gutes Mittel bei Blasenentzündungen, Hauterkrankungen und Kopfschmerzen. Das blutreinigende, entzündungshemmende, schleimlösende sowie harn- und schweißtreibende Wirkverhalten ist durch das Zusammenspiel einer Vielzahl diverser Inhaltsstoffe begründet; unter anderem sind Flavonoide, Gerbstoffe, Glykoside, Hydroxyzimtsäurederivate, Phytosterine und Schleimstoffe enthalten.
Karde (Dipsacus fullonum)
Charakteristisches Bestimmungsmerkmal der zweijährig gedeihenden wilden Karde (Syn. Igelkopf, engl. wild teasel) ist der aufblühende, damals aufgrund seiner Stacheln auch zum Aufkämmen von Wolle verwendete Blütenkopf. Von naturheilkundlicher Relevanz ist jedoch im Besonderen die Wurzel, die am besten im Herbst des ersten Jahres ausgegraben wird. Innerlich als Tee oder Tinktur eingenommen, gilt die Kardenwurzel in der Volksmedizin als wirksames Mittel bei Hautkrankheiten, Immunstörungen, Kopfschmerzen, Magen- und Verdauungsschwäche sowie Rheuma. Äußerlich angewendet, etwa als Salbe, wurde sie zur Versorgung von rissigen Hautstellen und kleinen Wunden empfohlen. Ein weiteres wichtiges Einsatzgebiet, das von klinisch-wissenschaftlicher Seite allerdings noch nicht abgesichert und bestätigt wurde, worüber inzwischen aber eine ganze Vielzahl positive Erfahrungsberichte publiziert wurden, ist der Einsatz der wilden Karde als Borreliose-Mittel. Die Pflanze wächst häufig in Ufernähe, wird aber auch am Wegesrand oder an Waldlichtungen gefunden.
Löwenzahn (Taraxacum officinale)
Der als Pusteblume jedem Kind bekannte Löwenzahn (Syn. Butterblume, engl. dandelion) darf in dieser Auflistung nicht fehlen, wächst er doch in jedem Garten und wird nur selten für seine besonderen Qualitäten geschätzt. Die zarten, vor der Blüte gesammelten Blätter eignen sich hervorragend als Salat. Sie enthalten hohe Konzentrationen an wichtigen Vitaminen und Mineralstoffen und gehören zu den bewährtesten Mitteln gegen „Frühjahrsmüdigkeit“. Dass der Löwenzahn neben seiner Einsatzmöglichkeit als „Superfood“ auch von medizinischer Relevanz ist, lässt sich anhand des Artennamens erkennen. Die Bezeichnung officinale/officinalis weist darauf, dass die Pflanze zur Zeit ihrer Benennung offiziell war und als anerkannte Heilpflanze in Apotheken geführt wurde, was im Falle des Löwenzahns auch heute noch der Fall ist. Man kann den Löwenzahn aber auch gleich im eigenen Garten pflücken. Volksmedizinisch werden Zubereitungen aus den Blättern und Wurzeln, etwa ein Tee oder eine Tinktur, zur Behandlung von Gallen-, Leber- und Nierenleiden sowie bei Harnwegsinfekten empfohlen. Weitere Indikationen sind Appetitlosigkeit, Magen- und Darmbeschwerden, Erschöpfungszustände, Gelenkschmerzen, Hautausschläge, Kopfschmerzen und Wechseljahresbeschwerden. Die Extrakte aus der Wurzel gelten in der erfahrungswissenschaftlichen Volksmedizin außerdem als vielversprechendes Mittel gegen Krebs. Ein Tee aus den gelb leuchtenden Blüten hingegen wurde früher als durchblutungsförderndes Gesichtswasser verwendet.
Mädesüß (Filipendula ulmaria)
Das weißblütige und angenehm duftende Mädesüß (Syn. Geißbart, engl. Meadowsweet) wächst bevorzugt auf feucht-sumpfigen Wiesen sowie an Bach- und Flussufern. Den geläufigen Trivialnamen „Natural Aspirin“ trägt die Pflanze völlig zu Recht und sollte deshalb auch in keiner Hausapotheke fehlen. Wie auch die Weide (Salix) enthält das Mädesüß Salicylsäure-Derivate, die sich nach Einnahme in Salicylsäure aufspalten, welches sowohl chemisch-strukturell als auch wirkspezifisch eine große Ähnlichkeit zur synthetisch erzeugten und als Aspirin vermarkteten Acetylsalicylsäure aufweist. Folglich lassen sich Kraut und Blüten des Mädesüß zu gleicher Symptomatik einsetzen, wie auch das allseits bekannte Pharmakon: Bei grippalen Infekten, Entzündungen, Fieber und rheumatischen Schmerzen. Gleichzeitig gilt das Mädesüß volksmedizinisch als ausgezeichnete Hilfe bei Verdauungsstörungen, Magenschleimhautentzündungen und Hauterkrankungen. Ferner wird es zum Aromatisieren von Getränken genutzt.
Nelkenwurz (Geum urbanum)
Bei der Echten Nelkenwurz (Syn. Benediktenwurzel, engl. St. Benedict’s herb) handelt es sich um ein Gewächs, das in den letzten Jahrzehnten immer häufiger in Erscheinung tritt. Einige Pflanzenkundige vermuten, dass ihre rasante Verbreitung mit ihrer entgiftenden Wirkung zusammenhängt; ein wichtiges Element im Prozess der planetarischen Selbstheilung sozusagen. Vergiftete Böden profitieren genauso von dieser Pflanze wie eine von Toxinen geschädigte Leber. Außerdem wirkt die Wurzel, die aufgrund des enthaltenen Eugenols (Nelkenöl) Geruch und geschmacklich stark an Gewürznelken erinnert, adstringierend, blutstillend, schmerzlindernd und tonisierend. Volksmedizinisch eingesetzt wurde sie bei Durchfall und anderen Verdauungsbeschwerden, Hämorrhoiden sowie Hauterkrankungen. Als Wasserauszug gegurgelt, hilft die Nelkenwurz (genau wie die Gewürznelke) bei Entzündungen des Zahnfleischs.
Schafgarbe (Achillea millefolium)
Seit jeher wird die Schafgarbe (Syn. Augenbraue der Venus, engl. yarrow) mit Liebe und Weisheit in Verbindung gebracht und zur Behandlung zahlreicher Erkrankungen genutzt. Das Wirkspektrum der Schafgarbe umfasst appetitanregende, blutstillende, entzündungshemmende, krampflösende und wundheilende Effekte. Nicht nur in Europa, sondern auch in China und Nordamerika wird die Schafgarbe seit Generationen medizinisch angewendet. Ethnomedizinische Indikationen sind z. B. Blutungen aller Art (z. B. innere Blutungen, Wunden, Nasenbluten oder starke Menstruationsblutung), Augenentzündungen, Blähungen, Bluthochdruck, Eierstockerkrankung, Fieber, Hämorrhoiden, Hautausschläge, Menstruationsstörung, Nierenleiden, Prostataentzündung, Rheuma, wunde Brustwarzen, Weißfluss und viele weitere. Ein ausgezeichnetes Frauen- und Männerkraut. Gefunden wird die Schafgarbe auf Äckern oder am Wegesrand; sie kommt in der heimischen Flora häufig vor. Anhand ihrer flachen und weißen Blütendolden sowie den fein gefiederten Blättern kann sie leicht bestimmt werden. Angewendet werden kann die Schafgarbe innerlich als Tee oder Tinktur, äußerlich als Sitz- bzw. Vollbad sowie als Umschlag.
Wasserdost (Eupatorium cannabinum)
Der mit einer Wuchshöhe bis zu 1,80 Meter auffällig auf feuchten Wiesen oder am Uferrand von Gewässern gedeihende Wasserdost (Syn. Kunigundenkraut, Wasserhanf, engl. hemp-agrimony) ist eine gute, tonisierende Immunstimulans und ethnomedizinisch besonders als Rheuma- und Grippemittel von Bedeutung. Daneben hilft der Wasserdost bei Gallen-, Leber- und Milzleiden, Hauterkrankungen, Heuschnupfen und Ödemen. Ihren volkstümlichen Trivialnamen Wasserhanf sowie den botanischen Artnamen cannabinum trägt die Pflanze aufgrund der fingerteiligen und hanfähnlichen Blätter.
Beinwell (Symphytum)
Die Signatur des Beinwells (Syn. Wallwurz, engl. comfrey) gibt bereits einen ersten Hinweis darauf, dass die Pflanze über eine enorme Heilkraft verfügt. Sie hat fest mit dem Stängel verbundene Blätter, knochengewebsähnliche Blattadern und eine dicke, saftig-schleimige Wurzel – ein klares Indiz für viel Vitalität und Lebenskraft. Der aus dem Griechischen stammende Gattungsname Symphytum lässt sich als „zusammenwachsen“ übersetzen und bezieht sich auf die besondere Wirkqualität der dunkelhäutigen Beinwellwurzel, Knochenfrakturen sanft und sicher heilen zu können. Für unsere Vorfahren war die zu einem Brei geraspelte und äußerlich auf die schmerzenden Körperstellen aufgetragene Wurzel deshalb häufig das Mittel der Wahl, wenn es um die Behandlung von Knochenerkrankungen ging. Weitere volksmedizinische Indikationen sind etwa Arthritis, Gicht, Krampfadern, Quetschungen, Venenentzündungen und Verstauchungen. Gefunden wird die allantoinhaltige Pflanze häufig auf feuchten Wiesen oder Gräben in Bach- und Flussnähe.