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Artemisia vulgaris gehört zu den ältesten Schamanenpflanzen Europas. So alt wie die magische Praxis des Räucherns ist, so alt ist auch die rituelle Verwendung des Beifußes – nachweislich seit der Steinzeit. Räucherungen mit diesem Korbblütler wirken reinigend, „kopföffnend“ und helfen dabei, einen sakralen Raum zu schaffen. Besonders für schamanische oder psychonautische Rituale sowie zur Meditation ist der Beifuß deshalb ein tolles Räucherwerk.
Doch nicht nur als solches ist der Beifuß, der heute fast nur noch als einfache Wildpflanze bekannt ist, von ethnobotanischer Relevanz, sondern auch als Heil- und Gewürzpflanze.
Synonyme
Artemisia latifolia, Artemisia officinalis, Artemisia samamisica
Besenkraut, Echter Beifuß, Fliegenkraut, Gänsekraut, Gewöhnlicher Beifuß, Gewürzbeifuß, Johannishaupt, Jungfernkraut, Johannisgürtelkraut, Machtwurz, Moxakraut, Sonnenwendkraut, Thorwurz, Weibergürtelkraut, Wilder Wermut, Werzwisch, Amarella (it.), Armoise (franz.), Mugwort (engl.).
Weitere ethnobotanisch relevante Artemisia-Arten
- Artemisia abrotanum – Eberraute
- Artemisia absinthium – Wermut
- Artemisia annua – Einjähriger Beifuß
- Artemisia cina – Zitwerbeifuß
- Artemisia dracunculus – Estragon
- Artemisia mexicana – Mexikanischer Wermut
- Artemisia pontica – Pontischer Beifuß
- Artemisia tridentata – Steppenbeifuß
Aussehen
Artemisia vulgaris ist eine ausdauernde Pflanze mit einer Wuchshöhe bis zu zwei Metern. An den harten, unten verholzenden, rot-braunen Stängeln befinden sich lanzettförmige Blätter, deren Oberseite dunkelgrün und kahl und Unterseite weiß und leicht filzig ist. Erkennbar ist der Beifuß zudem an seinen gelblich bis rotbraunen, rispenförmig angeordneten Blüten, die im Zeitraum von Juli bis September gebildet werden. Durch sein erfrischend-charakteristisches Aroma, das ein wenig an Kampfer, Minze und Wacholder erinnert, sowie seinen bitteren Geschmack kann der Beifuß ebenfalls leicht identifiziert und bestimmt werden.
Vorkommen
Als typisches „Unkraut“ ist der Beifuß weltweit verbreitet. In Europa ist er besonders gehäuft an Flussufern, auf Brachland sowie am Wegesrand zu finden. Da der Beifuß schon sehr früh vom Menschen verbreitet wurde, kann die ursprüngliche Heimat der Pflanze nicht mehr exakt bestimmt werden.
Inhaltsstoffe
Ätherisches Öl mit 1,8-Cineol, Borneol, Campher, Linalool, Myrcen, Pinen, Terpenen und Thujon als Hauptbestandteile sowie Carotinoide, Cumarinderivate (Umbelliferon, Aesculetin), Flavonoide (Quercetin, Rutin), Polyine, Sesquiterpenlactone (Vulgarin, Pilostachyin) und Triterpene.
Anzucht
Der Beifuß ist eine sehr anspruchslose Pflanze, die sich gut durch Samen anziehen lässt. Die Pflanze ist ein Lichtkeimer, weshalb das Saatgut nicht bzw. nur sehr dünn mit Erde bedeckt werden darf. An den Boden stellt die Pflanze keine besonderen Ansprüche, allerdings sollte darauf geachtet werden, dass sie einen (voll-)sonnigen Standort bekommt. Der Beifuß hat einen mäßigen Wasserbedarf. Auf trockenen Böden sollte deshalb immer regelmäßig gegossen werden. Vermehrt werden kann er sowohl über Aussaat, Stecklinge als auch über Teilung. In mitteleuropäischen Breitengraden ist der Beifuß frosthart und daher besonders gut für die Gartenkultur geeignet. Die Ernte erfolgt während der Blütezeit von Juli bis September. Dazu werden die oberen Triebspitzen abgeschnitten und getrocknet.
Ritueller Gebrauch
Der Beifuß ist für mich ein ganz starker und verlässlicher Verbündeter
Wolf-Dieter Storl
Die Germanen ordneten den Beifuß den weiblichen Mysterien zu und verwendeten ihn für Geburts-, Fruchtbarkeits- und Übergangsrituale. Auch den Kelten war der Beifuß eine heilige Pflanze, die zum festen Bestandteil einer jeden Samhain-Räucherung gehörte. Es existierte nämlich die Vorstellung, dass der Beifuß böse Geister, schlechte Energien bzw. negative Schwingungen vertreibt, weshalb es auch nicht verwundert, dass traditionell mit Beifuß Räume sowie Ställe ausgeräuchert wurden. Zur Traumintensivierung oder zur geistigen Beruhigung bei Schlafstörungen war es damals zudem nicht unüblich, sich getrockneten Beifuß ins Kopfkissen zu stecken.
Genau wie das Johanniskraut (Hypericum perforatum) wurde der Beifuß von unseren Ahnen im Rahmen der Sommersonnenwendenrituale verwendet. Etwa wurde beim Sprung über das Sonnenwendfeuer ein Gürtel aus Beifußkraut getragen, der nach erfolgreichem Gelingen vom Springer als Dank an den großen Geist ins Feuer bzw. die Glut gelegt wurde. Man glaubte, dass der Sprung durch das Feuer den Springer von Krankheiten befreie. Interessant ist, dass dieser Brauch in einigen Regionen bis heute fortbesteht. Genau wie der aus selbiger Zeit stammende Ritus, das Sonnenwendfeuer aus neunerlei verschiedenen Hölzern zu errichten.
Da der Beifuß den alten heidnischen Germanen heilig war, wurde er im Zuge der Christianisierung, genau wie eine Vielzahl weiterer Gewächse, als Hexenkraut verteufelt und durch Weihrauch ersetzt, wodurch die Pflanze hierzulande zunehmend an Bedeutung verlor. Bevor das deutsche Reinheitsgebot für die Herstellung von Bier die Zutaten Wasser, Malz, Hopfen und Hefe festlegte, diente der Beifuß außerdem als aromatischer und psychoaktiver (wegen Thujon) Bierzusatz.
Auf gleiche Weise wie im alten Europa ist der Beifuß auch im gesamten Himalayaraum eine wichtige schamanische Ritualpflanze und wird dort ebenfalls als reinigendes, intuitionsförderndes und dämonenabwehrendes Räucherwerk gebraucht.
Daneben wird der Beifuß dazu eingesetzt, um einen sakralen Raum zu schaffen, in jenem beispielsweise eine Verbindung zu der jenseitigen Ahnenwelt hergestellt werden kann.
In Indien wird die Pflanze vermutlich wegen ihrer an einen Dreizack erinnernden Blätter mit Shiva assoziiert und ist dort als Dankopfer für die Götter von wichtiger ethnoritueller Relevanz. Von nordamerikanischen Prärieindianern wird die Art Artemisia tridentata (Steppenbeifuß) als rituelles Räucherwerk zur energetisch-spirituellen Reinigung sowie zur Abwehr schädlicher Krankheitsgeister gebraucht.
So wird ein Smudge Stick (Räucherbündel) aus Steppenbeifuß traditionell dazu verwendet, um Tipis und Schwitzhütten auszuräuchern. Daneben war der Steppenbeifuß aber auch im Rahmen des Peyotekult von ritueller Bedeutung, zum einen als Räucherwerk und zum anderen als Altarbedeckung sowie als sanftes Kissen für den heiligen Kaktus.
Medizinischer Gebrauch
Die traditionelle Volksmedizin kennt Artemisia vulgaris als entgiftendes, krampflösendes und menstruationsförderndes Frauenkraut. Abkochungen wurden zur Einleitung der Periode, zur Geburtserleichterung sowie zum Austreiben der Nachgeburt eingenommen. In hoher Konzentration wirkt der Beifuß abortiv. Daneben empfiehlt die überlieferte Heilkunde Zubereitungen aus Beifuß bei Epilepsie, Galle- und Leberleiden, Hämorrhoiden, Kopfschmerzen, Magen- und Darmproblemen, Mundgeruch, Nervenleiden, Schlafstörungen, Übelkeit und Würmern.
Die traditionelle chinesische Medizin kennt den Beifuß ebenfalls schon seit Jahrtausenden und verwendet die Blätter im Rahmen der sogenannten Moxibustion. Daher auch die Bezeichnung Moxakraut.
Wirkung
Auf körperlicher Ebene wirkt Beifuß, begründet durch die enthaltenen Bitterstoffe sowie das ätherische Öl, antibakteriell, antimykotisch, appetitanregend, durchblutsanregend, galletreibend, krampflösend, menstruations- und wehenfördernd, tonisierend sowie verdauungsanregend.
Die subtile Psychoaktivität der Pflanze äußert sich in beruhigenden sowie geistklärenden Effekten.
Als inhaliertes Räucherwerk wirkt Beifußkraut harmonisierend sowie reinigend und kann dabei helfen, Altes loszulassen, weshalb ein solches beispielsweise für schamanische Übergangsrituale sehr wertvoll sein kann. Daneben wird durch den inhalierten Rauch eine Aktivierung des dritten Auges angeregt, sodass sich eine Räucherung außerdem als Meditationshilfe eignet, aber auch, um in die tief liegenden Regionen unseres Bewusstseins vorzustoßen. Persönlich spüre ich beim Räuchern des Beifußes direkt, wie das wohlige Aroma in den Kopf zieht und sich die Stirn erwärmt.
Zusätzlich wirkt eine Beifußräucherung in einer Aktivierung der eigenen Selbstheilungskräfte bzw. der inneren Heiler.
Hinweis: Da es sich beim Beifuß um einen Korbblütler handelt, sind allergische Reaktionen nicht ausgeschlossen. In einem solchen Falle sollte die Einnahme sofort abgesetzt werden. Während der Schwangerschaft darf der Beifuß wegen seiner abortiven Wirkung überhaupt nicht eingenommen werden!
Zubereitungen
Räucherwerk
Zum Räuchern werden das Kraut sowie die Blüten verwendet. Beifuß verströmt ein angenehmes Aroma, das in Folge bewusster Inhalation spürbar das Stirnchakra öffnet.
Das getrocknete Kraut kann sehr gut allein geräuchert werden, genau wie es sich wunderbar mit anderen Räucherstoffen kombinieren lässt. Persönlich mag ich Mischungen, die neben Beifuß zu gleichen Teilen entweder Lavendel (Lavandula angustifolia), Mariengras (Hierochloe odorata), Wacholder (Juniperus communis) oder Weihrauch (Boswellia spp.) enthalten.
Teeaufguss
Dazu einen Teelöffel Beifußkraut mit ¼ L kochendem Wasser übergießen und zwei Minuten ziehen lassen. Der Geschmack des Tees ist bitter und sollte nicht mit Zucker oder anderen Süßstoffen überdeckt werden. Denn gerade die Bitterstoffe sind es, die heilen, weshalb die Wirkung den bitteren Geschmack definitiv wieder aufwiegt. Gute Medizin schmeckt eben bitter.
Bad
Ein abendliches Beifußbad hilft bei allen Unterleibserkrankungen, die durch Kälte entstanden sind. Dazu zunächst 200 g getrocknetes Beifußkraut mit drei Liter Wasser neun Minuten aufkochen lassen und den Sud im Anschluss durch ein Sieb ins laufende Badewasser geben.
Daneben eignet sich das Kraut als verdauungsförderndes Küchengewürz.