Günter Weiglein gehört zu den bekanntesten Cannabispatienten in Deutschland. Seit Jahren nutzt er das natürliche Arzneimittel zur Linderung seiner Schmerzen, die durch einen nicht selbst verschuldeten Motorradunfall verursacht worden sind. Schon vor dem Inkrafttreten des Medizinalhanfgesetzes verfügte er über eine damals noch äußerst schwierig zu erhaltene Ausnahmegenehmigung für den Erwerb von Cannabisblüten aus der Apotheke. 2014 erstritt er sich aufgrund der nicht gesicherten Versorgung mit seinem Anwalt Matthias Schillo dazu sogar das Recht auf Patienteneigenanbau für die Selbstversorgung, was unter Umständen dazu führte, dass das Medizinalhanfgesetz in Deutschland schnell eingeführt wurde.
Diese Veränderung im Umgang mit medizinischem Cannabis hob dann auch wieder sein Recht auf Eigenversorgung rückwirkend auf, sodass in der Szene direkt von einem „Anbauverhinderungsgesetz“ gesprochen wurde. Die Begründung dafür wurde in dem Argument gefunden, dass nun die Krankenkassen die Kosten für die gesicherte Versorgung übernehmen würden und keine Notwendigkeit für die Produktion von Cannabisblüten länger gegeben sei. Dass jedoch seit dem Inkrafttreten des Gesetzes stetig eine Unterversorgung mit Medizinalhanf in Deutschland vorherrscht und es Patienten nicht leicht fällt, überhaupt einen Arzt zu finden, wissen Personen, die sich bereits auf die Suche nach einer alternativen Linderung ihrer gesundheitlichen Probleme begeben haben. Dazu kommt es auch immer noch zu häufig vor – wie im Fall von Günter Weiglein – dass sich die Polizei für das medizinisch genutzte Cannabis interessiert und den Patienten mit rechtlichen Problemen konfrontiert.
Immer Ärger mit der Staatsmacht
Berichtet wurde schon in der Vergangenheit von Herrn Weiglein, dass ein Nachbarschaftsstreit genügen kann, der einen Anruf eines Verärgerten bei der Polizei zufolge hat, der die Staatsmacht anrücken und dann aufgrund von „Gefahr in Verzug“ die Wohnung des Cannabiskonsumenten genauer unter die Lupe nehmen lässt. Auch ist es daraufhin bereits passiert, dass das zu medizinischen Zwecken eingesetzte Cannabis kurzerhand konfisziert und nie zurückgegeben wird. So ist es auch just Anfang Februar 2023 erneut passiert.
Wohl wegen eines übereifrigen Staatsanwaltes stand bei dem bekannten Cannabispatienten erneut die Polizei vor der Tür und beschlagnahmte sein aus der Apotheke erworbenes Medikament zwecks toxikologischer Laboruntersuchung. Qualitätsgeprüftes Cannabis, für das eine ärztliche Verschreibung vorliegt, wurde somit einfach einem Patienten entwendet, der daraufhin keine Möglichkeit mehr hat, seine gesundheitlichen Leiden zu verringern, um die Teilhabe am Leben zu ermöglichen. Dies soll laut Rechtsanwalt Matthias Schillo zudem zu einer Zeit geschehen sein, in der sich der Patient Günter Weiglein einer Gerichtsverhandlung gegenübersieht. Man könne also von einer Art „Zermürbungsstrategie“ sprechen, die möglicherweise einen ungestörten Auftritt des Angeklagten zu verhindern versuche.
Dauerhafter Stress
Cannabispatienten wie Günter Weiglein sind einem dauerhaften Stress ausgesetzt, selbst wenn sie ihre Leiden mit der natürlichen Arznei in den Griff zu bekommen versuchen dürfen. Wenn sie ihr oft unzureichend von den Krankenkassen übernommenes Deputat überschreiten oder gegen die Mangelsituation in den Apotheken zur Selbsthilfe greifen, werden sie wie „Rauschgiftsüchtige“ behandelt und genauso bestraft wie Menschen, die aus Vergnügen konsumieren. Ebenfalls leben sie oft in ständiger Angst vor einer Unterversorgung, die die Teilnahme am Leben verhindern würde. Es herrscht somit ständiger Druck auf den Betroffenen, der weit über die Furcht vor einem Anecken mit der mangelhaften Gesetzeslage hinausgeht. Der Drang zu einer Bevorratung mit dem als Schmerzmittel eingesetzten Cannabis überwiegt verständlicherweise, da ein Fehlen der Medizin schwerwiegendere Folgen mit sich bringen würde.
Dies hat im Fall von Günter Weiglein in der Vergangenheit schon dazu geführt, dass er sich in zweimonatiger Untersuchungshaft wiederfand, wo ihm der Zugang zu seiner Medizin nicht möglich gemacht wurde. Stattdessen musste er in seiner Not auf dort angebotenes Tilidin zurückgreifen, mit dem keine Linderung der Schmerzen erreicht wurde, das dafür aber eine anschließende Entwöhnung nötig machte. Verbunden mit Schlaflosigkeit, Herzrasen, Schweißausbrüchen und Angstzuständen. Zur Folge hatte die Unterbringung in der Untersuchungshaft zudem, dass sich Herr Weiglein wegen nicht ausgehändigter Kissen sein Schultergelenk so stark beschädigte, dass eine Implantat-Operation nötig wurde. Neben der Angst vor einer erneuten Razzia mit den dazugehörigen Folgen, der Sorge vor einer Unterversorgung mit dem heilenden Cannabis und den ständigen Schmerzen haben Cannabispatienten unter Umständen also dank der Durchsetzung der Gesetzesvorschriften mit weiteren schwerwiegenden gesundheitlichen Folgen zu kämpfen.
Rechtfertigender Notstand verlangt Veränderungen
Wenn ein rechtfertigender Notstand Patienten aus verständlichen Gründen dazu treibt, zwingend mit dem Gesetz in Konflikt geraten zu müssen, darf es nicht sein, dass die aus der Not begonnenen Handlungen derartig schwere Folgen für die Betroffenen bedeuten. Gerade in einer Zeit, in der die deutsche Bundesregierung den richtigen Weg in Richtung der Legalisierung von Cannabis zu Genusszwecken anstrebt, sollte schnellstmöglich etwas gegen solche unwürdigen Behandlungen unternommen werden. Da es bereits geplant wie ausgesprochen ist, dass im Falle der Freigabe auch der Eigenanbau von Cannabis in begrenzten Mengen gestattet werden wird, muss bezüglich der Patienten schon im Vorfeld mit anderem Maß umgegangen werden.
Selbst wenn es wünschenswert wäre, auch jetzt schon gewöhnliche Konsumenten zu entkriminalisieren und bei dem Besitz von Cannabis in geringer Menge von einer Strafverfolgung abzusehen, ist es bezüglich der Rechte der Patienten unabdinglich, hier sofort die nötige Abhilfe zu schaffen. Es darf nicht weiterhin vorkommen, dass leidende Menschen aufgrund des Versuches, ihre Schmerzen zu lindern, mit der vollen Härte eines nahezu ausgedienten Gesetzes bestraft werden können.
Welche schlimmen Nachwirkungen diese schwer nachvollziehbare Herangehensweise für die Betroffenen verursachen, zeigt der Fall von Günter Weiglein eindrucksvoll. Fordern müsste man hier eindeutig eine Amnestie, sodass der bekannte Cannabispatient jetzt und in Zukunft vor solch einschneidenden Erlebnissen verschont bleibt. Hier geht es schließlich nicht um ein „Recht auf Rausch“, sondern um die Bewältigung eines mit starken Schmerzen verbundenen Alltags.
#AmnestiefürGünterWeiglein